In nicht erwarteter Schnelligkeit hat der Bundestag am 17.12.2020 das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (sog. SanInsFoG) verabschiedet. Tags darauf erfolgte die Zustimmung im Bundesrat und am 29.12.2020 wurde das Gesetz bereits im Bundesgesetzblatt verkündet, so dass es weitgehend zum 1.1.2021 in Kraft treten konnte.
Insolvenzantragspflicht unter gewissen Voraussetzungen erneut ausgesetzt
Mit Ablauf des Jahres 2020 sind überschuldete Unternehmen grundsätzlich wieder verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Allerdings wurde bis 31.1.2021 unter bestimmten Umständen für überschuldete oder zahlungsunfähige Unternehmen, die im November oder Dezember 2020 Hilfen aus staatlichen Hilfsprogrammen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beantragt haben oder denen es unmöglich war, einen Antrag in dem Zeitfenster zu stellen, erneut die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Dies soll laut Regierungsbeschlüssen vom 19.1.2021 noch einmal auf Ende April 2021 verlängert werden.
Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens im deutschen Recht
Das SanInsFoG verfolgt das Ziel, die europarechtlichen Vorgaben für einen präventiven Restrukturierungsrahmen in deutsches Recht umzusetzen und trägt dem Umstand Rechnung, dass die durch die Covid-19-Pandemie bedingte Sondersituation weitere Anpassungen des Sanierungs- und Insolvenzrechts erforderlich macht. Wesentliches Element des SanInsFoG ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, kurz StaRUG.
Überblick über die wesentlichen Neuerungen
Mit dem Gesetz wurde die Grundlage für die Durch- und Umsetzung von Sanierungen gegen den Widerstand von Minderheiten unter Vermeidung eines Insolvenzverfahrens geschaffen. Bisher bestand im deutschen Recht so gut wie keine Möglichkeit, außerhalb eines Insolvenzplanverfahrens in die Rechte von Gläubigern mittels Mehrheitsbeschlusses einzugreifen. Mit dem Restrukturierungsrahmen wurde nun ein wichtiges Instrument implementiert und eine Lücke geschlossen. Nun haben Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Möglichkeit, die Sanierung aufgrund eines mehrheitlich von den betroffenen Gläubigern bestätigten Plans außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu erreichen und so die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu vermeiden. Auch unternehmerisch tätige natürliche Personen können neben Unternehmen das Instrument des Restrukturierungsrahmens für sich in Anspruch nehmen (§ 30 Abs. 1 StaRUG).
Das Gesetz beinhaltet folgende wesentlichen Regelungen:
- Entwurf des Restrukturierungsplans, Gläubigerverhandlungen und Planabstimmung sind grundsätzlich in Eigenregie durch das betroffene Unternehmen möglich,
- Einbeziehung des Gerichts nur bei Eingriff in Gläubigerrechte gegen den Widerstand einer Minderheit, also bei einem nur mehrheitlich, aber nicht einstimmig angenommenen Plan,
- Bekanntgabe der jeweiligen gerichtlichen Entscheidungen nur gegenüber den jeweiligen Betroffenen, sofern sich das Unternehmen nicht für das öffentliche Planverfahren entscheidet,
- Zugang zum Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, die lediglich drohend zahlungsunfähig (§ 18 InsO) sind, und Konkretisierung der drohenden Zahlungsunfähigkeit durch Festlegung eines Prognosezeitraums von „in aller Regel“ 24 Monaten,
- schärfere Abgrenzung der drohenden Zahlungsunfähigkeit von der Überschuldung nach § 19 InsO und Festlegung des Prognosezeitraums bei Überschuldung auf 12 Monate,
- temporär verkürzter Prognosehorizont von vier Monaten bis Ende 2021 für Unternehmen, deren Überschuldung auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen ist (§ 4 COVInsAG n.F.),
- Verlängerung der Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung von drei Wochen auf sechs Wochen (§ 15a Abs. 1 S. 2 InsO n.F.),
- Erstreckung des Restrukturierungsrahmens auf alle Arten von Forderungen und Sicherungsrechten mit Ausnahme von Arbeitnehmerforderungen einschließlich Ansprüche auf betriebliche Altersvorsorge sowie Forderungen aufgrund vorsätzlicher unerlaubter Handlungen und staatliche Sanktionsforderungen,
- Abstimmung über den Plan durch Planbetroffene in Gruppen und qualifizierte Summenmehrheit von 75 % für den Plan in jeder Gruppe,
- keine Besserstellung einzelner Gläubiger unter gleichrangigen Gläubigern, es sei denn, dies ist nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen sachgerecht,
- gerichtlich angeordnete Vollstreckungs- und Verwertungssperre (sog. Stabilisierungsanordnung) für bestimmte oder alle Gläubiger zur Stabilisierung des Unternehmens mit einer Laufzeit von bis zu drei bzw. für Planbetroffene vier und bei Planannahme bis zu acht Monaten,
- grundsätzliche haftungs- und anfechtungsrechtliche Privilegierung neuer Finanzierungen (auch Zwischen- und Brückenfinanzierungen), die nach Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache gewährt werden,
- Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten meist im Ermessen des Gerichts, zwingende Bestellung nur dann, wenn zu erwarten ist, dass eine oder mehrere der Gruppen nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustimmen werden, es sei denn es sind nur Unternehmen des Finanzsektors vom Plan betroffen,
- gerichtliche Bestellung eines Gläubigerbeirats zur Unterstützung und Überwachung der Geschäftsführung durch den Schuldner möglich, sofern der Restrukturierungsplan die Gestaltung der Forderungen aller Gläubiger (mit Ausnahme der vom Plan generell ausgenommenen Gläubiger) vorsieht und die Restrukturierungssache gesamtverfahrensartige Züge aufweist,
- ab 17.7.2022 Möglichkeit des Betreibens einer öffentlichen Restrukturierungssache durch den Schuldner, wodurch die einzelnen Verfahrensschritte öffentlich bekannt gemacht werden. Entscheidet der Schuldner sich nicht ausdrücklich für die Öffentlichkeit, besteht nur eine Parteiöffentlichkeit. Aus der Öffentlichkeit resultiert, dass die Restrukturierungssache und in Anspruch genommene Instrumente des StaRUG erleichtert gemäß EuInsVO in anderen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt werden.
Hinweis
Die Möglichkeit der Beendigung von gegenseitigen noch nicht vollständig erfüllten Verträgen (insb. Dauerschuldverhältnissen) durch das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners wurde nicht in das verabschiedete Gesetz aufgenommen.