Der Sachverhalt:
Die Klägerin erbrachte im Streitjahr 2007 u.a. Telekommunikationsdienstleistungen auf der Grundlage von sog. Prepaid-Verträgen (Zugang zu ihrem Mobilfunknetz). Nach Aktivierung des Mobilfunkanschlusses konnte der Kunde sein Prepaid-Guthaben mittels verschiedener Bezahlsysteme jederzeit wieder aufladen. Dieses Guthaben konnte er für Leistungen der Klägerin (z.B. Telefonie, SMS, mobiles Internet) oder für Leistungen von Drittanbietern (z.B. Klingeltöne, Fahrkarten, Getränkeautomaten) einsetzen. Für die Leistungserbringung eines Drittanbieters an den Kunden belastete die Klägerin das Prepaid-Guthaben mit dem entsprechenden Bruttoentgelt, das sie an den Drittanbieter weiterleitete.
Im Rahmen eines "aktivitätsorientierten Deaktivierungsverfahrens" machte die Klägerin von ihrem Recht Gebrauch, die grundsätzlich zeitlich unbefristet geschlossenen Prepaid-Verträge zu kündigen. In diesem Falle konnte sich der Kunde, nachdem die Klägerin die betreffende SIM-Karte deaktiviert hatte, das Restguthaben erstatten lassen oder eine neue SIM-Karte beantragen, auf welche die Klägerin das Restguthaben umbuchte. Erfolgte weder eine Erstattung noch eine Umbuchung des Restguthabens, buchte die Klägerin dieses Guthaben des Kunden in ihrer Handels- und Steuerbilanz erfolgswirksam aus.
Die Klägerin, die bei der Umsatzbesteuerung der aufgeladenen Guthaben ab dem Besteuerungszeitraum 2003 dem BMF-Schreiben vom 3.12.2001 (IV B 7 - S 7100 - 292/01) folgend von der "Anzahlungsbesteuerung" auf die "nachträgliche Verbrauchsbesteuerung" übergegangen war, hat die erfolgswirksam ausgebuchten Restguthaben nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass sich ein im Zeitpunkt der Deaktivierung noch vorhandenes Restguthaben, das weder erstattet noch umgebucht werde, von einer Vorauszahlung in eine Überzahlung wandele, die die Bemessungsgrundlage für die von der Klägerin ausgeführten Leistungen nachträglich erhöhe. Er setzte dementsprechend die Umsatzsteuer für das Streitjahr fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass bei Prepaid-Verträgen aus endgültig nicht zurückgeforderten Restguthaben Umsatzsteuer abzuführen ist. Insoweit liegt ein nachträgliches Entgelt für die von der Klägerin erbrachte Möglichkeit zur Nutzung ihrer technischen Infrastruktur (Plattformleistung) vor.
Die Klägerin kann als Plattformbetreiberin angesehen werden, die ihren Kunden auch im Rahmen der in Rede stehenden Prepaid-Verträge u.a. eine technische Infrastruktur zur Verfügung stellt und den Kunden damit einen wirtschaftlichen Vorteil (Leistung) erbringt. Insbesondere waren die Kunden der Klägerin hierdurch mobil erreichbar. Diese Leistung war Teil des aus einem Leistungsbündel bestehenden Prepaid-Vertrages. Dieser Leistungsbestandteil wurde zwar zunächst nicht "gegen Entgelt" erbracht. Nach den maßgeblichen zivilrechtlichen Vereinbarungen wurden nur die im Einzelnen bepreisten (aktiven) Telekommunikationsleistungen (z.B. Telefonie, SMS und mobiles Internet) gegen Entgelt von der Klägerin erbracht. Die Abbuchung vom Prepaid-Guthaben stellte als geleistetes Entgelt den Gegenwert der jeweils in Anspruch genommenen Dienstleistung dar. Dasselbe gilt für die von Drittanbietern auf der Grundlage separater Verträge in Anspruch genommenen Lieferungen und sonstigen Leistungen in Gestalt von z.B. an Automaten gekauften Getränken bzw. heruntergeladenen Klingeltönen oder bezogenen Fahrkarten.
Die endgültig nicht zurückgeforderten Restguthaben aus den Prepaid-Verträgen führen jedoch zu einem nachträglichen Entgelt für die eröffnete Nutzung der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Infrastruktur, die insbesondere die mobile Erreichbarkeit der Prepaid-Kunden ermöglichte. In diesem Fall greift § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG, der nicht nur auf den Fall der Minderung, sondern auch auf eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage anwendbar ist. Der Anwendungsbereich der Berichtigungsvorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG erfasst auch unentgeltliche Wertabgaben, da diese nach § 3 Abs. 1b bzw. § 3 Abs. 9a UStG den Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen gegen Entgelt gleichgestellt sind.
Vorliegend hatte sich die Bemessungsgrundlage für den zunächst "unbepreisten" - von der Klägerin mithin zunächst unentgeltlich erbrachten Leistungsbestandteil - zum Zeitpunkt der erfolgswirksamen Ausbuchung der in Rede stehenden endgültig nicht zurückgeforderten Restguthaben nachträglich erhöht. Die der Klägerin verbliebenen Restguthaben stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Prepaid-Vertrag und seinen während der Vertragslaufzeit erbrachten sonstigen Leistungsbestandteilen. Maßgeblich hierfür ist insbesondere, dass sowohl die von der Klägerin erbrachten sonstigen Leistungen als auch die ihr verbliebenen Restguthaben nicht auf einem bloß zufälligen Ereignis außerhalb der Leistungsbeziehung, sondern auf einem einheitlichen Rechtsverhältnis beruhen.
Die der Klägerin verbliebenen Restguthaben stellen bei wirtschaftlicher Betrachtung eine "Überzahlung" auf die bisher unentgeltlich in Anspruch genommene Leistung, die von ihr zur Verfügung gestellte Infrastruktur nutzen zu können, dar. Ein anderer Rechtsgrund für diese Überzahlungen ist nicht ersichtlich. Selbst wenn dem jeweiligen Kunden, der sowohl auf eine Umbuchung als auch Rückforderung der verbliebenen Restguthaben verzichtet hat, bewusst gewesen sein sollte, dass sein Restguthaben der Klägerin endgültig verbleibt, entspricht es in einem solchen Fall nicht der Sichtweise eines Durchschnittsverbrauchers, diesen Betrag der Klägerin schenkweise zuwenden zu wollen. Nur der Prepaid-Vertrag kann mithin Rechtsgrund für die geleistete Überzahlung sein. War jedoch das Restguthaben weder durch Umbuchung noch Erstattung aufgebraucht, verblieb es endgültig bei der Klägerin. Die Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG setzt auch keine vertragliche Vereinbarung voraus. Die Steuerbemessungsgrundlage ist vielmehr jedes Mal dann zu vermindern, wenn der Steuerpflichtige nach Bewirkung eines Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält. Entsprechendes gilt für die im Streitfall bejahte Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die (zunächst unentgeltliche) sonstige Leistung, die die Klägerin erbracht hat.
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