Die ESMA veröffentlicht jährlich Prüfungsschwerpunkte, die die europäischen nationalen Enforcer bei der Prüfung der Unternehmensberichterstattung besonders im Fokus haben werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übernimmt die von der ESMA veröffentlichten Prüfungsschwerpunkte und ergänzt diese um weitere nationale Prüfungsschwerpunkte. Daher sollten insb. kapitalmarktorientierte Unternehmen und deren Abschlussprüfer diese Themen besonders sorgfältig bei der Erstellung der Konzern- und Jahresabschlüsse und bei deren Prüfung beachten:
Abschlüsse nach International Financial Reporting Standards (IFRS)
Die Prüfungsschwerpunkte für IFRS-Abschlüsse betreffen:
- Liquiditätsaspekte
- Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Ermessensentscheidungen und wesentliche Schätzungen.
Die ESMA erinnert an die Bedeutung der Angaben zum Liquiditätsrisiko und betont die neuen Angabepflichten in IAS 7 Kapitalflussrechnung für Lieferantenfinanzierungsvereinbarungen (supplier finance arrangements, reverse factoring). Alle wesentlichen Lieferantenfinanzierungsvereinbarungen sind zu identifizieren und offenzulegen, insb. deren Bedingungen einschließlich verlängerter Zahlungsfristen und etwaiger Sicherheiten oder Garantien. Auch die Klarstellungen und neuen Angabepflichten in IAS 1 zu langfristigen Schulden mit Covenants sowie die gemäß IFRS 7 geforderten Informationen im Falle von Zahlungsverzögerungen bzw. Zahlungsausfällen, Vertragsverletzungen oder Neuverhandlungen von Darlehensvereinbarungen, werden hervorgehoben. Als dritten Unterschwerpunkt hat die ESMA Problembereiche im Zusammenhang mit der Kapitalflussrechnung identifiziert (u. a. Bruttodarstellung von Zahlungsströmen, nicht zahlungswirksame Transaktionen, Einstufung und Ausweis von Bankverbindlichkeiten).
Die ESMA betont allgemeine Anforderungen an die unternehmensspezifische und konsistente Darstellung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie an die Darstellung wesentlicher Ermessensentscheidungen, wesentlicher zukunftsbezogener Annahmen und wesentlicher Quellen von Schätzunsicherheiten. Hierbei ist darauf einzugehen, ob und wie Schätzunsicherheiten z. B. durch makroökonomische, technologische, soziale, klimabezogene oder geopolitische Entwicklungen beeinflusst wurden. Im Zusammenhang mit dem Vorliegen von Beherrschung, gemeinsamer Beherrschung und maßgeblichem Einfluss verweist die ESMA auf notwendige Angaben zu maßgeblichen Ermessensausübungen und getroffenen Annahmen. Dies gilt insb. dann, wenn neben Stimmrechten auch andere Faktoren zu berücksichtigen sind. Ferner sind die relevanten Ermessensentscheidungen bei der Würdigung und Ermittlung der Umsatzerlöse aus Verträgen mit Kunden (IFRS 15) anzugeben. Thematisiert werden insb. langfristige Kundenverträge (z. B. die Angemessenheit und Vertretbarkeit der Prognosen der Erlöse und Kosten vor dem Hintergrund des aktuellen makroökonomischen Umfelds, die aus belastenden Kundenverträgen ggf. resultierenden Drohverlustrückstellungen gemäß IAS 37) und die Beurteilung der Stellung als Prinzipal oder Agent.
Nachhaltigkeitsberichte nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
Die Prüfungsschwerpunkte im Bereich der Nachhaltigkeit werden gelegt auf:
- Wesentlichkeitsbeurteilung bei der Berichterstattung nach ESRS
- Umfang und Struktur des Nachhaltigkeitsberichts
- Angaben nach Artikel 8 der EU-Taxonomie-Verordnung.
Die ESMA legt Wert auf die Durchführung einer gründlichen Wesentlichkeitsanalyse, da diese den Ausgangspunkt für die Bestimmung der Informationen, die in der Nachhaltigkeitsberichterstattung offengelegt werden, darstellt. Der Umfang des Nachhaltigkeitsberichts soll sich am Konsolidierungskreis für den Konzernabschluss des Mutterunternehmens orientieren und grundsätzlich Informationen über die gesamte Wertschöpfungskette umfassen. Bezüglich der Struktur der Nachhaltigkeitsberichte spricht sie sich für die Beispielstruktur in Anlage F des ESRS 1 Allgemeine Anforderungen aus. Im Kontext der EU-Taxonomie hält die ESMA an ihren Empfehlungen aus den Prüfungsschwerpunkten 2023 fest. Die Meldebögen gemäß delegiertem Rechtsakt zur Offenlegung gemäß Artikel 8 sind ohne Anpassungen oder Änderungen zu verwenden.
ESEF (European Single Electronic Format)
Im Hinblick auf die ESEF-Berichterstattung legt die ESMA den Schwerpunkt auf Prüffelder, in denen häufig Fehler festgestellt wurden:
- Verwendung der korrekten Taxonomieelemente
- Umgang mit Erweiterungs-Elementen und deren Verlinkung
- Konsistente und vollständige Auszeichnung
- Verwendung der richtigen Vorzeichen, Skalierung und Genauigkeit
- Konsistenz in den Berechnungen.
Darüber hinaus verweist die ESMA neben den Prüfungsschwerpunkten auf weitere relevante Themengebiete und Veröffentlichungen:
- Konnektivität von Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung (vgl. ESMA Vorjahres-Prüfungsschwerpunkte, IFRS IC Entscheidung zu klimabezogenen Verpflichtungen, IASB Exposure Draft on Climate Related and other uncertainties)
- IFRS-Bilanzierung von Versicherungsverträgen (IFRS 17) und von Emissionszertifikaten (vgl. ESMA-Veröffentlichungen aus 2024)
- Überleitung alternativer Cashflow- oder Nettoverschuldungs-Kennzahlen zu IFRS-Zahlen auf Basis der ESMA-Leitlinien zu Alternativen Leistungskennzahlen
- Veröffentlichung der Europäischen Kommission zur Anwendung und Auslegung der CSRD; ESMA-Veröffentlichung zur erstmaligen Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts und ESMA-Bericht zum Greenwashing
- Veröffentlichungen zur ESEF-Berichterstattung (u. a. Verweis auf das aktualisierte ESEF Reporting Manual).
Die BaFin hat am 7.11.2024 ihren nationalen Prüfungsschwerpunkt bekannt gegeben. Zusätzlich zu den oben dargestellten gemeinsamen Prüfungsschwerpunkten der ESMA wird die BaFin bei der Prüfung von IFRS-Abschlüssen für das Geschäftsjahr 2024 den Fokus auf die Werthaltigkeit von Vermögenswerten legen. In der Vergangenheit wurden bei den Bilanzkontrollen regelmäßig Fehler aufgrund unterlassener, verspäteter oder unterdotierter Wertminderungen festgestellt. Die Relevanz des Themas ergibt sich aber auch aus den Transformationsprozessen in den Unternehmen sowie den geopolitischen und den gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen.
Im Rahmen ihrer Bilanzkontrollverfahren wird die BaFin schwerpunktmäßig die Werthaltigkeit bilanzierter Vermögenswerte im Anwendungsbereich der Rechnungslegungsstandards IAS 36 und IFRS 9 untersuchen. Die Finanzaufsicht erwartet von den Unternehmen neben der Dokumentation der Analysen und Werthaltigkeitstests eine transparente und nachvollziehbare Darstellung der zugrunde gelegten Annahmen.
Bei nichtfinanziellen Vermögenswerten haben Unternehmen im aktuellen Umfeld genau zu prüfen, ob interne oder externe Anzeichen für mögliche Wertminderungen vorliegen. Sollte dies der Fall sein, sind Wertminderungstests durchzuführen. Die Überprüfung darf sich hierbei nicht auf immaterielle Vermögenswerte mit unbeschränkter Nutzungsdauer wie Geschäfts- oder Firmenwerte beschränken, sondern soll auch Sachanlagen und sonstige immaterielle Vermögenswerte umfassen. Die BaFin weist darauf hin, dass die den Wertminderungstests zugrunde gelegten Unternehmensplanungen auf angemessenen und nachvollziehbaren Annahmen beruhen müssen. Im Bereich der finanziellen Vermögenswerte legt die BaFin den Prüfungsschwerpunkt auf die Einbringlichkeit von Forderungen.