Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Firma X. Diese hatte mit der Firma Y, einer Organgesellschaft der Z-GmbH, eine "Jahres-Konditionsvereinbarung 2006" geschlossen. Diese enthielt im "Leistungsblock A" unter "1. Bonus" Angaben zu "Bonuszahlungen" und darauf zu leistende Abschlagszahlungen ("Nettobetrag zzgl. MWST (EUR)"). Weiter heißt es unter Tz. 1.8.: "zum 15.12. für alle vereinbarten Vergütungen gemäß hochgerechnetem Umsatz abzgl. geleisteter Abschlagszahlungen ... Abrechnung: X - Rechnung, Verrechnung über W. Die Endabrechnung erfolgt schriftlich bis zum 15.1. des Folgejahres gegen Lieferantenabrechnung zu Händen der Abteilung Forderungsmanagement."
Mit der Firma W, einem Zentralregulierer, hatte X am 01.01.2005 einen "Dienstbesorgungs-Vertrag/Delegationsvereinbarung" geschlossen. W wurde danach u.a. von X beauftragt, steuerlich relevante Belege wie (Sammel-)Rechnungen, Belastungsanzeigen, Rückbelastungen und Korrekturrechnungen gegenüber Lieferfirmen im Namen des Handelsunternehmens zu erstellen und mit Wirkung für dieses zu empfangen. Die Rechnungen/Gutschriften wurden von X erstellt und an W weitergeleitet. W wiederum leitete die Abrechnungen anschließend an Y weiter. W erstellte demgemäß für 2006 an Y mit "Belastung" bezeichnete Dokumente, welche als Absender die Firma X auswiesen und einen "Begründungstext" enthielten.
Y zog die in den o.g. "Belastungen" genannten Beträge als Vorsteuer ab. X meldete die in den "Belastungen" genannten Beträge in seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 an und führte die Beträge an das Finanzamt ab. Im Jahr 2012 wurde über das Vermögen des X das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die "Belastungen" seien keine Rechnungen i.S.v. § 14c UStG, da sie nicht der Abrechnung von Leistungen dienten. Dies ergebe sich daraus, dass die enthaltenen Angaben widersprüchlich seien, Y in dem Dokument als Absender bezeichnet werde, und dem Rechnungsbetrag ein negatives Vorzeichen vorangestellt sei. Im März 2016 stornierte X die "für das Jahr 2006 erstellten Bonusabrechnungen". Das FA Q bestätigte, dass Y bereits am 31.12.2015 die abgezogene Vorsteuer an das FA Q zurückgezahlt habe. Das Finanzamt vertrat weiterhin die Auffassung, ein Steuerausweis i.S.v. § 14c UStG liege nicht vor, da aus der Gesamtheit des Inhalts der Abrechnungspapiere und der Jahreskonditionsvereinbarung hervorgehe, dass X über Preisnachlassansprüche "abgerechnet" habe und deshalb keine (Beschreibung einer) Leistung vorliege. Eine formelle Rechnungsberichtigung sei nicht erforderlich.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage weitgehend statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass X in den "Belastungen" zu Unrecht einen Steuerbetrag offen ausgewiesen habe, den er nach § 14c UStG, Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) schulden könnte.
Hat ein Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG). Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag (§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG). Nach § 14 Abs. 4 UStG muss eine Rechnung u.a. grundsätzlich den Umfang und die Art der sonstigen Leistung sowie den (auf das Entgelt entfallenden) Steuerbetrag enthalten. Der Steuerbetrag muss ein Geldbetrag sein, der als Steuerbetrag gekennzeichnet ist.
Vorliegend hat das FG unzutreffend angenommen, dass die "Belastungen", soweit ihnen keine Werbeleistungen zugrunde liegen, nicht als Abrechnungen über vereinbarte Boni auszulegen ist. Es hatte dabei nicht beachtet, dass zur Auslegung der "Belastungen" auch insoweit die Jahreskonditionsvereinbarung heranzuziehen ist. Ob die Angaben in einer Rechnung unzutreffend sind, bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen. Daher sind - wie bei der Prüfung, ob eine Rechnung hinreichende Angaben enthält, die zum Vorsteuerabzug berechtigen - auch im Anwendungsbereich des § 14c UStG Bezugnahmen in der Rechnung auf andere Dokumente zu berücksichtigen.
Eine Berücksichtigung von in der Rechnung enthaltenen Bezugnahmen im Rahmen der Auslegung ist auch unionsrechtlich geboten, weil sich die Steuerverwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken darf, sondern auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen hat. Im Streitfall hat das FG zu Unrecht angenommen, dass in den Belastungen nur über Werbeleistungen abgerechnet wurde. Unabhängig davon hatte das FG auch deshalb zu Unrecht angenommen, dass zunächst Umsatzsteuer gem. § 14c UStG geschuldet wurde, weil in den Belastungen keine positiven, sondern negative Beträge offen ausgewiesen wurden. Einen offen ausgewiesenen negativen Betrag kann jedoch weder nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG noch nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG geschuldet werden. Ist der ausgewiesene Betrag (negativ und damit) zu niedrig, ist er kein "Mehrbetrag" i.S.d. § 14c Abs. 1 UStG.
Ein negativer Betrag ist auch kein "ausgewiesener Betrag" i.S.d. § 14c Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG oder eine "Mehrwertsteuer" i.S.d. Art. 203 MwStSystRL, der bzw. die vom Rechnungsaussteller "geschuldet" werden kann. Eine Festsetzung von negativer Umsatzsteuer zugunsten des Rechnungsausstellers widerspräche dem Zweck von § 14c Abs. 2 UStG, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken. Dies zeigt, dass auch ein nach § 14c Abs.2 Satz 1 UStG vom Rechnungsaussteller "geschuldeter" Betrag positiv sein muss. § 14c UStG begründet eine Steuerschuld, wenn ein Umsatz mit einem höheren Steuerbetrag abgerechnet wird, als das Umsatzsteuergesetz für den Umsatz fordert. Wird aus den "Belastungen" keine Umsatzsteuer nach § 14c UStG geschuldet, muss das Finanzamt einer Berichtigung der "Belastungen" nicht zustimmen, weil kein Anwendungsfall des § 14c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 UStG vorliegt. Die Ablehnung ist hier deshalb zu Recht erfolgt.
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