Nach bisheriger Rechtsprechung war aus steuerstrafrechtlicher Sicht vom Vorliegen einer einheitlichen Tat auszugehen, wenn Steuerhinterziehungen entweder durch dieselbe Erklärung oder durch mehrere Erklärungen mit übereinstimmenden unrichtigen Angaben bewirkt und diese Erklärungen in einem einheitlichen äußeren Vorgang abgegeben wurden.
Der BGH hat mit Beschluss vom 22.1.2018 (Az. 1 StR 535/17, DStR 2018, S. 2380) seine bisherige Rechtsprechung zur Tateinheit bei Steuerhinterziehung insoweit aufgegeben, als die Abgabe der verschiedenen Erklärungen in einem äußeren Vorgang zusammenfällt. Der BGH sieht in diesen Konstellationen nunmehr im Grundsatz mehrere Taten im Sinne von § 53 StGB. Nach dieser Rechtsprechungsänderung dürfte künftig häufiger von einer sog. Tatmehrheit auszugehen sein, ohne dass es auf die Umstände der Erklärungsübermittlung ankommt. Hieraus können sich Folgewirkungen hinsichtlich der Verjährung und Selbstanzeige von Steuerstraftaten ergeben.
An der ersten Fallgruppe, wonach Steuerhinterziehungen durch ein und dieselbe Erklärung begangen werden, ändert sich nichts: Bei nur einer Erklärung liegt eine natürliche Handlung vor, etwa bei der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag.
Werden mehrere Erklärungen mit übereinstimmenden unrichtigen Angaben bewirkt, die in einem äußeren Vorgang zusammengefasst werden, nimmt der BGH nunmehr Tatmehrheit an.
Hinweis
Die geänderte Sichtweise des BGH hat mitunter positive Auswirkungen für den Beschuldigten und führt zu einer Vereinheitlichung und Vereinfachung des Steuerstrafrechts. Sowohl die steuerstrafrechtliche Verjährung als auch die strafbefreiende Selbstanzeige orientieren sich an der Höhe der Hinterziehungsbeträge. Diese werden bei in Tateinheit begangenen Straftaten addiert. Wird die Wertgrenze von 50.000 Euro überschritten, verjähren Steuerstraftaten erst nach zehn Jahren, bei niedrigeren Beträgen bereits nach fünf Jahren. Mit Blick auf die Selbstanzeige sind aufgrund der bei tateinheitlich begangenen Taten erforderlichen Addition der Hinterziehungsbeträge bei einem Betrag von über 25.000 Euro weitere Voraussetzungen für die Straflosigkeit, insbesondere die Entrichtung eines Strafzuschlags, zu erfüllen. Demgegenüber sind bei mehrheitlich begangenen Taten die Hinterziehungsbeträge nicht zu addieren. Nachteilig könnte sich an der geänderten Sichtweise allenfalls auswirken, dass bei Tatmehrheit im Rahmen der sog. Gesamtstrafenbildung theoretisch höhere Strafen verhängt werden können. Bei der Strafzumessung sind jedoch regelmäßig alle relevanten Umstände in die Betrachtung einzubeziehen, so dass sich dies in der Praxis nicht allzu gravierend auswirken dürfte.