Der Sachverhalt:
Seit Ende des Jahres 2003 war der Vater des Klägers alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Angestellter der GmbH. Im Februar 2010 wurden dem Kläger die Anteile an der GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen. Im Laufe der Jahre hatte der Kläger Bürgschaften für Bankverbindlichkeiten der GmbH übernommen. Allerdings blieb der wirtschaftliche Erfolg aus.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes seien bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts die Aufwendungen des Klägers aus der Inanspruchnahme der Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Die Revision der Finanzbehörde blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Aufwendungen des Klägers aus seiner Inanspruchnahme als Bürge für die GmbH als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Berechnung des Auflösungsverlusts des Klägers berücksichtigt.
Bisher hatte der BFH in solchen Fällen nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung angenommen, wenn das Darlehen oder die Bürgschaft eigenkapitalersetzend waren. Nachträgliche Anschaffungskosten minderten den Veräußerungs- oder Auflösungsgewinn oder erhöhten einen entsprechenden Verlust. Bei der Frage, ob die Finanzierungshilfe des Gesellschafters eigenkapitalersetzend war, orientierte sich der BFH an den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zum sog. Eigenkapitalersatzrecht.
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 hat der Gesetzgeber allerdings das Eigenkapitalersatzrecht aufgehoben und durch eine insolvenzrechtliche Regelung ersetzt. Darlehen, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft gegeben hat, sind danach im Insolvenzverfahren der Gesellschaft nachrangig zu erfüllen. Eine Kapitalbindung tritt nicht mehr ein. Seitdem war umstritten und höchstrichterlich ungeklärt, welche Auswirkungen dies steuerrechtlich auf die Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten hat.
Nun steht aber fest, dass mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts die gesetzliche Grundlage für die bisherige Annahme von nachträglichen Anschaffungskosten entfallen ist. Nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung sind deshalb - wie auch ansonsten im Einkommensteuerrecht - nur noch nach Maßgabe der handelsrechtlichen Begriffsdefinition in § 255 HGB anzuerkennen. Darin liegt eine wesentliche Einschränkung gegenüber der bisherigen Praxis.
Hervorzuheben ist, dass jetzt erstmals auch ein Fachsenat des BFH aus Gründen des Vertrauensschutzes eine zeitliche Anwendungsregelung für ein Urteil getroffen hat. Zwar ist der Kläger nach dem neuen Urteil eigentlich nicht mehr berechtigt, seinen Forderungsausfall als nachträgliche Anschaffungskosten geltend zu machen. Ihm wird aber Vertrauensschutz in die bisherige BFH-Rechtsprechung für alle Fälle gewährt, in denen der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung des Urteils am 27.9.2017 geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist. Diese Fälle sind daher, wenn es für die Steuerpflichtigen günstiger ist, weiterhin nach den bisher geltenden Grundsätzen zu beurteilen. Und so lag es im vorliegenden Fall. Die Bürgschaften des Klägers waren bereits im Zeitpunkt ihrer Hingabe eigenkapitalersetzend.
Hintergrund:
Die Entscheidung des BFH hat große Auswirkung auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesellschafters. In einer Reihe weiterer Fälle wird der BFH demnächst die neuen Grundsätze konkretisieren.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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