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Berücksichtigung von Nachhaltigkeit bei der Unternehmensführung
Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) trägt durch seine Anpassung dem Umstand Rechnung, dass Nachhaltigkeitsaspekte zukünftig auch bei der Leitung und Überwachung börsennotierter Unternehmen zu berücksichtigen sind. Dementsprechend wird im DCGK 2022 die Bedeutung der Bereiche Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Environmental Social Governance, kurz ESG) stärker betont.
Erweiterung gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen um Nachhaltigkeitsfaktoren
Die bereits mit der Kodexreform 2020 in der Präambel thematisierte gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen wurde mit dem DCGK 2022 nachjustiert, da zwischenzeitlich die Erwartungen an die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten noch stärker gestiegen sind, wie etwa die Erweiterung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht auf die Lieferkette zeigt. Hinzu kommen erweiterte Rechenschafts- und Berichtspflichten, etwa durch die bevorstehenden Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU. Daher soll es Aufgabe der Unternehmensführung und -überwachung sein, auch die Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit auf Mensch und Umwelt bei der Führung und Überwachung „im Rahmen des Unternehmensinteresses“ zu berücksichtigen.
Vorstand muss ökonomische und ökologische Aspekte berücksichtigen
In seiner Empfehlung A.1 fordert der DCGK 2022, dass Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie verankert wird und die Unternehmensplanung sowohl finanzielle als auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele umfasst. Hierzu soll der Vorstand die mit Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen („outside-in“) sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit („inside-out“) systematisch identifizieren und bewerten. Hierfür wird erforderlich sein, dass die mit Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen mit den Methoden des Risiko- und Compliancemanagements (RMS und CMS) erfasst und durch das unternehmerische interne Kontrollsystem (IKS) überwacht und gesteuert werden.
Erweiterung der internen Kontroll- und Risikomanagementsysteme auch um Nachhaltigkeitsaspekte
Die Empfehlung A.3 des DCGK 2022 erweitert den Gegenstand des internen Kontroll-, Compliance und Risikomanagementsystems. Diese Systeme sollen zukünftig auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele abdecken. Die Prozesse und Systeme zur Erfassung und Verarbeitung nachhaltigkeitsbezogener Daten sollen miteingeschlossen werden, um mit der zunehmenden Bedeutung und Detailtiefe der zukünftigen nichtfinanziellen Berichterstattung gerecht zu werden. Diese soll gemäß CSRD in einem gesonderten Abschnitt des (Konzern-)Lageberichts erfolgen und einer prüferischen Durchsicht bzw. perspektivisch einer Prüfung unterzogen werden. Auch aus diesem Grund sind Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen zwingend in den Corporate Governance Systemen zu berücksichtigen.
Beurteilung der Angemessenheit und Wirksamkeit der nichtfinanziellen Corporate Governance
Darüber hinaus fordert die Empfehlung A.5 des DCK, im Lagebericht künftig die wesentlichen Merkmale des IKS, RMS und CMS zu beschreiben und zu ihrer Angemessenheit und Wirksamkeit Stellung zu nehmen. Da diese Systeme gemäß Empfehlung A.3 auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele abdecken, nimmt der Vorstand zukünftig auch Stellung dazu, ob IKS, RMS und CMS angemessen und wirksam im Hinblick auf die Erfassung, Messung und Steuerung des „inside-out impacts“ der Unternehmenstätigkeit sind - ein Paradigmenwechsel für viele Corporate Governance Systeme.
Nachhaltigkeitsbezogene Überwachungsfunktion und Expertise des Aufsichtsrates
Zur wirksamen Umsetzung der Unternehmensstrategie ist eine entsprechend umfassende Steuerung des Unternehmens sowie eine Erfolgskontrolle erforderlich. Aufgabe des Aufsichtsrates ist es somit, den Vorstand auch in Fragen der Nachhaltigkeit zu überwachen und zu beraten. Daher fordert der DCGK 2022 in der Empfehlung C.1 Satz 3 konsequenterweise auch vom Aufsichtsrat eine entsprechende Nachhaltigkeitsexpertise.
Hinweis: Unternehmen stellen sich bereits aus eigenem Antrieb nachhaltig auf. Nichtsdestotrotz kommen sie aber auch aufgrund der Regulatorik nicht umhin, Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Unternehmensstrategie einfließen zu lassen. Wenngleich sich die Empfehlungen des DCGK 2022 lediglich an die großen kapitalmarktorientierten Unternehmen richten, ist auch hier mit einer Ausstrahlwirkung auf den Mittelstand zu rechnen. Neben zahlreich bereits vorhandenen Selbstverpflichtungen in Bezug auf das Thema „Environmental Social Governance (ESG)“ treten mittlerweile immer mehr gesetzliche Verpflichtungen. Mithin wird auch die Relevanz des Themas Compliance aus einer Perspektive der gesellschaftlichen Verantwortung und Nachhaltigkeit erheblich ansteigen.