Das Bundesverfassungsgericht beurteilte die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den alten Bundesländern jedenfalls seit Beginn des Jahres 2002 als verfassungswidrig (Urteil vom 10.4.2018, Az. 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12). Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis spätestens 31.12.2019 eine Neuregelung zu treffen. Am 29.11.2018 legte Bundesfinanzminister Olaf Scholz nun seine Überlegungen für die Reform der Grundsteuer vor.
Hinweis
Die Vorschläge werden nun mit den Ländern diskutiert, die bereits deutliche Vorbehalte geäußert haben.
Zur Diskussion stehen ein wertunabhängiges und ein wertabhängiges Modell. Das wertunabhängige Modell setzt an der Fläche der Grundstücke und der vorhandenen Gebäude an. Die Gebäudefläche ist in einem vereinfachten Verfahren zu ermitteln, das sich etwa an den Geschossflächen orientiert. Auf die Flächen von Grund und Boden sowie Gebäuden sind anschließend besondere Faktoren anzuwenden. Diese differieren je nach der Art der Gebäudenutzung. Die Faktoren für Wohngebäude sollen dabei niedriger ausfallen als diejenigen für Geschäftsgebäude.
Hinweis
Bei diesem Modell bleiben die eigentlichen Werte der Grundstücke und der Gebäude unberücksichtigt. Es beruht auf vergleichsweise einfachen Berechnungen. Im Ergebnis dürfte dieses Modell dazu führen, dass für Immobilien, die zwar ähnliche Flächen aufweisen, sich im Wert aber deutlich unterscheiden, ähnliche Grundsteuerzahlungen fällig würden. Beispielsweise könnte für ein Einfamilienhaus in hochpreisiger Lage in etwa der gleiche Grundsteuerbetrag zu zahlen sein wie für ein Einfamilienhaus in derselben Stadt, das sich aber am Stadtrand in der Nähe zu einem Industriegebiet befindet.
Demgegenüber setzt das vom Bundesfinanzminister favorisierte wertabhängige Modell am tatsächlichen Wert einer Immobilie an. Die Werte von Grund und Boden sowie von Gebäuden sollen hierfür anhand bestimmter vereinfachter Verfahren ermittelt werden.
Hinweis
Nach dem wertabhängigen Modell würden vergleichbare Immobilien ähnlich besteuert. Es liegt somit näher an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine realitätsgerechte Besteuerung der Grundstücke.
Bei diesem wertabhängigen Modell wird das bisherige dreistufigen Verfahren zur Berechnung der Grundsteuer beibehalten. Dabei ist aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts insbesondere die Ermittlung des Grundstückswerts an verfassungsrechtliche Vorgaben anzupassen. Das Bewertungsverfahren für unbebaute Grundstücke soll weitgehend unverändert bleiben. Der Grundstückswert ergibt sich durch Multiplikation der Fläche mit dem aktuellen (ortsbezogenen) Bodenrichtwert.
Bei bebauten Grundstücken soll die Bewertung grundsätzlich im sog. Ertragswertverfahren erfolgen. Hierzu wird der Ertragswert im Wesentlichen auf Grundlage tatsächlich vereinbarter Nettokaltmieten ermittelt. Dabei sind die Restnutzungsdauer des Gebäudes und der abgezinsten Bodenwert zu berücksichtigen. Bei selbstgenutzten Wohngebäuden wird eine fiktive, auf Daten des Statistischen Bundesamts basierende und nach regionalen Mietenniveaus gestaffelte Miete angesetzt.
Für Geschäftsgrundstücke kommt häufig mangels vorhandener Mieten das Ertragswertverfahren nicht in Betracht. Hier soll ein Verfahren zur Anwendung kommen, das die Herstellungskosten des Gebäudes als Ausgangsbasis nimmt und ebenfalls den Wert des Grundstücks mitberücksichtigt. Ein weiteres spezielles Bewertungsverfahren ist für land- und forstwirtschaftliche Betriebe vorgesehen.
Vorgesehen ist zudem, dass die Grundstückswerte alle sieben Jahre aktualisiert werden. Hierzu sind von den Eigentümern Angaben über die Gebäudefläche und die Höhe der Nettokaltmiete zu machen. Dies gilt auch bei zwischenzeitlich durchgeführten relevanten baulichen Veränderungen. Die Wertfeststellung erfolgt durch das Finanzamt - mit einem laut Bundesfinanzministerium beherrschbaren Verwaltungsaufwand.
Die Neubewertung der Grundstücke wird aller Voraussicht nach zu deutlich höheren Werten führen. Ohne ein weiteres Korrektiv würde dies zu einem deutlichen Anstieg des gesamten Grundsteueraufkommens führen. Laut Aussagen des Bundesfinanzministers wird jedoch grundsätzlich eine Aufkommensneutralität angestrebt. Dies soll durch die radikale Absenkung der Steuermesszahl abgemildert werden, die bundeseinheitlich festgelegt wird.
Hinweis
Im Einzelnen wird derzeit noch geprüft, ob für große Städte mit besonders hoher Wertentwicklung in einzelnen Stadtteilen eine zusätzliche Ausgleichskomponente erforderlich ist.
Auf kommunaler Ebene kann sich das Grundsteueraufkommen nach diesen beiden Schritten dennoch verändern. Sie können die angestrebte Aufkommensneutralität in ihrer Gemeinde durch eine Anpassung der kommunalen Hebesätze sicherzustellen.