Der Sachverhalt:
Eine Großmutter eröffnete für ihre beiden Enkel (die Beklagten) nach deren Geburt jeweils ein für 25 Jahre angelegtes Sparkonto. Darauf zahlte sie über einen Zeitraum von rd. elf, bzw. neun Jahren jeweils mtl. 50 € ein, um für ihre Enkel Kapital anzusparen. Die Großmutter bezog eine Rente von etwa 1.250 €. Als sie vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht werden musste, hatte sie die Zahlungen an ihre Enkel zwar bereits eingestellt, die für die Heimunterbringung von ihr anteilig zu tragenden Kosten konnte sie aber nicht aus eigenen Mitteln aufbringen.
Aus diesem Grunde kam der klagende Sozialhilfeträger für diese Kosten auf. Er verlangt nunmehr von den beklagten Enkeln die Rückzahlung der Beträge, die die Großmutter in den letzten zehn Jahren auf deren Konten eingezahlt hatte.
Das LG wies die Klage ab. Bei den geleisteten Zahlungen handele es sich um sog. "Anstandsschenkungen", die nach dem Gesetz nicht zurückgefordert werden könnten. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab, gab der Klage statt und verurteilte die Beklagten zur Zahlung der zurückgeforderten Beträge. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegenüber den Beklagten Anspruch auf Rückzahlung der Beträge, die die Großmutter in den letzten zehn Jahren auf die Konten der Beklagten eingezahlt hat.
Schenkungen können nach dem Gesetz grundsätzlich dann zurückgefordert werden, wenn der Schenker seinen angemessenen Unterhalt nicht mehr selbst bestreiten kann und die zuvor geleisteten Schenkungen keiner sittlichen Pflicht (sog. Pflichtschenkungen) oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach (sog. Anstandsschenkungen). Dieser Anspruch geht nach dem Gesetz auf den Sozialhilfeträger über, wenn der Schenker Sozialleistungen bezieht.
Die von der Großmutter regelmäßig zum Kapitalaufbau an die Enkel geleisteten Zahlungen stellen weder eine sittlich gebotene "Pflichtschenkung" noch eine auf moralischer Verantwortung beruhende "Anstandsschenkung" dar. Als solche können zwar anlassbezogene Geschenke - etwa zu Weihnachten und zum Geburtstag - zu werten sein, die die Enkel ebenfalls von ihrer Großmutter bekommen haben. Hier spricht aber nicht nur die Summe der jährlich geleisteten Beträge in Anbetracht der finanziellen Verhältnisse der Großmutter gegen ein dem Anstand entsprechendes Gelegenheitsgeschenk, auch der Zweck der Zuwendungen (Kapitalaufbau) spricht gegen eine solche Charakterisierung der Zahlungen, die gerade nicht als Taschengeld an die Enkel geleistet wurden.
Für den geltend gemachten Rückforderungsanspruch kommt es nicht darauf an, ob es bei Beginn der Zahlungen für die Großmutter absehbar war, dass sie später einmal pflegebedürftig werden würde.
Regelmäßige Zahlungen an Familienangehörige zum Kapitalaufbau stellen keine privilegierten Schenkungen i.S.v. § 534 BGB dar. Sie können vom Sozialhilfeträger von den beschenkten Familienangehörigen zurückgefordert werden, wenn der Schenker selbst bedürftig wird und deshalb Leistungen von einem Sozialhilfeträger bezieht.