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Regelungen zum Betreuungsgeld sind nichtig

BVerfG 21.7.2015, 1 BvF 2/13

Die §§ 4a bis 4d BEEG, die einen An­spruch auf Be­treu­ungs­geld begründen, sind nich­tig, weil dem Bun­des­ge­setz­ge­ber die Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz fehlt. Sie können zwar der öff­ent­li­chen Fürsorge nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zu­ge­ord­net wer­den, auf die sich die kon­kur­rie­rende Ge­setz­ge­bung des Bun­des er­streckt. Die Vor­aus­set­zun­gen des Art. 72 Abs. 2 GG für die Ausübung die­ser Kom­pe­tenz durch den Bund lie­gen je­doch nicht vor.

Der Sach­ver­halt:
Der An­trag­stel­ler im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren der ab­strak­ten Nor­men­kon­trolle war der Se­nat der Freien und Han­se­stadt Ham­burg. Er wandte sich ge­gen die mit dem Be­treu­ungs­geld­ge­setz vom 15.2.2013 ein­gefügten §§ 4a bis 4d des Bun­desel­tern­geld- und El­tern­zeit­ge­set­zes (BEEG). Die Re­ge­lun­gen se­hen im We­sent­li­chen vor, dass El­tern in der Zeit vom 15. Le­bens­mo­nat bis zum 36. Le­bens­mo­nat ih­res Kin­des ein­kom­mens­un­abhängig Be­treu­ungs­geld i.H.v. zunächst 100 € und mitt­ler­weile 150 € pro Mo­nat be­zie­hen können. Vor­aus­set­zung ist, dass das Kind we­der eine öff­ent­lich geförderte Ta­ges­ein­rich­tung noch Kin­der­ta­ges­pflege be­sucht.

Das BVerfG gab dem An­trag­stel­ler Recht. Das Ur­teil ist ein­stim­mig er­gan­gen.

Die Gründe:
Dem Bun­des­ge­setz­ge­ber fehlt die Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz für das Be­treu­ungs­geld. Die §§ 4a bis 4d BEEG sind da­her nich­tig. Sie können zwar der öff­ent­li­chen Fürsorge nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zu­ge­ord­net wer­den, auf die sich die kon­kur­rie­rende Ge­setz­ge­bung des Bun­des er­streckt. Die Vor­aus­set­zun­gen des Art. 72 Abs. 2 GG für die Ausübung die­ser Kom­pe­tenz durch den Bund lie­gen je­doch nicht vor.

Zum einen sind die Re­ge­lun­gen nicht zur Her­stel­lung gleich­wer­ti­ger Le­bens­verhält­nisse im Bun­des­ge­biet er­for­der­lich. Das bloße Ziel, bun­des­ein­heit­li­che Re­ge­lun­gen in Kraft zu set­zen oder eine all­ge­meine Ver­bes­se­rung der Le­bens­verhält­nisse zu er­rei­chen, reicht nicht aus. Die Er­for­der­lich­keit des Be­treu­ungs­gel­des zur Her­stel­lung gleich­wer­ti­ger Le­bens­verhält­nisse er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass der Aus­bau der Kin­der­ta­ges­be­treu­ung von Bund und Ländern seit Jah­ren gefördert wird und es darum ei­ner Al­ter­na­tive zur In­an­spruch­nahme von Be­treu­ung durch Dritte bedürfte. Denn das Merk­mal der Gleich­wer­tig­keit der Le­bens­verhält­nisse zielt auf den Aus­gleich von Nach­tei­len für Ein­woh­ner ein­zel­ner Länder zur Ver­mei­dung dar­aus re­sul­tie­ren­der Gefähr­dun­gen des bun­des­staat­li­chen So­zi­al­gefüges, nicht aber auf den Aus­gleich sons­ti­ger Un­gleich­hei­ten.

Aus den Grund­rech­ten er­gibt sich - un­ge­ach­tet der Frage, ob dies über­haupt Be­deu­tung hin­sicht­lich der An­for­de­run­gen des Art. 72 Abs. 2 GG ent­fal­ten könnte - nichts an­de­res. Das An­ge­bot öff­ent­lich geförder­ter Kin­der­be­treu­ung steht al­len El­tern of­fen. Neh­men El­tern es nicht in An­spruch, ver­zich­ten sie frei­wil­lig, ohne dass dies eine ver­fas­sungs­recht­li­che Kom­pen­sa­ti­ons­pflicht auslöste. Schließlich ver­mag auch der ge­sell­schafts­po­li­ti­sche Wunsch, die Wahl­frei­heit zwi­schen Kin­der­be­treu­ung in­ner­halb der Fa­mi­lie oder aber in ei­ner Be­treu­ungs­ein­rich­tung zu ver­bes­sern, für sich ge­nom­men nicht die Er­for­der­lich­keit ei­ner Bun­des­ge­setz­ge­bung i.S.d. Art. 72 Abs. 2 GG zu begründen. Auf die Frage, ob das Be­treu­ungs­geld über­haupt ge­eig­net ist, die­ses Ziel zu fördern, kommt es da­her nicht an.

Zum an­de­ren ist das Be­treu­ungs­geld nicht zur Wah­rung der Rechts- oder Wirt­schafts­ein­heit er­for­der­lich. Der An­nahme, die an­ge­grif­fene Bun­des­re­ge­lung sei zur Wah­rung der Rechts­ein­heit er­for­der­lich, steht be­reits ent­ge­gen, dass sie zusätz­li­che ver­gleich­bare Leis­tun­gen in ein­zel­nen Ländern be­ste­hen lässt, so dass eine Rechts­ver­ein­heit­li­chung oh­ne­hin nicht her­bei­geführt wird. Die un­ter­schied­li­chen Lan­des­re­ge­lun­gen oder das Untätig­blei­ben der Länder ha­ben auch keine er­kenn­ba­ren er­heb­li­chen Nach­teile für die Ge­samt­wirt­schaft mit sich ge­bracht. Außer­dem sind die Erwägun­gen aus dem Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren zum Kin­derförde­rungs­ge­setz nicht auf das Be­treu­ungs­geld über­trag­bar.

Letzt­lich ver­mochte auch die Über­le­gung, das Be­treu­ungs­geld sei im Ver­bund mit dem Kin­derförde­rungs­ge­setz kom­pe­tenz­recht­lich als Aus­druck ei­nes Ge­samt­kon­zepts zu be­trach­ten, nicht die Er­for­der­lich­keit der an­ge­grif­fe­nen Re­ge­lun­gen nach Art. 72 Abs. 2 GG zu begründen. Denn will der Bun­des­ge­setz­ge­ber ver­schie­dene Ar­ten von Leis­tun­gen der öff­ent­li­chen Fürsorge begründen, muss grundsätz­lich jede Fürsor­ge­leis­tung für sich ge­nom­men den Vor­aus­set­zun­gen des Art. 72 Abs. 2 GG genügen. Der hier zu ent­schei­dende Fall lässt da­von keine Aus­nahme zu. Aus der Präro­ga­tive des Bun­des­ge­setz­ge­bers hin­sicht­lich der Vor­aus­set­zun­gen des Art. 72 Abs. 2 GG er­gibt sich kein an­de­res Er­geb­nis.

Link­hin­weis:

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