Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH war in den Streitjahren 2009 bis 2012 als Reiseveranstalterin unternehmerisch tätig. Sie hatte in der Zeit bei der A mit Sitz in Österreich Reisevorleistungen zur Durchführung von in Deutschland ausgeführten Radtouren bezogen. Die A rechnete über diese Leistungen, die die Unterbringung, Verpflegung und Beförderung der Reisenden sowie die Vermietung von Fahrrädern beinhalteten, gegenüber der Klägerin ohne Ausweis von Umsatzsteuer ab.
Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das Finanzamt dagegen davon aus, dass der Ort der von A erbrachten Reisevorleistungen im Inland liege und die Klägerin die Umsatzsteuer hierfür als Leistungsempfängerin schulde. Es setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre dementsprechend fest.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die fraglichen Reisevorleistungen sind nach Bestimmungen des Unionsrechts über die Margenbesteuerung abweichend von der nationalen Rechtslage im Inland nicht steuerbar.
Bewirkte Reiseleistungen gelten als eine einheitliche Dienstleistung (Art. 307 S. 1 MwSt-SystRL), die in dem Mitgliedstaat besteuert wird, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat (Art. 307 S. 2 MwStSystRL). Bezogen auf den Streitfall folgt daraus, dass die für das Unternehmen der Klägerin ausgeführten Reiseleistungen - der unionsrechtlich maßgebenden "Kundenmaxime" entsprechend - unter die Sonderregelung für Reisebüros gem. Art. 306 ff. MwStSystRL fallen. Die vom österreichischen Unternehmen erbrachten und jeweils als einheitliche Dienstleistung zu qualifizierenden Reiseleistungen sind in Höhe der von ihr nach Maßgabe des Art. 308 MwStSystRL erzielten Marge gem. Art. 307 S. 2 MwStSystRL allein in Österreich zu besteuern. Danach schuldet die Klägerin als Leistungsempfängerin die Steuer für die fraglichen Reiseleistungen, die sie als Reisevorleistungen bezogen hat, nicht. Denn diese Leistungen sind gemessen am Unionsrecht in Deutschland nicht steuerbar.
Die Klägerin kann einen Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen Sonderregelung für Reisebüros gem. Art. 306 ff. MwStSystRL gegenüber der richtlinienwidrigen Regelung in § 25 Abs. 1 S. 1 UStG geltend machen. Für die Geltendmachung des Anwendungsvor-rangs des Unionsrechts ist es unbeachtlich, dass der sich auf unionsrechtliche Bestimmungen berufende Steuerpflichtige selbst nicht Steuerschuldner, sondern (vorsteuerabzugsberechtigter) Abnehmer einer Lieferung ist, ohne die Steuer hierfür als Leistungsempfänger nach § 13b UStG zu schulden. In Bezug auf den Anwendungsvorrang ist (allein) die Minderung der den Unternehmer treffenden Steuerschuld maßgeblich. Danach kann sich die Klägerin, soweit sie als Leistungsempfängerin die Steuer für die von ihr bezogenen Reisevorleistungen nach den Vorschriften des nationalen Rechts schuldet, hinsichtlich der Besteuerung dieser Leistungen unmittelbar auf Art. 306 ff. MwStSystRL berufen.
Der unmittelbaren Berufung der Klägerin auf das Unionsrecht steht auch nicht entgegen, dass sie über keine Rechnung mit einem § 14a Abs. 6 S. 1 UStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG entsprechenden Hinweis auf die Sonderregelung für Reisebüros verfügt. Die besondere Verpflichtung in § 14a Abs. 6 UStG betrifft zum einen nur da in Österreich ansässige leistende Unternehmerin. Zum anderen findet sie auf vor dem 30.6.2013 ausgeführte Leistungen keine Anwendung. Im Übrigen begehrt die Steuerpflichtige keinen Vorsteuerabzug, sondern wendet sich gegen ihre Inanspruchnahme als Steuerschuldnerin.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.