Die Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) soll die Versorgungsqualität in psychiatrischen, kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen sichern, indem Mindestvorgaben für die Personalbemessung festgelegt werden. Ein weiteres Ziel ist die Schaffung von Transparenz darüber, wieviel Personal erforderlich und tatsächlich in den Einrichtungen vorhanden ist.
Sanktionsregelungen erst ab 2023
Die Richtlinie ist 2020 in Kraft getreten und wurde zum 01.01.2022 in einer neuen Fassung veröffentlicht. Durch die neue Fassung gelten Sanktionsregelungen für die Nicht-Einhaltung der einrichtungsbezogenen Mindestpersonalvorgaben erst ab 2023 anstatt wie bisher geplant ab 2022. Die Sanktionsregelungen sehen vor, dass Vergütungen gekürzt werden können, wenn einrichtungsbezogene Mindestpersonalvorgaben über einen Zeitraum von drei Monaten nicht oder nicht vollständig erfüllt werden. Zudem wurde festgelegt, dass die Mindestvorgaben ab dem 01.01.2022 übergangsweise zu 90 Prozent erfüllt werden müssen.
Ab 2023 tritt die Sanktion durch Vergütungsentfall zum aktuellen Stand der Richtlinie in Kraft. Die Höhe des Vergütungsentfalls berechnet sich gemäß § 13 Abs. 5 durch den 1,7-fachen Wert der Differenz zwischen der Mindestpersonalausstattung und der tatsächlichen Personalausstattung. Relevant ist dabei der Umfang der fehlenden Vollkraftstunden, welcher sich als Anteil an den gesamten Vollkraftstunden aller Bereiche bemisst. Daraus ergäbe sich neben dem Problem des Fachkräftemangels das zusätzliche Risiko von Erlösausfällen.
Differenzierung der psychotherapeutischen Berufsgruppen und geänderte Zuordnung
Eine weitere Anpassung stellt die Differenzierung der psychotherapeutischen Berufsgruppe sowie die Detaillierung und Zugehörigkeit verschiedener Qualifikationen zu bestimmten Gruppen dar. So wird bspw. der Berufsgruppe der Ärzte, sowohl in der Erwachsenenpsychiatrie und Psychosomatik als auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, ärztliche Psychotherapeuten hinzugefügt. Den Psychologen werden die Psychotherapeuten ohne ärztliche Approbation hinzugefügt sowie die den Psychologen zuzurechnenden Berufsausübungsarten erweitert. Neben Sozialarbeitern sowie Sozialpädagogen sind nun auch Heilpädagogen in der Erwachsenenpsychiatrie und -psychosomatik anrechenbar. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie werden die Sprachheiltherapeuten sowie Logopäden den Spezialtherapeuten zugeordnet und entfallen als eigenständige Berufsgruppe in der Richtlinie.
Darüber hinaus kann bis zum 31.12.2023 die Berufsgruppe c (Psychotherapeuten ohne ärztliche Psychotherapeuten, Psychologen mit allen anerkannten Abschlüssen) auf alle anderen Berufsgruppen außer Ärzten in psychosomatischen Einrichtungen für Erwachsene angerechnet werden.
Diese Änderungen sollen die enge Verzahnung der Berufsgruppen untereinander besser abbilden und die Krankenhäuser dahingehend unterstützen, die Mindestvorgaben mit dem entsprechenden, zusätzlich anrechenbaren Personal einhalten zu können. Über den zukünftigen Umgang mit den nun festgelegten Zurechnungen und Umstellungen der Berufsgruppen entscheide der G-BA bis zum 30.09.2023. Generell ist geplant, die Richtlinie in den nächsten Jahren einem stetigen Anpassungsprozess zu unterziehen.
Wie schon in den vorherigen Fassungen können auch Fach- und Hilfskräfte, welche nicht unter die definierten Berufsgruppen der PPP-RL fallen, in begrenztem Umfang angerechnet werden. Voraussetzung ist gemäß § 8 Abs. 5 die Erbringung der Regelaufgaben der jeweiligen Berufsgruppe sowie eine entsprechende Qualifikation („… mindestens vergleichbare pflegerische oder therapeutische Behandlung der Patientinnen und Patienten sicherstellen. Die Qualifikationserfordernisse können auch durch eine mindestens fünfjährige praktische Tätigkeit in der stationären psychiatrischen oder psychosomatischen Krankenhausbehandlung nachgewiesen werden“). Der Umfang der Anrechnung bleibt entsprechend der Änderungen bei den Berufsgruppen und Zuordnungen (Entfall bisheriger Buchstabe g, da Zuordnung zu Spezialtherapeuten) bestehen.
Erweiterung der teilstationären Kategorie
Eine weitere Anpassung betrifft die Erweiterung der teilstationären Kategorie. Die komplexe therapeutische Unterstützung von Patienten ist durch eine neue Kategorie (A8 Psychosomatisch-psychotherapeutische durch psychotherapeutische Komplexbehandlungen teilstationär) nun eingruppierbar.
Nachweisanforderungen
Die Einrichtungen müssen gemäß der aktuellen Version der PPP-RL die Nachweise zur Einhaltung der Mindestvorgaben quartalsweise an das IQTIG, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen übermitteln. Die Richtlinie sieht dieses Vorgehen zunächst bis zum 01.01.2025 vor. Werden die Mindestvorgaben nicht eingehalten, muss der Teil A des Nachweises nach Anlage 3 zusätzlich an die zuständige Landesaufsichtsbehörde übermittelt werden.
Veröffentlichungspflichten der Krankenhäuser
Weitere Änderungen ergeben sich bezüglich der Veröffentlichungspflichten der Krankenhäuser. So müssen nicht allein die Mindestvorgaben im Gesamten, sondern auch die Erfüllung der Vorgaben in den einzelnen Berufsgruppen sowie weitere Strukturinformationen (Anlage 3) in den Qualitätsbericht des jeweiligen Krankenhauses aufgenommen werden.
Mit diesen Änderungen reagiert der G-BA auf bestehende Kritikpunkte, z. B. durch die differenzierte Berücksichtigung der Psychotherapeuten sowie der komplexen therapeutischen Unterstützung auch in einem teilstationären Setting. Darüber hinaus wird der noch notwendige Planungsanpassungsprozess anerkannt und Sanktionen um ein weiteres Jahr auf Anfang 2023 verschoben.
Große Herausforderungen für die Krankenhäuser
Doch auch mit der neuen Fassung der Richtlinie stehen die Häuser vor großen Herausforderungen. Viele Einrichtungen weisen individuelle personelle und strukturelle Besonderheiten auf. Diese sind schwierig durch ein einheitliches Schema zu beurteilen und zu steuern.
Auch weiterhin sorgt die Richtlinie zwei Jahre nach Inkrafttreten für einen hohen administrativen Aufwand, um die Erfüllung aller Mindestvorgaben zu dokumentieren und fristgerecht zu übermitteln. Das Ziel, Vorgaben für Transparenz und Versorgungsqualität zu schaffen, wird von Krankenhäusern als verfehlt eingeschätzt, da, statt die Versorgung mit entsprechendem Bedarf, Konzepten oder Leitlinien in den Vordergrund zu stellen, Mindestpersonalausstattungen als Hauptkriterium eingesetzt werden.
Hinzu kommt, dass nach wie vor ein Fachkräftemangel auch im Bereich der psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen besteht. Zwar wurde die Sanktionsfreiheit bis 2023 verlängert, doch bis dahin kann der Mangel an Personal nicht bewältigt werden. Die Krankenhäuser haben sich dementsprechend auf finanzielle Einbußen einzustellen oder müssen alternativ das Leistungsgeschehen an den Personalschlüssel anpassen. Dies wiederum steht im Widerspruch mit dem steigenden Bedarf in der Bevölkerung nach psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Angeboten und der Möglichkeit, zeitnah einen Behandlungsplatz in einer entsprechenden Klinik zu erhalten.
Insgesamt ist daher eine zeitnahe, fortlaufende Evaluierung und Anpassung der Richtlinie erforderlich, um das Spannungsfeld zwischen dem Fachkräftemangel, dem Erlös- und Finanzierungsbedarf und der Versorgungsnachfrage aufzulösen. Dies ist zwingend notwendig, damit die Versorgungsqualität und Transparenz erhöht wird ohne spezifische Gegebenheiten und den Bedarf in der Bevölkerung nach entsprechenden Angeboten außen vor zu lassen.
Offen bleibt, ob die Richtlinie trotz der Anpassungen die Versorgungsqualität der Patienten verbessert und Transparenz schafft oder ob der erhöhte administrative und personelle Aufwand überwiegt. Einrichtungen, die die Mindestvorgaben nicht erfüllen können, sei es aufgrund von individuellen Gegebenheiten oder wegen der Arbeitsmarktsituation, müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie ihre Klinik vor dem Abbau von Betten, der Verringerung der Fallzahl oder sogar der Schließung aufgrund von zu hohem Erlösausfall bewahren können.
Autoren: Annika Brunkhardt und Nina-Marie Holzkamm