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Restschuldbefreiung bei Lottogewinn in Millionenhöhe?

BFH 9.3.2016, V B 82/15

Es ent­spricht nicht der Bil­lig­keit, Steu­er­schul­den zu er­las­sen, wenn ein Steu­er­schuld­ner sich nicht - wie nach § 227 AO vor­aus­ge­setzt - in ei­ner wirt­schaft­li­chen Not­lage be­fin­det, son­dern auf­grund ei­nes beträcht­li­chen Lot­to­ge­winns die Steu­er­schul­den in einem Schlage hätte til­gen können. Ein be­reits gewähr­ter Er­lass kann nach § 130 AO zurück­ge­nom­men wer­den, wenn im Er­las­san­trag der Lot­to­ge­winn ver­heim­licht und wahr­heits­wid­rig auf eine an­geb­lich we­gen der Steu­er­schul­den be­ste­hende schwere Ge­sund­heits­gefähr­dung hin­ge­wie­sen wurde.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläger be­trie­ben einen Ge­wer­be­be­trieb. We­gen wirt­schaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten wurde im No­vem­ber 2011 das Ver­brau­cher­in­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Das Fi­nanz­amt mel­dete dar­auf­hin Steu­er­for­de­run­gen von 42.710 € bzw. 1.741 € an. Das Ver­fah­ren wurde 2012 auf­ge­ho­ben. Während des drit­ten Jah­res der Wohl­ver­hal­tens­phase wand­ten sich die Kläger an das Fi­nanz­amt und be­an­trag­ten einen Steu­er­er­lass. Der Kläger er­halte eine Al­ters­rente von nur 1.166 € und die Kläge­rin von 192 €. Der In­sol­venz­an­trag be­laste die Kläger wirt­schaft­lich und ge­sund­heit­lich schwer. Um das Ver­fah­ren zu be­en­den, hätten sich die Kin­der der Kläger be­reit­ge­fun­den, einen Be­trag von 40.000 EUR den Gläubi­gern zur Verfügung zu stel­len.

Nach Zah­lung der auf das Fi­nanz­amt ent­fal­len­den Beträge von 5.880 € (14,7 %) bzw. von 233 € (3,6 %) erklärte die Behörde im Sep­tem­ber 2014 den Er­lass der rest­li­chen Steu­er­schul­den. Nach­dem das Fi­nanz­amt auf­grund ei­ner Grund­er­werb­steu­er­mit­tei­lung über den Kauf ei­nes Hau­ses in der Wohl­ver­hal­tens­phase er­fah­ren hatte, dass die Kläger im Juli 2014 einen Lot­to­ge­winn über 1 Mio. € er­hal­ten hat­ten, nahm es den gewähr­ten Er­lass im De­zem­ber 2014 nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO wie­der zurück.

Im Fe­bruar bzw. März 2015 er­teilte das AG den Klägern vor­zei­tig die Rest­schuld­be­frei­ung. Im Ein­spruchs­ver­fah­ren mach­ten die Kläger gel­tend, dass sie dem In­sol­venz­ver­wal­ter von dem Lot­to­ge­winn Mit­tei­lung ge­macht hätten, die­ser aber dar­auf hin­ge­wie­sen hätte, dass der Lot­to­ge­winn aus Juli 2014 nicht in die In­sol­venz­masse des 2011 eröff­ne­ten In­sol­venz­ver­fah­rens gehöre. Die Kläger seien nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, bei dem frei­wil­li­gen An­ge­bot den Lot­to­ge­winn zu erwähnen.

Das FG wies die ge­gen die Rück­nahme des gewähr­ten Er­las­ses ge­rich­tete Klage ab. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde der Kläger blieb vor dem BFH er­folg­los.

Gründe:
Die Kläger hat­ten die Rechts­pflicht, den Lot­to­ge­winn im Er­lass­ver­fah­ren an­zu­ge­ben.

Es be­durfte kei­ner Klärung da­hin­ge­hend, dass das Fi­nanz­amt bei der Gewährung ei­nes Bil­lig­keits­er­las­ses aus persönli­chen Gründen nicht auf be­stimmte Erwägun­gen be­schränkt ist, son­dern all­ge­mein berück­sich­ti­gen kann, dass es nicht der Bil­lig­keit ent­spricht, Steu­er­schul­den zu er­las­sen, wenn ein Steu­er­schuld­ner sich nicht - wie nach § 227 AO vor­aus­ge­setzt - in ei­ner wirt­schaft­li­chen Not­lage be­fin­det, son­dern auf­grund ei­nes beträcht­li­chen Lot­to­ge­winns die Steu­er­schul­den in einem Schlage hätte til­gen können. Ein be­reits gewähr­ter Er­lass kann nach § 130 AO zurück­ge­nom­men wer­den, wenn im Er­las­san­trag der Lot­to­ge­winn ver­heim­licht und wahr­heits­wid­rig auf eine an­geb­lich we­gen der Steu­er­schul­den be­ste­hende schwere Ge­sund­heits­gefähr­dung hin­ge­wie­sen wurde.

Es er­scheint auch in­sol­venz­recht­lich nicht aus­ge­schlos­sen, dass eine Rest­schuld­be­frei­ung, mit der nach dem Sinn und Zweck des Ge­set­zes dem Schuld­ner ein le­bensläng­li­cher "Schuld­turm" er­spart wer­den sollte, dann nicht mehr er­for­der­lich ist und mit den Grundsätzen der Bil­lig­keit nicht mehr zu ver­ein­ba­ren ist, wenn dies we­gen der durch über­ra­schende Umstände völlig geänder­ten Vermögens­verhält­nisse nicht mehr er­for­der­lich er­scheint. Denn der mit der Er­tei­lung der Rest­schuld­be­frei­ung ver­bun­dene Ein­griff in die Gläubi­ger­rechte ist dann durch sach­li­che Gründe nicht mehr zu recht­fer­ti­gen.

Auch in § 295 InsO ist ge­re­gelt, dass ein - wie beim Lot­to­ge­winn - nicht er­wirt­schaf­te­ter Erb­schaft­an­fall während der Wohl­ver­hal­tens­phase we­gen des Ri­si­kos der Aus­schla­gung im­mer­hin zur Hälfte an die Gläubi­ger aus­zu­keh­ren ist. Denn - so die amt­li­che Begründung - "in die­sem Falle wäre es un­bil­lig, dem Schuld­ner die Rest­schuld­be­frei­ung zu gewähren, ohne dass er die­ses Vermögen an­tas­ten muss".

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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