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Steuerberatung

Reverse Charge: Feststellungslast des Unternehmers bezüglich der Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 UStG

Der BFH nimmt in einem ak­tu­el­len Ur­teil vom 31.01.2024 (Az. V R 20/21) zur Fest­stel­lungs­last des leis­ten­den Un­ter­neh­mers bei An­wen­dung der Re­verse Charge-Re­ge­lung Stel­lung.

Wer­den sons­tige Leis­tun­gen er­bracht, wird nach der Grund­re­gel des § 3a Abs. 1 und 2 UStG für die Leis­tungs­ort­be­stim­mung da­nach un­ter­schie­den, ob die Leis­tung an einen Un­ter­neh­mer oder Nicht­un­ter­neh­mer er­bracht wird. Han­delt es sich bei dem Leis­tungs­empfänger um einen inländi­schen Un­ter­neh­mer und ist der leis­tende Un­ter­neh­mer im Aus­land ansässig, kann dies zum Überg­ang der Steu­er­schuld auf den Leis­tungs­empfänger führen.

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Ob für die Be­stim­mung der Un­ter­neh­merei­gen­schaft des Leis­tungs­empfängers al­lein auf die Vor­lage ei­ner gülti­gen Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer ver­traut wer­den kann oder wei­tere Pa­ra­me­ter zu berück­sich­ti­gen sind, hatte jetzt der BFH in einem Fall zu überprüfen.

Worum geht es?

Im Streit­fall be­trieb die Kläge­rin, eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft nach ausländi­schem Recht, einen On­line­markt­platz, auf dem ne­ben End­ver­brau­chern auch Un­ter­neh­mer ihre Wa­ren zum Kauf an­bie­ten konn­ten. Die von der Kläge­rin er­brachte Dienst­leis­tung be­stand darin, den Kun­den Zu­gang und Nut­zung zum von ihr be­trie­be­nen On­line-Markt­platz zu gewähren, wofür sie Gebühren er­hob, de­ren Höhe sich nach den Ver­kaufs­erlösen rich­tete.

Bei der Re­gis­trie­rung von Un­ter­neh­mern fragte die Kläge­rin stan­dardmäßig die Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer ab und überprüfte diese in re­gelmäßigen Abständen au­to­ma­ti­siert. Bis zum 31.12.2014 be­han­delte die Kläge­rin aus­schließlich die Leis­tungs­empfänger als Un­ter­neh­mer, die eine gültige Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer. an­ga­ben.

Zum 01.01.2015 stellte die Kläge­rin das Ver­fah­ren um. Kun­den, die eine gültige Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer an­ga­ben, wur­den wei­ter­hin als Un­ter­neh­mer be­han­delt. Darüber hin­aus ging die Kläge­rin auch dann von der Un­ter­neh­merei­gen­schaft aus, wenn eine an­ge­ge­bene Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer nicht mehr als gültig bestätigt oder bei der An­mel­dung keine oder eine ungültige Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer an­ge­ge­ben wurde, wenn der Leis­tungs­empfänger ei­nes von drei durch die Kläge­rin de­fi­nier­ten Kri­te­rien erfüllte:

  • Die Ver­kaufs­erlöse des Leis­tungs­empfängers la­gen über ei­ner be­stimm­ten Größe,
  • die Gebühren (Ver­mitt­lungs­ent­gelte) la­gen über ei­ner be­stimm­ten Größe oder
  • der Leis­tungs­empfänger hatte selbst an­ge­ge­ben, dass er ge­werb­li­cher Kunde sei.

Han­delt es sich dann bei dem Leis­tungs­empfänger um eine im In­land ansässige Per­son, ging die Kläge­rin bei Vor­lie­gen von einem der drei Kri­te­rien von der Steu­er­schuld des Leis­tungs­empfängers aus.

Das Fi­nanz­amt be­trach­tete die durch die Kläge­rin auf­ge­stell­ten Kri­te­rien zur Be­stim­mung der Un­ter­neh­merei­gen­schaft als nicht aus­rei­chend und ver­trat die Auf­fas­sung, nur sol­che Leis­tungs­empfänger seien als Un­ter­neh­mer zu be­han­deln, für die eine gültige Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer vor­lag und setzte die Um­satz­steuer ge­genüber der Kläge­rin in ent­spre­chen­der Höhe fest.

Die Klage ge­gen die dar­auf­hin fest­ge­setz­ten Steu­er­be­scheide wies das FG ab, da zwar die Ver­wen­dung ei­ner gülti­gen Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer keine Vor­aus­set­zung für die An­wen­dung der Re­verse Charge-Be­steue­rung sei. Es müsse al­ler­dings die Iden­tität des Leis­tungs­empfängers fest­ste­hen. Dies sei hier nicht der Fall. Die Kläge­rin habe die Iden­tität der Leis­tungs­empfänger nicht in aus­rei­chen­dem Maße überprüft.

Rechtlicher Rahmen der Entscheidung

Gemäß § 3a Abs. 2 UStG ist der Leis­tungs­ort für sons­tige Leis­tun­gen an einen an­de­ren Un­ter­neh­mer vor­be­halt­lich an­de­rer Be­stim­mun­gen grundsätz­lich der Ort, von dem aus der Empfänger sein Un­ter­neh­men be­treibt. Dem­ge­genüber liegt der Leis­tungs­ort nach § 3a Abs. 1 UStG für sons­tige Leis­tun­gen an einen Nicht­un­ter­neh­mer grundsätz­lich am Sitz­ort des Leis­ten­den.

Häufig wird in der Pra­xis für die Frage, ob eine sons­tige Leis­tung an einen Un­ter­neh­mer oder Nicht­un­ter­neh­mer er­bracht wird, da­nach un­ter­schie­den, ob der Leis­tungs­empfänger mit ei­ner (gülti­gen) Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer auf­tritt.

Gemäß der Ar­ti­kel 18 und 19 MwStVO, die un­mit­tel­bar in Deutsch­land zur An­wen­dung kom­men, kann der leis­tende Un­ter­neh­mer die Ver­wen­dung oder Nicht­ver­wen­dung ei­ner Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer oder Mehr­wert­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer je­doch nur dann als Be­ur­tei­lungs­grund­lage dafür ver­wen­den, ob der Leis­tungs­empfänger den Sta­tus ei­nes Un­ter­neh­mers hat, wenn ihm keine ge­gen­tei­li­gen In­for­ma­tio­nen vor­lie­gen.

Kernaussagen der vorliegenden BFH-Entscheidung

Der BFH gab mit Ur­teil vom 31.01.2024 (Az. V R 20/21) der Re­vi­sion statt und ver­wies die Sa­che zur er­neu­ten Ent­schei­dung an das FG zurück.

In fol­gen­den Punk­ten stimmte der BFH dem FG zu:

  • Für die Ver­la­ge­rung der Steu­er­schuld­ner­schaft im Re­verse Charge-Ver­fah­ren kommt es nicht auf die Ver­wen­dung ei­ner gülti­gen Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer durch den Leis­tungs­empfänger an.
  • Viel­mehr ist ent­spre­chend der Re­ge­lun­gen des UStG bzw. der MwSt­Sys­tRL die Un­ter­neh­merei­gen­schaft ent­schei­dend.
  • Dem­ent­spre­chend müsse, wie das FG zu­tref­fend er­kannt habe, für die Um­kehr der Steu­er­schuld­ner­schaft die Iden­ti­fi­zier­bar­keit des Leis­tungs­empfängers ge­ge­ben sein.

Dem­ge­genüber wi­der­sprach der BFH dem FG da­hin­ge­hend, dass

  • die Un­ter­neh­merei­gen­schaft der Leis­tungs­empfänger durch die feh­lende Überprüfung von de­ren Iden­tität nicht aus­rei­chend be­legt sei.
  • Aus­ge­hend von den durch die Kläge­rin ein­ge­reich­ten Un­ter­la­gen sei die Be­stim­mung der Ei­gen­schaf­ten der Leis­tungs­empfänger durch­aus möglich ge­we­sen und hätte vom FG im Rah­men sei­ner Sach­aufklärungs­pflicht un­ter­nom­men wer­den müssen.
  • Auch wenn die Kläge­rin, da sie von der Um­kehr der Steu­er­schuld­ner­schaft begüns­tigt ist, eine ent­spre­chende Be­weis­last trifft, kann eine ab­leh­nende Ent­schei­dung des FG erst dann auf diese Be­weis­last gestützt wer­den, wenn der Sach­ver­halt un­aufklärbar ist.
  • Hier habe das FG keine aus­rei­chen­den Schritte zur Sach­ver­halts­aufklärung un­ter­nom­men. Der BFH hat die Sa­che da­her an das FG zurück­ver­wie­sen.

Fazit - Was bedeutet die Entscheidung für Sie in der Praxis?

Beim Überg­ang der Steu­er­schuld­ner­schaft auf den Leis­tungs­empfänger hat grundsätz­lich der leis­tende Un­ter­neh­mer die Vor­aus­set­zun­gen des § 13b Abs. 5 UStG, z. B. die Un­ter­neh­merei­gen­schaft des Leis­tungs­empfängers, nach­zu­wei­sen.

Der leis­tende Un­ter­neh­mer darf da­bei nicht al­lein auf das Vor­lie­gen oder Nicht­vor­lie­gen ei­ner Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer ver­trauen, zu­min­dest dann, wenn ihm wei­tere In­for­ma­tio­nen vor­lie­gen, was re­gelmäßig der Fall sein dürfte, da bei der Pflege der Stamm­da­ten über die Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer hin­aus häufig wei­tere An­ga­ben ab­ge­fragt wer­den.

Un­ter­neh­men, die vor­nehm­lich im Dienst­leis­tungs­be­reich tätig sind, müssen hier­bei be­ach­ten, dass ei­ner Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer in­so­weit nur eine In­dizwir­kung zu­kommt. Dies hat der BFH vor­lie­gend - er­neut - für die Fest­stel­lung des Sta­tus des Leis­tungs­empfängers ent­schie­den.

Be­reits mit Be­schluss vom 28.11.2017 (Az. V B 60/17, DStR 2018, S. 297) hatte er dies im Hin­blick auf die Be­stim­mung des Sitz­or­tes des Leis­tungs­empfängers ent­schie­den. Im da­ma­li­gen Be­schluss­fall leis­tete der Kläger an reine Do­mi­zil­ge­sell­schaf­ten und konnte den ei­gent­li­chen Sitz des Leis­tungs­empfängers nicht nach­wei­sen. In die­sem Fall konnte aus der Nichter­weis­lich­keit ei­nes ausländi­schen Empfänger­or­tes auf das Vor­lie­gen ei­nes inländi­schen Empfänger­or­tes ge­schlos­sen wer­den.

Un­ter­neh­mer, die grenzüber­schrei­tend Dienst­leis­tun­gen er­brin­gen, soll­ten da­her ihre Pro­zesse da­hin­ge­hend überprüfen, dass die Sta­tus­ein­ord­nung des Empfängers so­wie die Be­stim­mung des Leis­tungs­or­tes an­hand wei­te­rer Pa­ra­me­ter vor­ge­nom­men wird, die ne­ben der Ver­wen­dung ei­ner Um­satz­steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer in glei­cher Weise zu do­ku­men­tie­ren sind. Wel­che In­for­ma­tio­nen ge­eig­net sind, ist nach den Umständen des Ein­zel­falls fest­zu­le­gen.

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