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RSM Ebner Stolz Automotive-Studie 2024: Automobilindustrie im Krisenmodus

In re­gelmäßigen Abständen nimmt RSM Eb­ner Stolz ge­mein­sam mit Prof. Willi Diez, ehe­ma­li­ger Lei­ter des In­sti­tuts für Au­to­mo­bil­wirt­schaft (IFA) an der Hoch­schule für Wirt­schaft und Um­welt in Nürtin­gen-Geis­lin­gen, die Au­to­mo­bil­bran­che un­ter die Lupe. Im Rah­men der diesjähri­gen Stu­die „Au­to­mo­bil­in­dus­trie im Kri­sen­mo­dus - Quo va­dis Elek­tro­mo­bi­lität - die chi­ne­si­sche Her­aus­for­de­rung?“ stel­len sie die Frage, wie es mit der Elek­tro­mo­bi­lität wei­ter­geht, wel­chen Her­aus­for­de­run­gen aus China die eu­ropäische Au­to­mo­bil­in­dus­trie sich stel­len muss und wel­che Hand­lungs­not­wen­dig­kei­ten kurz- und mit­tel­fris­tig be­ste­hen.

Die Au­to­mo­bil­in­dus­trie steht vor er­heb­li­chen Umbrüchen und Her­aus­for­de­run­gen. Die ins Sto­cken ge­ra­tene Trans­for­ma­tion in Rich­tung Elek­tro­mo­bi­lität, die ver­schärfte Wett­be­werbs­si­tua­tion auf dem Welt­au­to­mo­bil­markt so­wie die Ver­schlech­te­rung der Rah­men­be­din­gun­gen am Stand­ort Deutsch­land ha­ben die Bran­che in einen Kri­sen­mo­dus ver­setzt. Die „Au­to­mo­bil-Stu­die 2024“ von RSM Eb­ner Stolz bie­tet eine um­fas­sende Ana­lyse der ak­tu­el­len Lage und der Zu­kunfts­per­spek­ti­ven.

Markus Mühlenbruch, Prof. Willi Diez

Elektromobilität: Trend gebrochen

Be­reits in un­se­rer Stu­die im Jahr 2022 („Zei­ten­wende“) ha­ben wir dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Tech­no­lo­gie­wan­del hin zum Elek­tro­auto „nicht kun­den- son­dern po­li­tik­ge­trie­ben“ ist und die Ge­fahr be­steht, dass sich die Er­war­tun­gen im Hin­blick auf das Wachs­tum die­ses Markt­seg­ments auf­grund man­geln­der Kun­den­ak­zep­tanz nicht erfüllen könn­ten. Die­ses Sze­na­rio ist jetzt ein­ge­tre­ten: In Deutsch­land und Eu­ropa ist der steile An­stieg der Ver­kaufs­zah­len für Elek­tro­au­tos ge­bro­chen.

In den USA führt das Elek­tro­auto wei­ter­hin eine Ran­de­xis­tenz. Le­dig­lich China bleibt in der Spur: Das Elek­tro­auto kann dort wei­ter zu­le­gen, wo­bei es span­nend sein wird, zu se­hen, wie sich der Ab­satz ent­wi­ckelt, wenn im Jahr 2025 die fi­nan­zi­elle Förde­rung von Elek­tro­fahr­zeu­gen zurück­ge­fah­ren wird.

Technologische Potenziale heben

Die Stu­die kri­ti­siert den po­li­ti­schen Druck und die un­rea­lis­ti­schen Zeit­ziele, die zu sub­op­ti­ma­len Lösun­gen in der Roh­stoff- und Pro­duk­ti­ons­kette geführt ha­ben. Mit ei­ner lang­fris­tig an­ge­leg­ten Trans­for­ma­tion könn­ten die Un­ter­neh­men ihre in­dus­tri­el­len Struk­tu­ren und ihre Supply-Chain ef­fi­zi­en­ter an­pas­sen und für viele der noch of­fe­nen Fra­gen op­ti­male Lösun­gen fin­den. Dazu gehört z. B. eine zu­kunfts­wei­sende Bat­te­rie­tech­no­lo­gie (Stich­wort: Fest­stoff­bat­te­rien) und neue For­men der La­de­tech­nik (Stich­wort: In­duk­ti­ves La­den).

Zukunftsprojektion: Der Antriebsmix 2030

Die Stu­die geht da­von aus, dass auf dem Welt­au­to­mo­bil­markt im Jahr 2030 je­weils ein Drit­tel der ver­kauf­ten Fahr­zeuge Elek­tro­au­tos, Hy­bride und Ver­bren­ner sein wer­den. Auch für Eu­ropa ist da­mit zu rech­nen, dass bis 2030 noch rund zwei Drit­tel der Fahr­zeuge einen Ver­bren­nungs­mo­tor ha­ben wer­den (reine Ver­bren­ner plus Hy­bride). Das Ziel, in Deutsch­land bis zum Jahr 2030 15 Mio. Elek­tro­au­tos auf der Straße zu ha­ben, wird nicht er­reicht wer­den. Klar ist: Auch um diese re­du­zier­ten Ziele zu er­rei­chen, braucht der Markt für Elek­tro­au­tos neue Im­pulse – tech­ni­sche, fi­nan­zi­elle und psy­cho­lo­gi­sche!

Chinesische Hersteller auf Expansionskurs

Der Plan der chi­ne­si­schen Re­gie­rung, die Au­to­mo­bil­in­dus­trie rund um die Elek­tro­mo­bi­lität zu ei­ner tra­gen­den Säule der chi­ne­si­schen Volks­wirt­schaft auf­zu­bauen, ist ge­lun­gen. Die chi­ne­si­schen Her­stel­ler ha­ben die west­li­chen Kon­kur­ren­ten vor al­lem im Mas­sen­ge­schäft Schritt für Schritt zurück­gedrängt und ver­fol­gen jetzt eine klar er­kenn­bare In­ter­na­tio­na­li­sie­rungs­stra­te­gie.

Die Ex­pan­sion chi­ne­si­scher Au­to­mar­ken in Eu­ropa in den letz­ten Jah­ren ist tatsäch­lich be­ein­dru­ckend: Seit dem Jahr 2020 ist der Markt­an­teil chi­ne­si­scher Her­stel­ler am eu­ropäischen Markt für bat­te­rie­elek­tri­sche Fahr­zeuge (BEV) von 2,9 % auf 21,7 % ge­stie­gen – bei einem gleich­zei­ti­gen über­pro­por­tio­na­len Wachs­tum die­ses Markt­seg­men­tes. Ins­ge­samt hat China im Jahr 2023 et­was mehr als 700.000 Fahr­zeuge (PKW) in die EU ex­por­tiert, wo­bei sie be­son­ders in je­nen Märk­ten er­folg­reich wa­ren, die über keine ei­gene Au­to­in­dus­trie und einen ho­hen An­teil an BEV an den ge­sam­ten PKW-Verkäufen verfügten.

Marktdurchdringung, aber keine Marktbeherrschung

Trotz ih­rer un­be­streit­ba­ren Er­folge auf ei­ni­gen eu­ropäischen Märk­ten dürfen die Chi­ne­sen nicht über­schätzt wer­den. Vor ih­nen ste­hen noch große Her­aus­for­de­run­gen, um sich dau­er­haft im eu­ropäischen Au­to­mo­bil­markt fest­set­zen zu können. Dies be­trifft vor al­lem den Auf- und den Aus­bau leis­tungsfähi­ger Ver­triebs- und Ser­vice­netze. Außer­dem müssen viele chi­ne­si­sche Mar­ken noch in ihre Be­kannt­heit und ihr Image in­ves­tie­ren. Das gibt den an­de­ren Her­stel­lern die Chance, ihre Wett­be­werbs­stra­te­gien auf die chi­ne­si­schen Mar­ken aus­zu­rich­ten.

Die chinesische Herausforderung: Bedrohung und Chance!

Der An­griff der chi­ne­si­schen Au­to­mo­bil­her­stel­ler ist nicht nur eine Be­dro­hung, son­dern auch eine Chance für die eta­blier­ten Her­stel­ler. Sie müssen die Her­aus­for­de­rung nut­zen, um nicht nur ihre Stra­te­gien und Ge­schäfts­mo­delle, son­dern auch ihre Struk­tu­ren und Pro­zesse zu überprüfen.

Zoll­schran­ken wer­den nicht hel­fen, denn die Chi­ne­sen wer­den – wie das vor ih­nen schon die Ja­pa­ner und Ko­rea­ner ge­macht ha­ben – Trans­plants in Eu­ropa auf­bauen und da­mit den Ka­pa­zitätsdruck erhöhen.

Ein neues Lean Management ist gefordert!

Durch den Markt­ein­tritt der Chi­ne­sen wird das Preis­gefüge auf dem eu­ropäischen Au­to­mo­bil­markt neu aus­ba­lan­ciert. Das be­trifft Vo­lu­men- wie Pre­mium­mar­ken glei­chermaßen. Vor al­lem die deut­schen Pre­mium­mar­ken müssen auf­pas­sen, dass sie sich nicht aus dem Markt „hin­aus­prei­sen“.

Das An­spruchs­ni­veau der Kun­den wird in Zu­kunft wei­ter stei­gen und Pre­mi­um­preise müssen durch Tech­nik und Aus­stat­tung der Fahr­zeuge in den Au­gen der Kun­den ge­recht­fer­tigt sein. Fort­schritt­li­che Tech­no­lo­gien und Aus­stat­tungs­er­wei­te­run­gen set­zen je­doch vor­aus, dass neue Mo­delle kos­tengüns­ti­ger ent­wi­ckelt und pro­du­ziert wer­den. Mehr als in den ver­gan­ge­nen Jah­ren wird die Wett­be­werbsfähig­keit von Un­ter­neh­men nicht al­lein von Image und De­sign abhängen, son­dern von der Sub­stanz ih­rer Pro­dukte und ei­ner an­ge­mes­se­nen Preis­stel­lung. Des­halb ist eine Phase des Lean Ma­nage­ment an­ge­sagt!

Vier zentrale Handlungsfelder

Die Neu­jus­tie­rung der Preis­punkte stellt so­wohl die OEMs (Ori­gi­nal Equip­ment Ma­nu­fac­turer) wie auch die Zu­lie­fe­rer vor die Auf­gabe, die kun­den­ori­en­tierte Wert­schöpfung in den Mit­tel­punkt ih­rer Un­ter­neh­mens­po­li­tik zu stel­len. Kon­kret sieht die Stu­die die fol­gen­den vier zen­tra­len Hand­lungs­fel­der:

  1. An­pas­sung des Tech­no­lo­gie- und Pro­dukt­port­fo­lios,
  2. Ka­pa­zitäts- und Stand­ort­po­li­tik,
  3. Ra­tio­na­li­sie­rung und Au­to­ma­ti­sie­rung so­wie
  4. Wie­der­be­le­bung der Leis­tungs­kul­tur.

In al­len die­sen Hand­lungs­fel­dern muss es einen lei­ten­den Ge­dan­ken ge­ben: Was sind die wirk­li­chen - und das heißt: die aus Kun­den­sicht wert­schöpfen­den - Pro­zesse und wie können diese „ver­schlankt“ wer­den?

Rationalisierung in den Vordergrund rücken!

Die Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zitäten in vie­len west­eu­ropäischen Ländern sind nicht aus­ge­las­tet, Über­ka­pa­zitäten zeich­nen sich ab oder sind bei ei­ni­gen Her­stel­lern schon Rea­lität, so dass es in den nächs­ten Jah­ren zu ei­ner Ka­pa­zitäts­be­rei­ni­gung bei den OEMs kom­men dürfte. Die mit­telständi­schen Au­to­mo­bil­zu­lie­fe­rer müssen sich da­her drin­gend auf ein Sze­na­rio des Verdrängungs­wett­be­werbs ein­stel­len.

Vor dem Hin­ter­grund des Fachkräfte­man­gels sind auch viele mit­telständi­sche Zu­lie­fe­rer in den Sog ei­ner „In­fla­tion“ be­trieb­li­cher So­zi­al­leis­tun­gen durch Großun­ter­neh­men ge­ra­ten. Das wird nicht durch­zu­hal­ten sein: Eine funk­tio­nie­rende Stra­te­gie ge­gen den Fachkräfte­man­gel ist die for­cierte Ra­tio­na­li­sie­rung und Au­to­ma­ti­sie­rung von per­so­nal­in­ten­si­ven Pro­zes­sen.

Leistungsbereitschaft nicht blockieren, sondern fördern!

Alle Un­ter­neh­men in der Au­to­mo­bil­bran­che ste­hen vor der Her­aus­for­de­rung, ihre Per­so­nal­po­li­tik, ihre so­zia­len be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen und ihre Bo­ni­fi­zie­rungs­sys­teme dar­auf hin zu überprüfen, ob sie die Leis­tungsfähig­keit und die Leis­tungs­be­reit­schaft ih­rer Mit­ar­bei­ter schwächen oder fördern. Die­ser Pro­zess muss be­reits bei der Per­so­nal­re­kru­tie­rung be­gin­nen und sich über die Per­so­nalführung bis hin zur Per­so­nal­ent­wick­lung er­stre­cken.

Fazit: Wertschöpfung und Kosten in den Fokus rücken!

In der ak­tu­el­len Si­tua­tion, in der sich die deut­sche Au­to­mo­bil­in­dus­trie be­fin­det, muss ein verstärk­ter Nach­druck auf ein kon­se­quen­tes Kos­ten­ma­nage­ment ge­legt wer­den. Da­bei geht es vor al­lem darum, alle nicht di­rekt wert­schöpfen­den Tätig­kei­ten auf den Prüfstand zu stel­len. Ein be­son­de­res Au­gen­merk sollte auf die Möglich­kei­ten der Künst­li­chen In­tel­li­genz ge­rich­tet wer­den, durch die ver­wal­tende, pla­nende und dis­po­nie­rende Pro­zesse op­ti­miert wer­den können.

Die Un­ter­neh­men der Au­to­mo­bil­bran­che brau­chen eine Ver­schlan­kung von Struk­tu­ren und Pro­zes­sen. Nur so wer­den sie den Kri­sen­mo­dus ver­las­sen und wie­der in einen for­cier­ten Wachs­tums­mo­dus schal­ten können!

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