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Steuerberatung

Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs bei anschließendem Anteilsverkauf

BFH v. 19.9.2018 - II R 10/16

Die An­wen­dung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist aus­ge­schlos­sen, wenn der Ers­ter­wer­ber eine ihm ver­blie­bene Rechts­po­si­tion aus dem ur­sprüng­li­chen Kauf­ver­trag in sei­nem ei­ge­nen (wirt­schaft­li­chen) In­ter­esse ver­wer­tet hat. Der Er­wer­ber ver­wer­tet seine Rechts­po­si­tion aus dem ur­sprüng­li­chen Kauf­ver­trag, wenn er durch seine Un­ter­schrift un­ter den Ver­trag über die Auf­he­bung des Grundstücks­kauf­ver­trags mit ei­ner grund­be­sit­zen­den Ge­sell­schaft be­stim­men kann, wer die An­teile an die­ser Ge­sell­schaft er­wer­ben darf. Der An­teil­ser­werb selbst muss nicht steu­er­bar sein.

Der Sach­ver­halt:

Die A-GmbH war Mie­te­rin ei­nes Grundstücks, das sie an ein Lo­gis­tik­un­ter­neh­men un­ter­ver­mie­tet hatte. Sie er­rich­tete auf dem Grundstück ein Gebäude, war je­doch ver­pflich­tet, die­ses bei Be­en­di­gung des Miet­ver­trags zu be­sei­ti­gen. Die Kläge­rin ist eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft nie­derländi­schen Rechts, de­ren An­teile zu 100 % von ei­ner nie­derländi­schen Hol­ding-BV ge­hal­ten wer­den. Diese ist wie­derum eine 100 %ige Toch­ter ei­ner Hol­ding S.à.r.l. Diese gehört ih­rer­seits zu 100 % einem Fonds, an dem drei wei­tere Kon­zern­ge­sell­schaf­ten so­wie mehr­heit­lich außen­ste­hende An­le­ger be­tei­ligt sind. Eine der be­tei­lig­ten Ge­sell­schaf­ten ist zu 87,04 % un­mit­tel­bar und zu 10,88 % mit­tel­bar über eine 100 %ige Toch­ter­ge­sell­schaft an ei­ner wei­te­ren Ge­sell­schaft, der Y-BV, be­tei­ligt.

Im Au­gust 2013 er­warb die Kläge­rin von der A-GmbH das Ei­gen­tum an dem Gebäude auf frem­dem Bo­den so­wie von ei­ner Kom­man­dit­ge­sell­schaft di­verse auf dem Grundstück be­find­li­che Be­triebs­vor­rich­tun­gen. Laut Ver­trag sollte die Kläge­rin vor­be­halt­lich der Zu­stim­mung der Grundstücks­ei­gentüme­rin an­stelle der A-GmbH in den be­ste­hen­den Miet­ver­trag ein­tre­ten. Für den Fall, dass die Grundstücks­ei­gentüme­rin die Zu­stim­mung zur Über­tra­gung des mit der A-GmbH ge­schlos­se­nen Miet­ver­trags auf die Kläge­rin nicht er­tei­len und die Lauf­zeit des Miet­ver­trags nicht verlängern würde, ver­ein­bar­ten die Ver­trags­par­teien ein Rück­tritts­recht bis De­zem­ber 2013.

Das Fi­nanz­amt setzte für den Er­werb des Gebäudes auf frem­dem Bo­den Grund­er­werb­steuer fest. In der Fol­ge­zeit lehnte die Grundstücks­ei­gentüme­rin die Verlänge­rung der Lauf­zeit des Miet­ver­trags zu un­veränder­ten Kon­di­tio­nen ab und for­derte als Vor­aus­set­zung für die Zu­stim­mung zur Ver­tragsüber­nahme eine höhere Miete. Am 13.12.2013 verlänger­ten die Kläge­rin und die A-GmbH die Frist für die Ausübung des Rück­tritts­rechts zum 23.12.2013.

Am 17.12.2013 ho­ben die A-GmbH und die Kläge­rin den Kauf­ver­trag auf. In der­sel­ben Ur­kunde veräußer­ten die Ge­sell­schaf­ter der A-GmbH 94 % der Ge­schäfts­an­teile an die Hol­ding-BV, die Mut­ter­ge­sell­schaft der Kläge­rin, und 6 % an die Y-BV. Der Kauf­ver­trag über die Be­triebs­vor­rich­tun­gen wurde in der­sel­ben Ur­kunde eben­falls zunächst auf­ge­ho­ben und zu einem et­was ge­rin­ge­ren Kauf­preis er­neut ab­ge­schlos­sen. Die Kläge­rin ver­mie­tete die Be­triebs­vor­rich­tun­gen an­schließend an die A-GmbH, die diese an das Lo­gis­tik­un­ter­neh­men wei­ter­ver­mie­tete.

Im Ja­nuar 2014 be­an­tragte die Kläge­rin die Auf­he­bung des Grund­er­werb­steu­er­be­scheids aus Ok­to­ber 2013. Das Fi­nanz­amt lehnte dies ab. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Gründe:

Die Vor­aus­set­zun­gen für eine Rückgängig­ma­chung des Er­werbs­vor­gangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wa­ren nicht erfüllt.

Wird im Zu­sam­men­hang mit der Auf­he­bung ei­nes Kauf­ver­trags über ein Grundstück die­ses wei­ter­veräußert, ist für die An­wen­dung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ent­schei­dend, ob für den früheren Er­wer­ber trotz der Ver­trags­auf­he­bung die Möglich­keit der Ver­wer­tung ei­ner aus dem "rückgängig ge­mach­ten" Er­werbs­vor­gang her­zu­lei­ten­den Rechts­po­si­tion ver­blie­ben und der Verkäufer dem­zu­folge nicht aus sei­nen Bin­dun­gen ent­las­sen war. Dem früheren Er­wer­ber ver­bleibt die Möglich­keit der Ver­wer­tung ei­ner aus dem "rückgängig ge­mach­ten" Er­werbs­vor­gang her­zu­lei­ten­den Rechts­po­si­tion je­den­falls dann, wenn z.B. der Auf­he­bungs- und der Wei­ter­veräußerungs­ver­trag in ei­ner ein­zi­gen Ur­kunde zu­sam­men­ge­fasst sind.

In die­sem Fall hat er die recht­li­che Möglich­keit, die Auf­he­bung des ur­sprüng­li­chen Kauf­ver­trags zum an­schließen­den Er­werb des Grundstücks durch eine von ihm aus­gewählte dritte Per­son zu nut­zen. Denn der Veräußerer wird aus sei­ner Übe­reig­nungs­ver­pflich­tung ge­genüber dem früheren Er­wer­ber erst mit der Un­ter­zeich­nung des Ver­trags durch alle Ver­trags­be­tei­lig­ten und da­mit erst in dem Au­gen­blick ent­las­sen, in dem er be­reits wie­der hin­sicht­lich der Übe­reig­nung des Grundstücks an den Zwei­ter­wer­ber ge­bun­den ist.

Der Se­nat ist nun aber der An­sicht, dass die An­wen­dung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in einem sol­chen Fall dann aus­ge­schlos­sen ist, wenn der Ers­ter­wer­ber eine ihm ver­blie­bene Rechts­po­si­tion auch in sei­nem ei­ge­nen (wirt­schaft­li­chen) In­ter­esse ver­wer­tet hat. Eine Ver­wer­tung i.d.S. liegt vor, wenn die Ein­fluss­nahme des Ers­ter­wer­bers auf die Wei­ter­veräußerung Aus­fluss der ihm ver­blie­be­nen Rechts­po­si­tion ist.

Die­sel­ben Grundsätze wie bei der Wei­ter­veräußerung gel­ten, wenn die Verkäuferin eine Ge­sell­schaft ist, der Kauf­ver­trag rückgängig ge­macht wird und in der­sel­ben Ur­kunde die An­teile an der Ge­sell­schaft auf den Ers­ter­wer­ber oder einen bzw. meh­rere von die­sem be­stimmte Dritte über­tra­gen wer­den. In die­sem Fall behält der Ers­ter­wer­ber - wirt­schaft­lich ge­se­hen - den durch den ur­sprüng­li­chen Kauf­ver­trag begründe­ten Zu­griff auf das Grundstück, ob­wohl die­ses nach der Rückgängig­ma­chung des Kauf­ver­trags zi­vil­recht­lich bei der Ge­sell­schaft ver­bleibt.

Er­fol­gen die Rückgängig­ma­chung des Kauf­ver­trags und die an­schließende Über­tra­gung der An­teile an der grund­be­sit­zen­den Ge­sell­schaft in ei­ner Ur­kunde, nutzt der Ers­ter­wer­ber seine Rechts­po­si­tion aus dem ur­sprüng­li­chen Kauf­ver­trag, um zu be­stim­men, wer die An­teile an der grund­be­sit­zen­den Ge­sell­schaft er­wer­ben darf. Stellt er da­mit si­cher, dass er selbst oder ein von ihm be­stimm­ter Drit­ter die An­teile er­wer­ben kann, liegt darin eine die An­wen­dung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus­schließende Ver­wer­tung der Rechts­po­si­tion aus dem ur­sprüng­li­chen Kauf­ver­trag im ei­ge­nen wirt­schaft­li­chen In­ter­esse.

Der Er­wer­ber ver­wer­tet seine Rechts­po­si­tion aus dem ur­sprüng­li­chen Kauf­ver­trag nicht nur dann zu ei­ge­nen wirt­schaft­li­chen Zwecken, wenn er Ein­fluss auf den späte­ren Wei­ter­ver­kauf des Grundstücks ausübt. Es reicht viel­mehr aus, wenn er durch seine Un­ter­schrift un­ter den Ver­trag über die Auf­he­bung des Grundstücks­kauf­ver­trags mit ei­ner grund­be­sit­zen­den Ge­sell­schaft be­stim­men kann, wer die An­teile an die­ser Ge­sell­schaft er­wer­ben darf. Ent­schei­dend ist, ob der Er­wer­ber sich oder einem oder meh­re­ren Drit­ten einen maßgeb­li­chen Ein­fluss auf die grund­be­sit­zende Ge­sell­schaft ver­schafft. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der An­teil­ser­werb nicht zu einem (wei­te­ren) grund­er­werb­steu­er­ba­ren Vor­gang führt.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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