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Steuerberatung

Rückgewähr von Steuern nach Insolvenz-Anfechtung: Keine Säumniszuschläge

BFH 22.11.2017, XI R 14/16

Es ent­ste­hen keine Säum­nis­zu­schläge, wenn auf­grund ei­ner An­fech­tung des In­sol­venz­ver­wal­ters Steu­ern, die bis zum Ab­lauf des Fällig­keits­ta­ges vom In­sol­venz­schuld­ner ge­zahlt wur­den, zurück­gewährt wer­den. Es ist nicht er­kenn­bar, dass durch das Wie­der­auf­le­ben der Steu­er­for­de­run­gen rück­wir­kend die Erfüllung des Tat­be­stands­merk­mals der Ent­rich­tung der Steu­er­schul­den i.S.d. § 240 AO be­sei­tigt wurde und da­mit die Ver­wir­kung von Säum­nis­zu­schlägen in Gang ge­setzt wird.

Der Sach­ver­halt:
Über das Vermögen des im Au­gust 2015 ver­stor­be­nen In­sol­venz­schuld­ners (A.) hatte das AG mit Be­schluss vom 1.5.2013 das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Zum In­sol­venz­ver­wal­ter wurde der Kläger be­stellt. Im Sep­tem­ber 2013 erklärte die­ser ge­genüber dem Fi­nanz­amt die An­fech­tung von Zah­lun­gen des In­sol­venz­schuld­ners i.H.v. 583.495 €, die in der Zeit von März 2009 bis März 2013 ge­leis­tet wor­den wa­ren. Im Ja­nuar 2014 er­ziel­ten die Be­tei­lig­ten eine Ei­ni­gung über die Zah­lung ei­nes Be­tra­ges i.H.v. 350.000 € zur Ab­gel­tung des An­fech­tungs­an­spruchs. Der Ver­gleichs­be­trag wurde an die In­sol­venz­masse aus­ge­kehrt. Da­bei ver­buchte das Fi­nanz­amt die Rück­zah­lung auf die be­reits er­lo­sche­nen Steu­er­schul­den und steu­er­li­chen Ne­ben­leis­tun­gen, die als letzte vom In­sol­venz­schuld­ner be­gli­chen wor­den wa­ren.

Das Fi­nanz­amt mel­dete am 21.1.2014 die nun­mehr wie­der of­fe­nen Steu­er­schul­den und die wie­der auf­ge­leb­ten Säum­nis- und Verspätungs­zu­schläge i.H.v. ins­ge­samt 350.000 € zu­sam­men mit nach sei­ner Auf­fas­sung rück­wir­kend auf das Da­tum der ur­sprüng­li­chen Fällig­keit bis zum Tag der In­sol­ven­zeröff­nung ent­stan­de­nen Säum­nis­zu­schlägen auf die er­stat­te­ten Steu­ern i.H.v. 71.120 € zur In­sol­venz­ta­belle an. Von dem an­ge­mel­de­ten Ge­samt­be­trag von 421.120 € wur­den 350.000 € zur In­sol­venz­ta­belle fest­ge­stellt, der Rest­be­trag von 71.120 € wurde vom Kläger be­strit­ten.

Mit Fest­stel­lungs­be­schei­den vom 29.1.2015 und 9.2.2015 stellte das Fi­nanz­amt die strei­ti­gen Säum­nis­zu­schläge nach § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 InsO fest. Statt 71.120 € um­fass­ten die strei­ti­gen Säum­nis­zu­schläge nun­mehr 81.036 €. Die Fest­stel­lung begründete das Fi­nanz­amt da­mit, dass die er­folg­rei­che An­fech­tung ei­ner Steu­er­zah­lung Säum­nis­zu­schläge nach § 240 AO auslöse.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Gründe:
Es sind keine Säum­nis­zu­schläge gem. § 240 AO für den Zeit­raum zwi­schen der ur­sprüng­li­chen Fällig­keit der Ab­ga­ben­for­de­run­gen, die auf­grund der An­fech­tung des Klägers zurücker­stat­tet wur­den, und dem Tag der In­sol­ven­zeröff­nung ent­stan­den.

Wird eine Steuer nicht bis zum Ab­lauf des Fällig­keits­ta­ges ent­rich­tet, so ist für je­den an­ge­fan­ge­nen Mo­nat der Säum­nis ein Säum­nis­zu­schlag von 1 % des ab­ge­run­de­ten rückständi­gen Steu­er­be­trags zu ent­rich­ten; ab­zu­run­den ist auf den nächs­ten durch 50 € teil­ba­ren Be­trag (§ 240 Abs. 1 S. 1 AO). Die Säum­nis­zu­schläge ent­ste­hen kraft Ge­set­zes und sind da­her nicht ge­son­dert fest­zu­set­zen. Sie sind ein dem Steu­er­recht ei­ge­nes Druck­mit­tel zur Durch­set­zung von ti­tu­lier­ten Zah­lungs­an­sprüchen des Steu­er­fis­kus. Ne­ben dem Zweck, der Fi­nanz­behörde eine Ge­gen­leis­tung für das Hin­aus­schie­ben der Zah­lung fälli­ger Steu­ern und für den da­durch ent­ste­hen­den zusätz­li­chen Ver­wal­tungs­auf­wand zu ver­schaf­fen, ver­fol­gen sie das Ziel, den Steu­er­pflich­ti­gen durch An­dro­hung ei­ner ver­schul­dens­un­abhängi­gen Ver­wal­tungs­sank­tion zur pünkt­li­chen Zah­lung der Steu­er­schul­den an­zu­hal­ten.

Im vor­lie­gen­den Fall leb­ten zwar mit der er­folg­rei­chen An­fech­tung durch den In­sol­venz­ver­wal­ter und der Rück­gewähr der ge­zahl­ten Beträge die Steu­er­schul­den, die den strei­ti­gen Säum­nis­zu­schlägen zu­grunde la­gen, rück­wir­kend wie­der auf. Denn die er­folg­rei­che An­fech­tung und Rück­gewähr nach § 143 InsO be­wirkt gem. § 144 InsO, dass die Steu­er­schuld rück­wir­kend wie­der auf­lebt. Die Be­en­di­gung des Steu­er­schuld­verhält­nis­ses ist in­so­weit auflösend be­dingt. Hier wa­ren die wie­der auf­ge­leb­ten Steu­er­for­de­run­gen bis zum Ab­lauf des Fällig­keits­tags je­doch be­reits ent­rich­tet wor­den, so dass da­mit eine Säum­nis entfällt.

Im Fall der Zah­lung ist der maßgeb­li­che Ent­rich­tungs­zeit­punkt nach § 224 Abs. 2 AO zu be­stim­men. Da­nach gilt eine wirk­same ge­leis­tete Zah­lung bei Überg­abe oder Über­sen­dung von Zah­lungs­mit­teln, bei Über­wei­sung oder Ein­zah­lung auf ein Konto der Fi­nanz­behörde oder bei Vor­lie­gen ei­ner Ein­zugs­ermäch­ti­gung zu dort näher be­stimm­ten Zeit­punk­ten als ent­rich­tet. Im Streit­fall hatte der Kläger ent­spre­chend die­sen Be­stim­mun­gen un­strei­tig die Zah­lun­gen am Fällig­keits­tag ge­leis­tet, so dass ab den Fällig­keits­zeit­punk­ten die Steu­er­schul­den als ent­rich­tet gel­ten.

Es ist nicht er­kenn­bar, dass durch das Wie­der­auf­le­ben der Steu­er­for­de­run­gen rück­wir­kend die Erfüllung des Tat­be­stands­merk­mals der Ent­rich­tung der Steu­er­schul­den i.S.d. § 240 AO be­sei­tigt wurde und da­mit die Ver­wir­kung von Säum­nis­zu­schlägen in Gang ge­setzt wird. Ein sol­cher Zu­sam­men­hang zwi­schen Erfüllung und Ent­rich­tung der Steu­er­schul­den be­steht nicht, denn der Re­ge­lungs­in­halt die­ser Vor­schrif­ten ist in­so­weit klar und ein­deu­tig.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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