Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand u.a. in der Ausführung von Gerüstbauten besteht. In ihrem Stammsitz unterhält sie ein Zentrallager für Gerüstmaterial. In den Streitjahren 2007, 2009, 2010 und 2012 war die Klägerin im Wesentlichen im Spezialgerüstbau bei Großindustrieanlagen tätig. Streitig war schließlich, ob die Klägerin berechtigt war, in den Streitjahre Rückstellungen für die mit der Auflösung von Baustellenlagern verbundenen Aufwendungen zu bilden. Das Finanzamt lehnte dies ab.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch der BFH versagte den begehrten einkommens- und gewerbeertragsmindernden Ansatz der Rückstellung für Aufwendungen im Zusammenhang mit künftigen Baustellenauflösungen.
Gründe:
Der begehrte einkommens- und gewerbeertragsmindernde Ansatz der Rückstellung für Aufwendungen im Zusammenhang mit künftigen Baustellenauflösungen war zu versagen.
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung nur unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist.
Die Verbindlichkeitsrückstellung ist Ausfluss des sog. Vorsichtsprinzips und des hieraus abgeleiteten Realisationsprinzips; sie soll im Interesse eines periodengerechten Gewinnausweises gewährleisten, dass am Bilanzstichtag verursachte potenziell gewinnmindernde Faktoren in der Bilanz berücksichtigt werden. Insoweit muss daher eine Belastung des gegenwärtigen Vermögens des Steuerpflichtigen vorliegen (Prinzip der wirtschaftlichen Last), er muss als Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme, die zu einer Vermögensbelastung führt, rechnen müssen.
Unter Berücksichtigung des Verbots sog. Aufwandsrückstellungen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 HGB) setzt der Ansatz einer Rückstellung als Verbindlichkeitsrückstellung eine Verpflichtung voraus, die gegenüber einer dritten Person besteht (sog. Außenverpflichtung) und als erzwingbarer Anspruch eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Dabei kann es ungeachtet einer ausreichend bestimmten Außenverpflichtung aber --dabei unabhängig von der Rechtsnatur als privatrechtlicher oder öf entlich-rechtlicher Verpflichtung - in Betracht kommen, die wirtschaftlichen Interessen des Leistungsverpflichteten und des Anspruchsberechtigten zu gewichten und im Einzelfall ein sog. eigenbetriebliches Interesse als wirtschaftlich auslösendes Moment der Belastung zu werten sind.
Hieran ist insbesondere in den Fällen festzuhalten ist, in denen eine bestehende Außenverpflichtung durch ein eigenbetriebliches Interesse bei wirtschaftlicher Betrachtung vollständig überlagert wird und damit der Sache nach eine sog. Aufwandsrückstellung vorliegt. So hat das "Negativmerkmal" damit eine gesetzliche Grundlage, da die Außenverpflichtung eine wirtschaftliche Belastung auslösen muss und diese Frage nicht losgelöst von einem damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden eigenbetrieblichen Interesse beantwortet werden kann.
Im vorliegenden Fall schied der Ansatz einer Rückstellung für die Räumung und den Abtransport des (Gerüstbau-)Materials aus. Das FG hatte die Sachumstände des Streitfalls zutreffend dahingehend gewürdigt, dass das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin an der Auflösung des (jeweiligen) Materiallagers an den Baustellen und der Rückführung des (für die weitere Betriebsfortführung der Steuerpflichtigen notwendigen) Materials in das Zentrallager der Steuerpflichtigen eine wirtschaftliche Bedeutung einnimmt, die den Umstand der zivilrechtlichen Verpflichtung zur Räumung des jeweiligen Grundstücks vollen Umfangs überlagert.
Dabei hatte es auch in Rechnung gestellt, dass gerade mit Blick auf den Leistungsgegenstand der Einzelverträge ("Abrufe"), der insbesondere An- und Abtransport und Montage und Demontage am Bauobjekt beinhaltete, das Einrichten des Materiallagers auf dem Grundstück für künftige Verwendungen im Interesse der Steuerpflichtigen lag und die Grundstücksräumung einen untrennbaren Zusammenhang mit dem (Rück-)Transport der eigenen Materialien in das Zentrallager der Steuerpflichtigen aufweist.
Das FG hatte damit unter dem Gesichtspunkt einer dadurch ausgelösten wirtschaftlichen Belastung eine Abwägung der Räumungsverpflichtung und des Interesses am Rücktransport des eigenen betriebsnotwendigen Materials vorgenommen. Es ist dabei als Gegenstand dieser einzelfallbezogenen Würdigung zu einem Ergebnis ("vollständige Überlagerung des eigenbetrieblichen Interesses") gelangt. Grundlage für diese Würdigung war dabei zu Recht insbesondere der Unternehmensgegenstand der Klägerin. Als Gerüstbauunternehmen ist sie darauf angewiesen, Gerüstbaumaterialien und Betriebs- und Geschäftsausstattung (Trecker, Anhänger, Gabelstapler, Container für Büroarbeiten und für die Unterbringung von Arbeitnehmern) für Folgeaufträge wieder zur Verfügung zu haben. Die Betriebsnotwendigkeit lässt sich daraus schließen, dass selbst bei erheblichen Entfernungen zwischen den Baustellen und dem Zentrallager (von bis zu 675 km) ein Rücktransport des Materials erfolgte.
Ungeachtet einer bestehenden Außenverpflichtung (hier: Räumung eines Baustellenlagers bei Vertragsende) ist ein Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) dann ausgeschlossen, wenn die Verpflichtung in ihrer wirtschaftlichen Belastungswirkung von einem eigenbetrieblichen Interesse vollständig "überlagert" wird.