Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Kurz nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte er am 6.6.2011 gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO Masseunzulänglichkeit angezeigt. Danach gab er Umsatzsteuererklärungen ab, darunter am 5.8.2011 eine Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2011 unter der Massesteuernummer. Die Steuer wurde nicht entrichtet. Am 2.5.2012 korrigierte der Kläger die Umsatzsteuerschuld. Diese Schuld war durch eine vom Finanzamt am 7.12.2011 vorgenommene Umbuchung bereits getilgt worden, d.h. nach der Korrektur bestand insoweit keine Masseschuld mehr.
Am 6.6.2012 fertigte ein Bearbeiter des Finanzamtes einen die Säumniszuschläge betreffenden Aktenvermerk und übermittelte diesen direkt per Fax. Im Juli 2012 zeigte der Kläger dem Insolvenzgericht eine Verbesserung der finanziellen Verhältnisse und das Ende der Masseunzulänglichkeit an. Am 9.7.2014 gab er die Umsatzsteuervoranmeldung für das zweite Quartal 2014 ab, aus der sich ein Guthaben von 1.558 € ergab. Das Finanzamt stimmte dieser Voranmeldung zu, zahlte das Guthaben jedoch nicht aus, sondern buchte es auf die seiner Auffassung nach gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit in der Zeit vom 6.8.2011 bis 5.5.2012 entstandenen Säumniszuschläge zur Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2011 um.
In der Folge erging auf Antrag des Klägers u.a. der im Revisionsverfahren noch streitgegenständliche Abrechnungsbescheid vom 20.10.2014, in dem das Finanzamt die Entstehung von Säumniszuschlägen zur Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2011 und deren Aufrechnung mit dem Erstattungsbetrag aus der Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2014 bejaht hatte. Während des Einspruchsverfahrens gab der Kläger am 11.4.2016 die Umsatzsteuererklärung für 2014 ab, aus der sich eine Umsatzsteuerschuld von 1.549 € und eine noch zu entrichtende Abschlusszahlung von 880 € ergaben. Die Behörde stimmte der Erklärung zu.
Vor Abschluss des Einspruchsverfahrens erließ das Finanzamt auf Antrag des Klägers gem. § 227 AO im Juli 2016 die Hälfte der Säumniszuschläge. Einspruch und Klage auf vollständigen Erlass blieben ohne Erfolg. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos (Beschl. 14.9.2018 - XI B 68/18). In der Einspruchsentscheidung vom 17.8.2016, die noch einen weiteren Abrechnungsbescheid betraf, berücksichtigte das Finanzamt den hälftigen Erlass der Säumniszuschläge. Hierauf erhob der Kläger Klage und beantragte, beide Abrechnungsbescheide abzuändern. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Gem. § 218 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO ergeht u.a. dann ein Abrechnungsbescheid, wenn die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO), von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) und ihr Erlöschen (§ 47 AO) durch Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB) streitig sind.
Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor. Es sind die Verwirkung von Säumniszuschlägen zur Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2011 und das Erlöschen des Guthabens i.H.v. 1.558 € aus der Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2014 durch Aufrechnung mit diesen Säumniszuschlägen streitig. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass während der vorübergehenden Masseunzulänglichkeit Säumniszuschläge angefallen sind. Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, entstehen gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden angefangenen Monat der Säumnis Säumniszuschläge i.H.v. 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags.
Säumniszuschläge fallen nach dem Gesetz unabhängig davon an, ob eine Steuer zutreffend festgesetzt wird. Sie bleiben gem. § 240 Abs. 1 Satz 4 AO von einer Korrektur der Steuerfestsetzung (wie sie im Streitfall erfolgt ist) unberührt. Sie sind nicht mit Verzugszinsen des BGB gleichzusetzen, sondern ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll, sie haben also eine Druckfunktion. Insbesondere entstehen Säumniszuschläge gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kraft Gesetzes.
Nach Anzeige der wiedererlangten Zulänglichkeit der Masse durch den Insolvenzverwalter im Juli 2012 konnte das Finanzamt gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 BGB mit den während der Dauer der angezeigten Masseunzulänglichkeit verwirkten Säumniszuschlägen gegen die Masseforderung aus der Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2014 aufrechnen. Die während der Masseunzulänglichkeit zu berücksichtigenden Aufrechnungsverbote gem. § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO, § 96 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 InsO analog oder § 210 InsO analog galten nicht mehr. Denn nach Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren sind die während der Masseunzulänglichkeit geltenden Aufrechnungsverbote nicht mehr anzuwenden.
Säumniszuschläge entstehen gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kraft Gesetzes. Nach Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren sind die während der Masseunzulänglichkeit geltenden Aufrechnungsverbote nicht mehr anzuwenden.