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Steuerberatung

Schenkungsteuer: Vorbehalt eines nachrangigen Nießbrauchs

BFH v. 6.5.2020 - II R 11/19

Ein vom Schen­ker vor­be­hal­te­ner le­bens­lan­ger Nießbrauch min­dert den Er­werb des Be­dach­ten auch dann, wenn an dem Zu­wen­dungs­ge­gen­stand be­reits ein le­bens­lan­ger Nießbrauch ei­nes Drit­ten be­steht. Der Nießbrauch des Schen­kers erhält einen Rang nach dem Nießbrauch des Drit­ten. § 6 Abs. 1 BewG gilt nicht für einen am Stich­tag ent­stan­de­nen, aber nach­ran­gi­gen Nießbrauch. Bei der Schen­kung­steu­er­fest­set­zung sind der vor­ran­gige und der nach­ran­gige le­bens­lange Nießbrauch (als ein­heit­li­che Last) nur ein­mal mit dem höheren Ver­vielfälti­ger gemäß § 14 BewG zu berück­sich­ti­gen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin war Ge­sell­schaf­te­rin ei­ner GbR. Ih­ren Ge­sell­schafts­an­teil hatte sie schenk­weise von ih­rer Mut­ter un­ter dem Vor­be­halt des le­bens­lan­gen Nießbrauchs er­hal­ten. Mit no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­tem Schen­kungs­ver­trag aus 2008 über­trug sie u.a. die Hälfte die­ses An­teils schenk­weise auf ihre Toch­ter und be­hielt sich den le­bens­lan­gen Nießbrauch vor. Der Nießbrauch der Mut­ter be­stand fort.

Bei der Fest­set­zung der Schen­kung­steuer ge­genüber der Kläge­rin mit Be­scheid vom 10.12.2009 in Ge­stalt des Ände­rungs­be­scheids vom 7.6.2010 brachte das Fi­nanz­amt le­dig­lich den Nießbrauch der Mut­ter, nicht aber den Nießbrauch der Kläge­rin zum Ab­zug. Zur Begründung führte er aus, beim Nießbrauch der Kläge­rin han­dele es sich um eine Last, de­ren Ent­ste­hung vom Ein­tritt ei­ner auf­schie­ben­den Be­din­gung abhänge. Sol­che Las­ten würden gem. § 6 BewG nicht berück­sich­tigt.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Gründe:
Das FG hat § 6 Abs. 1 BewG zu Un­recht an­ge­wandt.

Mit dem Aus­druck "Be­din­gung" knüpft § 6 Abs. 1 BewG an das bürger­li­che Recht an. Be­din­gung ist da­nach die einem Rechts­ge­schäft bei­gefügte Be­stim­mung, dass die Wir­kun­gen des Rechts­ge­schäfts von einem zukünf­ti­gen, un­ge­wis­sen Er­eig­nis abhängen. Gemäß § 158 Abs. 1 BGB tritt die von ei­ner auf­schie­ben­den Be­din­gung abhängig ge­machte Wir­kung des Rechts­ge­schäfts erst mit dem Ein­tritt der Be­din­gung ein. So­lange die Be­din­gung nicht ein­ge­tre­ten ist, liegt die Wirk­sam­keit des Rechts­ge­schäfts im Un­ge­wis­sen bzw. schwebt.

Behält sich ein Schen­ker den Nießbrauch vor, ob­wohl der Zu­wen­dungs­ge­gen­stand be­reits mit dem Nießbrauch ei­nes Drit­ten be­las­tet ist, hängt die Ent­ste­hung des Nießbrauchs des Schen­kers nicht vom Ein­tritt ei­ner auf­schie­ben­den Be­din­gung i.S. der §§ 158 Abs. 1 BGB, 6 Abs. 1 BewG ab. Der Nießbrauch des Schen­kers ent­steht viel­mehr mit der Schen­kung und erhält einen Rang nach dem älte­ren Nießbrauch. Die Nach­ran­gig­keit hat zur Folge, dass der Nießbrauch des Schen­kers zunächst nicht gel­tend ge­macht oder zwangs­weise durch­ge­setzt wer­den kann. Seine zi­vil­recht­li­che Ent­ste­hung wird durch die Exis­tenz des älte­ren Nießbrauchs aber nicht ver­hin­dert. Hier­von zu un­ter­schei­den sind die Fälle, in de­nen bei ei­ner Schen­kung meh­re­ren Be­rech­tig­ten ein Nießbrauch in der Weise ein­geräumt wird, dass der Nießbrauch des einen erst mit dem Ab­le­ben des an­de­ren ent­ste­hen soll (sog. Suk­zes­siv­nießbrauch).

Bei der Schen­kung­steu­er­fest­set­zung ist der für die Zeit nach dem Ab­le­ben des zunächst Be­rech­tig­ten ver­ein­barte Nießbrauch gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 BewG nicht zu berück­sich­ti­gen. Er hat am Stich­tag recht­lich nicht be­stan­den. Seine Ent­ste­hung hängt von einem zukünf­ti­gen, un­ge­wis­sen Er­eig­nis, dem Vor­ver­ster­ben des zunächst Be­rech­tig­ten, ab. Für eine ent­spre­chende An­wen­dung des § 6 Abs. 1 BewG auf einen am Stich­tag ent­stan­de­nen, aber nach­ran­gi­gen Nießbrauch be­steht kein An­lass. Eine Ab­wei­chung von den Re­geln des Zi­vil­rechts ist ins­be­son­dere nicht we­gen ei­ner feh­len­den "wirt­schaft­li­chen Be­las­tung" des Be­dach­ten ge­bo­ten. Bürger­lich-recht­lich geprägte Be­griffe, wie der der auf­schie­ben­den Be­din­gung in § 6 Abs. 1 BewG, können nicht nach wirt­schaft­li­chen Ge­sichts­punk­ten aus­ge­legt wer­den. Ob eine Last auf­schie­bend be­dingt ist, weil sie erst bei Ein­tritt ei­nes zukünf­ti­gen, un­ge­wis­sen Er­eig­nis­ses ent­steht, hängt nicht da­von ab, ob der Ein­tritt des Er­eig­nis­ses mehr oder we­ni­ger wahr­schein­lich ist.

Ein vom Schen­ker vor­be­hal­te­ner le­bens­lan­ger Nießbrauch min­dert den Er­werb des Be­dach­ten da­nach grundsätz­lich auch dann, wenn an dem Zu­wen­dungs­ge­gen­stand be­reits ein le­bens­lan­ger Nießbrauch ei­nes Drit­ten be­steht. Bei der Schen­kung­steu­er­fest­set­zung sind die Nut­zungs­rechte in der Weise zu berück­sich­ti­gen, dass der vor­ran­gige und der nach­ran­gige Nießbrauch (als ein­heit­li­che Last) nur ein­mal, aber mit dem höheren Ver­vielfälti­ger (§ 14 BewG) ab­ge­zo­gen wer­den. Die Mehr­heit von Nut­zungs­be­rech­tig­ten be­deu­tet keine zusätz­li­che Last, son­dern al­len­falls eine Verlänge­rung der Be­las­tungs­dauer. Die bis zum 31.12.2008 gel­tende Re­ge­lung des § 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG a.F. un­ter­sagt den Ab­zug des vom Schen­ker vor­be­hal­te­nen, nach­ran­gi­gen Nießbrauchs. Die auf die­sen Nießbrauch ent­fal­lende Schen­kung­steuer ist aber zu stun­den.

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