Der Sachverhalt:
Die Klägerin war Gesellschafterin einer GbR. Ihren Gesellschaftsanteil hatte sie schenkweise von ihrer Mutter unter dem Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs erhalten. Mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag aus 2008 übertrug sie u.a. die Hälfte dieses Anteils schenkweise auf ihre Tochter und behielt sich den lebenslangen Nießbrauch vor. Der Nießbrauch der Mutter bestand fort.
Bei der Festsetzung der Schenkungsteuer gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 10.12.2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 7.6.2010 brachte das Finanzamt lediglich den Nießbrauch der Mutter, nicht aber den Nießbrauch der Klägerin zum Abzug. Zur Begründung führte er aus, beim Nießbrauch der Klägerin handele es sich um eine Last, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhänge. Solche Lasten würden gem. § 6 BewG nicht berücksichtigt.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Gründe:
Das FG hat § 6 Abs. 1 BewG zu Unrecht angewandt.
Mit dem Ausdruck "Bedingung" knüpft § 6 Abs. 1 BewG an das bürgerliche Recht an. Bedingung ist danach die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass die Wirkungen des Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen. Gemäß § 158 Abs. 1 BGB tritt die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemachte Wirkung des Rechtsgeschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung ein. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt.
Behält sich ein Schenker den Nießbrauch vor, obwohl der Zuwendungsgegenstand bereits mit dem Nießbrauch eines Dritten belastet ist, hängt die Entstehung des Nießbrauchs des Schenkers nicht vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung i.S. der §§ 158 Abs. 1 BGB, 6 Abs. 1 BewG ab. Der Nießbrauch des Schenkers entsteht vielmehr mit der Schenkung und erhält einen Rang nach dem älteren Nießbrauch. Die Nachrangigkeit hat zur Folge, dass der Nießbrauch des Schenkers zunächst nicht geltend gemacht oder zwangsweise durchgesetzt werden kann. Seine zivilrechtliche Entstehung wird durch die Existenz des älteren Nießbrauchs aber nicht verhindert. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen bei einer Schenkung mehreren Berechtigten ein Nießbrauch in der Weise eingeräumt wird, dass der Nießbrauch des einen erst mit dem Ableben des anderen entstehen soll (sog. Sukzessivnießbrauch).
Bei der Schenkungsteuerfestsetzung ist der für die Zeit nach dem Ableben des zunächst Berechtigten vereinbarte Nießbrauch gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 BewG nicht zu berücksichtigen. Er hat am Stichtag rechtlich nicht bestanden. Seine Entstehung hängt von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis, dem Vorversterben des zunächst Berechtigten, ab. Für eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 1 BewG auf einen am Stichtag entstandenen, aber nachrangigen Nießbrauch besteht kein Anlass. Eine Abweichung von den Regeln des Zivilrechts ist insbesondere nicht wegen einer fehlenden "wirtschaftlichen Belastung" des Bedachten geboten. Bürgerlich-rechtlich geprägte Begriffe, wie der der aufschiebenden Bedingung in § 6 Abs. 1 BewG, können nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgelegt werden. Ob eine Last aufschiebend bedingt ist, weil sie erst bei Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses entsteht, hängt nicht davon ab, ob der Eintritt des Ereignisses mehr oder weniger wahrscheinlich ist.
Ein vom Schenker vorbehaltener lebenslanger Nießbrauch mindert den Erwerb des Bedachten danach grundsätzlich auch dann, wenn an dem Zuwendungsgegenstand bereits ein lebenslanger Nießbrauch eines Dritten besteht. Bei der Schenkungsteuerfestsetzung sind die Nutzungsrechte in der Weise zu berücksichtigen, dass der vorrangige und der nachrangige Nießbrauch (als einheitliche Last) nur einmal, aber mit dem höheren Vervielfältiger (§ 14 BewG) abgezogen werden. Die Mehrheit von Nutzungsberechtigten bedeutet keine zusätzliche Last, sondern allenfalls eine Verlängerung der Belastungsdauer. Die bis zum 31.12.2008 geltende Regelung des § 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG a.F. untersagt den Abzug des vom Schenker vorbehaltenen, nachrangigen Nießbrauchs. Die auf diesen Nießbrauch entfallende Schenkungsteuer ist aber zu stunden.
Ein vom Schenker vorbehaltener lebenslanger Nießbrauch mindert den Erwerb des Bedachten auch dann, wenn an dem Zuwendungsgegenstand bereits ein lebenslanger Nießbrauch eines Dritten besteht. Der Nießbrauch des Schenkers erhält einen Rang nach dem Nießbrauch des Dritten. § 6 Abs. 1 BewG gilt nicht für einen am Stichtag entstandenen, aber nachrangigen Nießbrauch. Bei der Schenkungsteuerfestsetzung sind der vorrangige und der nachrangige lebenslange Nießbrauch (als einheitliche Last) nur einmal mit dem höheren Vervielfältiger gemäß § 14 BewG zu berücksichtigen.