Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Berufsfotograf. Er wendet sich mit seiner Klage gegen das Land Nord-Rhein-Westfalen und begehrt Unterlassung und Schadensersatz, weil auf der Internetseite der Gesamtschule Waltrop ein Schülerreferat mit einem von ihm aufgenommen Foto der spanischen Stadt Córdoba (mit der Römischen Brücke im Vordergrund) veröffentlicht worden war. Eine Schülerin der Spanisch-AG hatte das Foto auf einem Online-Reisemagazin-Portal gefunden und in ihr Referat eingefügt. Unter dem Foto war ein Hinweis auf diese Internetseite angebracht, die ihrerseits keine Angaben zum Urheber des Fotos enthielt.
Der in letzter Instanz mit der Sache befasste BGH möchte vom EuGH wissen, ob das Herunterladen des Fotos und das Einfügung in das Schülerreferat, das auf die Internetseite der Schule eingestellt wird, unter den Begriff des "öffentlichen Zugänglichmachens" eines geschützten Werks fällt und somit möglicherweise das Urheberrecht des Fotografen verletzt.
Die Gründe:
Das Einstellen einer Schularbeit, die eine allen Internetnutzern frei und kostenlos zugängliche Fotografie enthält, ohne Gewinnerzielungsabsicht und unter Angabe der Quelle auf der Internetseite einer Schule stellt kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, wenn dieses Bild bereits ohne Hinweis auf Nutzungsbeschränkungen auf dem Internetportal eines Reisemagazins veröffentlicht war.
Eine Fotografie muss, um kraft Unionsrecht urheberrechtlich geschützt zu sein, bestimmte Kreativitätsanforderungen erfüllen. Es ist bereits zweifelhaft, dass eine bloße Aufnahme der Stadt Córdoba mit der Römischen Brücke im Vordergrund - ungeachtet ihrer Qualität - diese Kriterien erfüllt. Im vorliegenden Fall ist diese Unterscheidung jedoch unerheblich, da das Unionsrecht den Schutz anderer Fotografien im nationalen Recht zulässt und nach deutschem Recht alle Fotografien durch das UrhG geschützt sind. Der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" besteht aus zwei Bestandteilen: nämlich der "Handlung der Wiedergabe" und der erreichten "Öffentlichkeit". Die Zugänglichmachung stellt dabei in der digitalen Welt das Pendant zur "Handlung der Wiedergabe" in der analogen Welt dar. Die zur "Handlung der Wiedergabe" entwickelte Rechtsprechung ist daher entsprechend auf sie anzuwenden.
Vorliegend ist es jedoch zu keiner öffentlichen Wiedergabe im Sinne der EuGH-Rechtsprechung gekommen. Denn das Bild hat im Verhältnis zum Schulreferat nur akzessorischen Charakter und die Fotografie, die nicht mit Hinweisen zu den Einschränkungen ihrer Nutzung versehen war, war frei zugänglich. Zudem haben die Schülerin und das Lehrpersonal ohne Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Weiterhin lag hier auch keine Wiedergabe an ein "neues Publikum" vor. Weder ist gegen eine (inexistente) Schutzmaßnahme verstoßen worden noch wurde ohne Erlaubnis des Inhabers Zugang zu einem Werk, das sich im Internet befindet, gewährt. Im Übrigen ist das allgemeine Internetpublikum, das die Internetseite des Reisemagazins besucht, dasselbe wie das, das sich für das Portal der Schule interessiert.
Dieses Ergebnis bedeute nicht, dass eine Art Erschöpfung des Urheberrechts eingeführt werden soll. Es stellt vielmehr die logische Folge der Art und Weise dar, in der der Inhaber des Rechts an der Fotografie ihre Nutzung überlassen hat, der wusste oder hätte wissen müssen, dass das Fehlen jeglicher Maßnahme zum Schutz vor Kopien des Bildes Internetnutzer zu der Annahme veranlassen konnte, dass es für das Publikum frei verfügbar sei. Es geht in diesem Zusammenhang nicht zu weit, von einem Gewerbetreibenden, der selbst oder über Dritte ein Werk im Internet veröffentlicht, zu verlangen, dass er geeignete Maßnahmen auch technischer Art trifft, um zumindest sein Urheberrecht und den Willen, die Verbreitung seines Werks zu kontrollieren, zum Ausdruck zu bringen und den gegenteiligen Anschein zu vermeiden.
Diese Sorgfaltsanforderung verringern das hohe Schutzniveau zugunsten der Inhaber der Rechte an Bildern nicht und tragen zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen ihnen und den berechtigten Interessen der Internetnutzer bei, ohne dass die dem Internet eigene Logik verfälscht wird. Schließlich verliert der Inhaber des Rechts nicht die Kontrolle über die Kopie der auf der Internetseite der Schule benutzten Fotografie, da er ihre Entfernung verlangen kann, wenn er der Meinung ist, dass ihm durch sie ein Schaden entsteht.
Linkhinweis:
Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Schlussanträge klicken Sie bitte hier.