Der Sachverhalt:
Die Tochter der Klägerin besuchte bis einschließlich Juli 2019 ein städtisches Gymnasium. Am 7.7.2019 schloss sie, gesetzlich vertreten durch die Klägerin, mit der U-GmbH einen Vertrag über die Teilnahme an einem Stipendienprogramm ab, das diese mit einem Kooperationspartner durchführt. Das Programm sollte ausweislich des Vertrags am 1.8.2019 beginnen und am 31.1.2020 enden. Die U. ist eine internationale Bildungsplattform, die Bildungsprogramme und -konzepte mit Fokus auf unternehmerische Fähigkeiten, Innovation und lebenslanges Lernen entwirft.
Mit Bescheid vom 29.8.2019 lehnte die Familienkasse den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld für ihre Tochter ab September 2019 ab, da die Tätigkeit der Tochter nach dem Teilnehmervertrag nicht konkret berufsbezogen sei, sondern lediglich der Vermittlung allgemein nützlicher Fertigkeiten diene. Die Klägerin war der Ansicht, dass der Grundtatbestand des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch Praktika erfasse, wie sie im Rahmen des Bildungsprogrammes durchgeführt worden seien. Das Bildungsprogramm sei zugleich auch eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme gewesen.
Das FG gab der Klage statt. Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Ablehnungsbescheid war rechtswidrig. Im Streitzeitraum von September bis einschließlich Oktober 2019 bestand gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG ein Kindergeldanspruch der Klägerin für ihre Tochter.
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass das Stipendienprogramm im vorliegenden Fall eine Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG darstellte. Denn es vermittelte ihr Kenntnisse und Fähigkeiten, die in einem konkreten Bezug zu der von ihr im Streitzeitraum angestrebten späteren beruflichen Tätigkeit im Bereich Personalmanagement standen. Insoweit kann dahinstehen, inwieweit allgemeine Maßnahmen zur Berufsfindung und Berufsorientierung nach Erlangung eines Schulabschlusses zum Bezug von Kindergeld berechtigen.
Das einheitliche Stipendienprogramm ermöglichte der Tochter zunächst praktische Einblicke in mögliche Managementberufe (Kundenservice, Personalverwaltung, Marketing-Management), die ihr nach Abschluss des von ihr im Streitzeitraum angestrebten Studiums im Bereich Personalmanagement offen stehen werden. Auch in den theoretischen Teilen des Bildungsprogramms wurden der Tochter der Klägerin überwiegend Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt, welche insbesondere im Rahmen einer späteren beruflichen Tätigkeit im Bereich Personalmanagement erforderlich sind. Der Vermittlung allgemeiner Erfahrungswerte und der persönlichen Charakterbildung (Persönlichkeitstest, Auseinandersetzen mit eigenen Wertevorstellungen, Stärken und Schwächen) kam im Rahmen des Bildungsprogramms für die Tochter der Klägerin nur eine untergeordnete Bedeutung zu, da diese Inhalte bezogen auf den gesamten zeitlichen Umfang höchstens 35 % des gesamten Bildungsprogramms ausmachten.
Dem konkreten Bezug des Programms zu der von der Tochter der Klägerin angestrebten späteren beruflichen Tätigkeit steht nicht entgegen, dass das Stipendienprogramm im Allgemeinen dem Ziel dient, den Teilnehmern eine Orientierungsmöglichkeit für ihre Berufsfindung zu geben und daher grundsätzlich auf einen Teilnehmerkreis von Personen ausgerichtet ist, die - anders als die Tochter der Klägerin - noch nicht wissen, für welchen Beruf sie sich ausbilden lassen möchten und für die mithin möglicherweise die Erlangung allgemeiner Erfahrungswerte im Vordergrund steht.
Ein sechsmonatiges Bildungsprogramm zur Berufsvorbereitung kann eine Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG darstellen. Insoweit kann dahinstehen, inwieweit allgemeine Maßnahmen zur Berufsfindung und Berufsorientierung nach Erlangung eines Schulabschlusses zum Bezug von Kindergeld berechtigen.