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Steuerberatung

Sechsmonatiges Bildungsprogramm zur Berufsvorbereitung als Berufsausbildung?

FG Münster v. 26.8.2020 - 13 K 3282/19 Kg

Ein sechs­mo­na­ti­ges Bil­dungs­pro­gramm zur Be­rufs­vor­be­rei­tung kann eine Be­rufs­aus­bil­dung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG dar­stel­len. In­so­weit kann da­hin­ste­hen, in­wie­weit all­ge­meine Maßnah­men zur Be­rufs­fin­dung und Be­rufs­ori­en­tie­rung nach Er­lan­gung ei­nes Schul­ab­schlus­ses zum Be­zug von Kin­der­geld be­rech­ti­gen.

Der Sach­ver­halt:
Die Toch­ter der Kläge­rin be­suchte bis ein­schließlich Juli 2019 ein städti­sches Gym­na­sium. Am 7.7.2019 schloss sie, ge­setz­lich ver­tre­ten durch die Kläge­rin, mit der U-GmbH einen Ver­trag über die Teil­nahme an einem Sti­pen­di­en­pro­gramm ab, das diese mit einem Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner durchführt. Das Pro­gramm sollte aus­weis­lich des Ver­trags am 1.8.2019 be­gin­nen und am 31.1.2020 en­den. Die U. ist eine in­ter­na­tio­nale Bil­dungs­platt­form, die Bil­dungs­pro­gramme und -kon­zepte mit Fo­kus auf un­ter­neh­me­ri­sche Fähig­kei­ten, In­no­va­tion und le­bens­lan­ges Ler­nen ent­wirft.

Mit Be­scheid vom 29.8.2019 lehnte die Fa­mi­li­en­kasse den An­trag der Kläge­rin auf Gewährung von Kin­der­geld für ihre Toch­ter ab Sep­tem­ber 2019 ab, da die Tätig­keit der Toch­ter nach dem Teil­neh­mer­ver­trag nicht kon­kret be­rufs­be­zo­gen sei, son­dern le­dig­lich der Ver­mitt­lung all­ge­mein nütz­li­cher Fer­tig­kei­ten diene. Die Kläge­rin war der An­sicht, dass der Grund­tat­be­stand des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch Prak­tika er­fasse, wie sie im Rah­men des Bil­dungs­pro­gram­mes durch­geführt wor­den seien. Das Bil­dungs­pro­gramm sei zu­gleich auch eine be­rufs­vor­be­rei­tende Bil­dungsmaßnahme ge­we­sen.

Das FG gab der Klage statt. Re­vi­sion wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Der Ab­leh­nungs­be­scheid war rechts­wid­rig. Im Streit­zeit­raum von Sep­tem­ber bis ein­schließlich Ok­to­ber 2019 be­stand gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG ein Kin­der­geld­an­spruch der Kläge­rin für ihre Toch­ter.

Der Se­nat ist zu der Über­zeu­gung ge­langt, dass das Sti­pen­di­en­pro­gramm im vor­lie­gen­den Fall eine Be­rufs­aus­bil­dung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG dar­stellte. Denn es ver­mit­telte ihr Kennt­nisse und Fähig­kei­ten, die in einem kon­kre­ten Be­zug zu der von ihr im Streit­zeit­raum an­ge­streb­ten späte­ren be­ruf­li­chen Tätig­keit im Be­reich Per­so­nal­ma­nage­ment stan­den. In­so­weit kann da­hin­ste­hen, in­wie­weit all­ge­meine Maßnah­men zur Be­rufs­fin­dung und Be­rufs­ori­en­tie­rung nach Er­lan­gung ei­nes Schul­ab­schlus­ses zum Be­zug von Kin­der­geld be­rech­ti­gen.

Das ein­heit­li­che Sti­pen­di­en­pro­gramm ermöglichte der Toch­ter zunächst prak­ti­sche Ein­bli­cke in mögli­che Ma­nage­ment­be­rufe (Kun­den­ser­vice, Per­so­nal­ver­wal­tung, Mar­ke­ting-Ma­nage­ment), die ihr nach Ab­schluss des von ihr im Streit­zeit­raum an­ge­streb­ten Stu­di­ums im Be­reich Per­so­nal­ma­nage­ment of­fen ste­hen wer­den. Auch in den theo­re­ti­schen Tei­len des Bil­dungs­pro­gramms wur­den der Toch­ter der Kläge­rin über­wie­gend Fähig­kei­ten und Kennt­nisse ver­mit­telt, wel­che ins­be­son­dere im Rah­men ei­ner späte­ren be­ruf­li­chen Tätig­keit im Be­reich Per­so­nal­ma­nage­ment er­for­der­lich sind. Der Ver­mitt­lung all­ge­mei­ner Er­fah­rungs­werte und der persönli­chen Cha­rak­ter­bil­dung (Persönlich­keits­test, Aus­ein­an­der­set­zen mit ei­ge­nen Wer­te­vor­stel­lun­gen, Stärken und Schwächen) kam im Rah­men des Bil­dungs­pro­gramms für die Toch­ter der Kläge­rin nur eine un­ter­ge­ord­nete Be­deu­tung zu, da diese In­halte be­zo­gen auf den ge­sam­ten zeit­li­chen Um­fang höchs­tens 35 % des ge­sam­ten Bil­dungs­pro­gramms aus­mach­ten.

Dem kon­kre­ten Be­zug des Pro­gramms zu der von der Toch­ter der Kläge­rin an­ge­streb­ten späte­ren be­ruf­li­chen Tätig­keit steht nicht ent­ge­gen, dass das Sti­pen­di­en­pro­gramm im All­ge­mei­nen dem Ziel dient, den Teil­neh­mern eine Ori­en­tie­rungsmöglich­keit für ihre Be­rufs­fin­dung zu ge­ben und da­her grundsätz­lich auf einen Teil­neh­mer­kreis von Per­so­nen aus­ge­rich­tet ist, die - an­ders als die Toch­ter der Kläge­rin - noch nicht wis­sen, für wel­chen Be­ruf sie sich aus­bil­den las­sen möch­ten und für die mit­hin mögli­cher­weise die Er­lan­gung all­ge­mei­ner Er­fah­rungs­werte im Vor­der­grund steht.

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