Nicht zuletzt durch die prominenten Fälle von Steuerhinterziehungen in der jüngsten Vergangenheit ist die Selbstanzeige mit ihrer strafbefreienden Wirkung abermals in das Zentrum politischer Diskussionen gerückt.
Im Einklang mit zahlreichen Stimmen aus der Fachliteratur, die den Erhalt der strafbefreienden Selbstanzeige aus verfassungsrechtlichen Gründen für zwingend erforderlich halten, sprechen sich die Finanzminister von Bund und Ländern für die Beibehaltung der strafbefreienden Selbstanzeige aus.
Allerdings kamen sie am 9.5.2014 überein, dass die Voraussetzungen, unter denen einer Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung zukommt, voraussichtlich bereits zum 1.5.2015 verschärft werden sollen. Vor dem Hintergrund der erzielten Einigung sollten Betroffene nun schnellstmöglich reinen Tisch machen.
Über folgende Modifikationen wurde Einigkeit erzielt:
- Der Nacherklärungszeitraum von derzeit fünf Jahren soll auf zehn Jahre verlängert werden. Dabei dürfte aber noch zu klären sein, ob die Bestimmung des Fristenbeginns und des Fristenlaufs nach den steuerrechtlichen Vorgaben zu erfolgen hat. Fraglich ist dabei, ob diese Vorgaben im Rahmen einer strafrechtlichen Vorschrift ausreichend bestimmt sind.
Folge der Ausdehnung des Nacherklärungszeitraums ist dann auch, dass die umgehende Nachzahlung der hinterzogenen Steuern für den Zehn-Jahreszeitraum zur Erlangung der Straffreiheit zwingend ist. - Der Zeitraum der Strafverfolgungsverjährung bei einfacher Steuerhinterziehung soll von fünf auf zehn Jahre verlängert werden. Bislang ist nur bei besonders schwerer Steuerhinterziehung eine zehnjährige Verjährungsfrist vorgesehen.
- Der Strafzuschlag auf die nachzuzahlende Steuerschuld, der bisher ab einer Summe von 50.000 Euro in Höhe von 5 % zu zahlen war, soll in drei Stufen erhöht werden:
- ab einer hinterzogenen Steuer von 25.000 Euro sollen künftig 10 %,
- ab 100.000 Euro hinterzogener Steuer sollen 15 % und
- ab einem Hinterziehungsbetrag von einer Million Euro sollen 20 % fällig werden. - Als zusätzliche Voraussetzung der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige soll neben der Nachzahlung der Steuerschuld die Entrichtung der Hinterziehungszinsen von 6 % pro Jahr vorgegeben werden.
- Schließlich regte die Bundesregierung in einer früheren Verlautbarung noch die „Prüfung einer Obergrenze für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige“ an. Damit wäre wohl ab einem bestimmten Umfang der Steuerhinterziehung durch eine Selbstanzeige keine Straffreiheit mehr zu erlangen.
Das Bundesfinanzministerium soll den Verlautbarungen zufolge noch vor der parlamentarischen Sommerpause einen entsprechenden Gesetzentwurf vorbereiten.
Zum Hintergrund:
Die gute Nachricht vorab: Die Finanzminister von Bund und Ländern beschlossen, die Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung beizubehalten. Rechtsstaatlich durchaus vernünftig, muss der Steuerpflichtige doch nach geltendem Recht der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren alle für die Ermittlung der Steuer relevanten Informationen mitteilen und kann hierzu nötigenfalls auch gezwungen werden. Dies kann durchaus dazu führen, dass aus vollständigen und korrekten Angaben Rückschlüsse auf eine früher begangene Steuerhinterziehung gezogen werden können. Solche umfassenden Mitwirkungspflichten sind im Hinblick darauf, dass sich in einem Rechtsstaat niemand selbst einer Straftat bezichtigen oder bei der eigenen Überführung mitwirken muss, nur dann gerechtfertigt, wenn gleichzeitig die Möglichkeit der Selbstanzeige Schutz vor Strafverfolgung bietet. Dieser Aspekt wird in der öffentlichen Diskussion regelmäßig ignoriert, wenn auf den singulären Charakter der Selbstanzeige im deutschen Strafrecht und die damit einhergehende vermeintliche Privilegierung von Steuersündern hingewiesen wird. Denn kein anderer Straftäter ist vergleichbar einem Steuerpflichtigen im Rahmen eines permanenten Verwaltungsverfahrens laufend zu Erklärungen verpflichtet, die den Gegenstand seiner Verfehlung betreffen.
Allerdings stehen deutliche Verschärfungen der Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige im Raum. Mit der Ausdehnung des strafrechtlich relevanten Nacherklärungszeitraums von derzeit fünf auf zehn Jahre sind zur Erlangung der Strafbefreiung alle Veranlagungszeiträume, die noch nicht steuerlich verjährt sind, vollständig zu berichtigen. Was auf den ersten Blick nachvollziehbar erscheint, wirft doch einige Fragen auf. Sind die steuerrechtlichen Vorgaben zur Berechnung von Fristen auch für strafrechtliche Zwecke anzuwenden? Genügt ein Verweis auf die steuerrechtlichen Vorgaben dem Bestimmtheitsgebot im Strafrecht? Zu befürchten ist, dass eine solche Ausweitung des Nacherklärungszeitraums in vielen Fällen eine wirksame Selbstanzeige schlicht unmöglich macht. Man stelle sich vor, in einem Unternehmen wird eine im Jahre 2012 verursachte steuerliche Unregelmäßigkeit festgestellt, hinsichtlich derer vorsätzliches Handeln nicht ausgeschlossen werden kann. Soll der Vorgang nun im Rahmen einer Nacherklärung mit strafbefreiender Wirkung berichtigt werden, müssten die vergangenen zehn Jahre akribisch durchleuchtet werden, um eine Strafverfolgung auszuschließen. Wer auch nur ein bisschen Ahnung von der Praxis hat, ahnt, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit ist. Die Welt besteht eben - offenbar entgegen der Ansicht vieler Politiker - nicht nur aus braven Lohnsteuerzahlern und Inhabern von Schwarzgeldkonten in Steueroasen.
Beschlossen ist ferner eine Modifizierung des fünfprozentigen Strafzuschlags, der bisher im Rahmen einer Selbstanzeige ab einer nachzuzahlenden Steuer von 50.000 Euro je Tat zu entrichten ist, will man der Strafverfolgung entgehen. Hierzu ist kritisch anzumerken, dass der Strafzuschlag bereits jetzt ungeachtet der Frage festgesetzt wird, ob es sich um einen auf Dauer erlangten oder einen nur kurzfristig erzielten Steuervorteil handelt, der z.B. durch die verspätete Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung wieder entfallen ist.
Hingewiesen sei noch auf einen Lichtblick aus Unternehmenssicht. Wie bereits von Beraterschaft und Wirtschaftsverbänden vehement gefordert, scheint nun auch die Finanzverwaltung zu erkennen: Korrekturen einer Steueranmeldung - dies betrifft insbesondere Umsatzsteuer und Lohnsteuer - sollten sinnvollerweise als wirksame Selbstanzeige anerkannt werden. Demgegenüber entfaltet eine Selbstanzeige nach geltendem Recht nur dann strafbefreiende Wirkung, wenn sämtliche unterlassenen oder fehlerhaften Angaben innerhalb des Nacherklärungszeitraums nachgereicht bzw. korrigiert werden. Die mit dem Thema Selbstanzeige befasste Arbeitsgruppe schlägt vor, bei Nachholungen oder Korrekturen von Steueranmeldungen insoweit eine strafbefreiende Teilselbstanzeige anzuerkennen.
Abschließend bleibt festzustellen: Auch künftig kann die Selbstanzeige als Weg zurück in die steuerliche Legalität genutzt werden. Allerdings werden ihre Voraussetzungen in absehbarer Zeit deutlich verschärft. Wer die Selbstanzeige zur Erlangung von Straffreiheit in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung nutzen möchte, ist daher gut beraten, in Kürze tätig zu werden.