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Aktuelles

Sinn einer Presseäußerung ist im Gesamtzusammenhang zu deuten

BGH 27.5.2014, VI ZR 153/13

Bei der Aus­le­gung des Sin­nes ei­ner in ei­ner Pres­se­veröff­ent­li­chung ent­hal­te­nen Äußerung ist diese im­mer in dem Zu­sam­men­hang zu be­ur­tei­len, in dem sie ge­fal­len ist. Es ist da­her un­zulässig, sie aus dem sie be­tref­fen­den Kon­text her­aus­zulösen und rein iso­liert zu be­trach­ten.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist Ver­le­ge­rin ei­ner deut­schen Ta­ges­zei­tung, die Kläge­rin war Chef­re­dak­teu­rin der deut­schen Ta­ges­zei­tung "taz". Mit der Kläge­rin führ­ten die Au­to­ren des Bu­ches "Die vierte Ge­walt" ein In­ter­view, das Ein­gang in das Buch fin­den sollte. Die Kläge­rin ver­wei­gerte in der Fol­ge­zeit aber die Au­to­ri­sie­rung des In­ter­views so­wie ihr Ein­verständ­nis mit sei­nem Ab­druck. Sie wies - zeit­lich nach der Ver­wei­ge­rung der Au­to­ri­sie­rung - ge­genüber den Au­to­ren al­ler­dings auch dar­auf hin, dass das In­ter­view "gut tran­skri­biert" sei.

Die Be­klagte be­rich­tete in der Aus­gabe vom 9.10.2008 der von ihr ver­leg­ten Zei­tung über die­sen Vor­gang un­ter vol­ler Na­mens­nen­nung der Kläge­rin wie folgt:

"Die vierte Ge­walt
taz-Chefin lässt Buch stop­pen B. M., die Chef­re­dak­teu­rin der taz, hat das Buch "Die vierte Ge­walt" stop­pen las­sen, in dem sich ein In­ter­view mit ihr be­fin­det. Die Au­to­ren ver­sam­meln in ih­rem Band In­ter­views mit 26 Me­di­en­leu­ten, die sie nach ih­ren pro­fes­sio­nel­len Maßstäben und pri­va­ten An­sich­ten be­fra­gen. Über die Au­to­ri­sie­rung des Ge­sprächs mit B. M. kam es zum Streit. Die taz-Chef­re­dak­teu­rin fühlte sich von den Au­to­ren schlecht be­han­delt, wie sie im Ge­spräch mit die­ser Zei­tung sagte. Die Au­to­ren wie­derum ver­wie­sen dar­auf, dass M. die Ab­schrift des Ge­sprächs zunächst so­gar ge­lobt habe und erst nach Mo­na­ten Pro­bleme auf­ge­taucht seien. Strit­tig ist zwi­schen den Par­teien die Frage, ob es der ausdrück­li­chen Au­to­ri­sie­rung B. Ms. be­durfte, um das In­ter­view ab­dru­cken zu können oder nicht. Das ist vor dem Hin­ter­grund, dass die taz vor fünf Jah­ren eine Kam­pa­gne ge­gen den Au­to­ri­sie­rungs­wahn bei Pres­se­in­ter­views be­trieb, nicht ohne Pi­kan­te­rie. Der Ver­lag muss das In­ter­view nun aus dem Buch her­aus­tren­nen."

Mit dem Vor­wurf, die dem Ar­ti­kel zu ent­neh­mende Aus­sage, sie habe die Ab­schrift des Ge­sprächs zunächst ge­lobt und erst nach Mo­na­ten seien Pro­bleme auf­ge­taucht, sei er­weis­lich falsch, weil sie, zeit­lich um­ge­kehrt, zu­erst die Au­to­ri­sie­rung ver­wei­gert und erst dann die Tran­skrip­tion ge­lobt habe, nahm die Kläge­rin die Be­klagte auf Un­ter­las­sung und auf Wi­der­ruf so­wie Ab­druck ei­ner Ge­gen­dar­stel­lung in An­spruch. Die Be­klagte gab die ge­for­derte Un­ter­las­sungs­erklärung ab, wei­gerte sich aber, die Ge­gen­dar­stel­lung ab­zu­dru­cken und den ge­for­der­ten Wi­der­ruf zu erklären. Die Kläge­rin, die diese An­sprüche nicht wei­ter­ver­folgt hat, nimmt die Be­klagte nun­mehr auf Frei­stel­lung von der For­de­rung ih­rer Rechts­anwälte in An­spruch, die durch die an­walt­li­che Gel­tend­ma­chung des Ge­gen­dar­stel­lungs- und des Wi­der­rufs­an­spruchs ent­stan­den sein soll.

AG und LG wie­sen die Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Ein An­spruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG be­steht nicht. Es liegt schon kein Ein­griff in das all­ge­meine Persönlich­keits­recht der Kläge­rin vor.

Zu den Schutzgütern des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts zählt die so­ziale An­er­ken­nung des Ein­zel­nen. Es um­fasst den Schutz des Ein­zel­nen vor Äußerun­gen, die ge­eig­net sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öff­ent­lich­keit aus­zu­wir­ken. Ob eine Äußerung eine sol­che Eig­nung be­sitzt, hängt da­von ab, wel­cher Aus­sa­ge­ge­halt ihr zu­kommt. Bei der not­wen­di­gen Sinn­deu­tung, die in vol­lem Um­fang der Nachprüfung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt un­ter­liegt, ist zu be­ach­ten, dass die Äußerung stets in dem Zu­sam­men­hang zu be­ur­tei­len ist, in dem sie ge­fal­len ist. Sie darf nicht aus dem sie be­tref­fen­den Kon­text her­aus­gelöst ei­ner rein iso­lier­ten Be­trach­tung zu­geführt wer­den.

Da­nach ist die an­ge­grif­fene Be­richt­er­stat­tung nicht ge­eig­net, sich abträglich auf das Bild der Kläge­rin in der Öff­ent­lich­keit aus­zu­wir­ken. Zwar mag es zu­tref­fen, dass der von der Kläge­rin be­an­stan­dete Satz iso­liert be­trach­tet den Ein­druck ver­mit­telt, die Kläge­rin habe sich wi­der­sprüch­lich ver­hal­ten, in­dem sie die Veröff­ent­li­chung ei­nes von ihr ur­sprüng­lich für gut be­fun­de­nen Bei­trags plötz­lich aus nicht wei­ter nach­voll­zieh­ba­ren Mo­ti­ven ver­hin­dert habe, was auf die - ge­rade in der be­ruf­li­chen Po­si­tion der Kläge­rin - ne­ga­ti­ven Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten der Un­zu­verlässig­keit und der Wan­kelmütig­keit hin­deu­ten könnte. Im Ge­samt­zu­sam­men­hang des Ar­ti­kels tritt die­ser Aus­sa­ge­ge­halt aber völlig in den Hin­ter­grund.

Aus der maßgeb­li­chen Sicht des Durch­schnitts­empfängers ist Ge­gen­stand des Ar­ti­kels die - zunächst neu­trale - Dar­stel­lung ei­nes Streits über die Au­to­ri­sie­rung des von der Kläge­rin ge­ge­be­nen In­ter­views. Hierzu wer­den dem Le­ser die un­ter­schied­li­chen Po­si­tio­nen der Kläge­rin ei­ner­seits und der Au­to­ren des Bu­ches "Die vierte Ge­walt" an­de­rer­seits mit­ge­teilt. Daran anknüpfend wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sich die Kläge­rin mit ih­rem Ver­hal­ten in Wi­der­spruch zu ei­ner von "ih­rer" Zei­tung be­trie­be­nen "Kam­pa­gne ge­gen den Au­to­ri­sie­rungs­wahn bei Pres­se­in­ter­views" setzt.

Hierin liegt der ei­gent­li­che im Ar­ti­kel ge­genüber der Kläge­rin er­ho­bene Vor­wurf. Er knüpft al­leine daran an, dass die Kläge­rin durch die Ver­wei­ge­rung der Au­to­ri­sie­rung ei­nes von ihr ge­ge­be­nen In­ter­views des­sen Veröff­ent­li­chung ver­hin­dert hat, sie sich also, wenn es um sie persönlich geht, in ei­ner Weise verhält, die ge­rade von "ih­rer" Zei­tung im Rah­men ei­ner "Kam­pa­gne" kri­ti­siert wurde. Die­ser Vor­wurf ist aber völlig un­abhängig von der Frage, in wel­cher zeit­li­chen Rei­hen­folge sie ei­ner­seits die Au­to­ri­sie­rung ver­wei­gert und an­de­rer­seits die Tran­skrip­tion ge­lobt hat.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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