Der Sachverhalt:
Die Klägerin wird im Streitjahr 2011 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie ist zusammen mit ihren beiden Geschwistern Miterbin nach ihrem verstorbenen Vater (V). Dieser hatte sein Steuerberatungsbüro im Dezember 2007 veräußert und sollte als Gegenleistung ab Januar 2008 mtl. 4.000 € für die Dauer von zehn Jahren erhalten. Falls er vor Ablauf der Vertragsdauer versterben sollte, war ein Kaufpreis i.H.v. 480.000 € vereinbart. Seine Erben sollten den Kaufpreis abzgl. der bereits geleisteten mtl. Vergütungen in drei gleichen Jahresraten erhalten. Eine andere Zahlungsweise konnte vereinbart werden.
Im Einkommensteuerbescheid der Klägerin für 2011 berücksichtigte das Finanzamt erklärungsgemäß die von der Klägerin auf ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit bezahlte Kirchensteuer. Im Einspruchsverfahren begehrte sie unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH 10.4.2003, XI R 54/99) den zusätzlichen Ansatz weiterer Sonderausgaben i.H.v. einem Drittel der für das Jahr 2007 geleisteten Kirchensteuernachzahlung i.H.v. rd. 9.200 €, mithin rd. 3.100 €. Im Klageverfahren beschränkte die Klägerin ihr Begehren auf die zusätzliche Anerkennung von Sonderausgaben i.H.v. rd. 2.600 €.
Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht erkannt, dass der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG ein weiterer Sonderausgabenabzug i.H.v. rd. 2.600 € zusteht.
Da die Berücksichtigung der von der Klägerin gezahlten Kirchensteuer als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten nicht in Betracht kommt, ist sie nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgabe abziehbar. Eine teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts ist angesichts der wirtschaftlichen Belastung der Klägerin durch die Kirchensteuerzahlung nicht angemessen. Nach § 1922 Abs. 1 BGB ging mit dem Tod des V dessen Vermögen als Ganzes auf dessen Erben, die Klägerin und ihre Geschwister, über. § 1967 Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Erben, somit also auch die Klägerin, für die Nachlassverbindlichkeiten haften.
Als Erbin ist die Klägerin damit mit dem Erbfall in die steuerschuldrechtliche Position des Erblassers eingetreten (§ 45 Abs. 1 AO) und sie wurde selbst Steuerschuldnerin hinsichtlich der von V hinterlassenen Steuerrückstände. Da vorliegend weder Nachlassverwaltung angeordnet noch das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, der Klägerin weder die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) noch die Einrede der Überbeschwerung (§ 1992 BGB) zusteht, hatte sie für die Kirchensteuer als Nachlassverbindlichkeit unbeschränkt, also nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit ihrem Eigenvermögen einzustehen.
Der BFH hat bereits im Urteil vom 5.2.1960 (VI 204/59 U) erkannt, dass die Kirchensteuer, die ein Steuerpflichtiger in seiner Eigenschaft als Erbe entrichtet, als Sonderausgabe abziehbar ist, und damit das BFH-Urteil vom 1.3.1957 (VI 57/55 U) die Vermögensteuer betreffend bestätigt. Im Urteil vom 16.5.2001 (I R 76/99) hat der I. Senat des BFH die Rechtsprechung zum Sonderausgabenabzug des Erben für den Erblasser treffende Vermögen- und Kirchensteuer bestätigt und ausgeführt, Besteuerungsmerkmale, die (nur) in der Person des Erblassers begründet seien, würden auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anweisung bei der Besteuerung des Erben berücksichtigt. Auch der Große Senat des BFH hat nach der Änderung der Rechtsprechung zum Eintritt des Erben in den Verlustabzug nach § 10d EStG ausdrücklich an dieser Rechtsprechung festgehalten.
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