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StaRUG: Top oder Flop?

Am 01.01.2021 wurde in Deutsch­land ein neues Re­struk­tu­rie­rungs­re­gime eta­bliert. Der sog. Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­men stellt ein (teil-)kol­lek­ti­ves Ver­fah­ren zur Re­struk­tu­rie­rung von Un­ter­neh­men zur Verfügung. Er soll als Al­ter­na­tive zu einem In­sol­venz­plan­ver­fah­ren von Un­ter­neh­men in wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten ge­nutzt wer­den können. Da­mit wurde die Lücke zwi­schen der „freien“ Sa­nie­rung und einem In­sol­venz­ver­fah­ren ge­schlos­sen. Nach drei Jah­ren StaRUG-Ver­fah­ren in der prak­ti­schen An­wen­dung stel­len wir Jan Hen­rik Groß, Rechts­an­walt, Re­struk­tu­rie­rungs­ex­perte und Part­ner bei RSM Eb­ner Stolz, u. a. die Frage, ob das neue Ver­fah­ren, das zunächst nur lang­sam Ein­zug ge­hal­ten hat, zwi­schen­zeit­lich in der Pra­xis an­ge­kom­men ist und ob es als Al­ter­na­tive zur Un­ter­neh­mens­sa­nie­rung an­ge­nom­men wird.

Doch zunächst nochmals zu den Grundlagen. Welches Ziel wird mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen verfolgt?

Der Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­men eröff­net dro­hend zah­lungs­unfähi­gen Un­ter­neh­men die Möglich­keit zur fi­nanz­wirt­schaft­li­chen Sa­nie­rung. Be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men wer­den ver­schie­dene In­stru­mente zur Verfügung ge­stellt, die mo­du­lar an­ge­wen­det wer­den können. Mit Hilfe ei­nes ein­fa­chen und fle­xi­blen Sys­tems soll die Sa­nie­rung möglichst „still“, d. h. wei­test­ge­hend un­ter Aus­schluss der Öff­ent­lich­keit um­ge­setzt wer­den können.

Ist das StaRUG damit eine echte Alternative zu einem klassischen Insolvenzverfahren?

Nein, das StaRUG-Ver­fah­ren knüpft vor einem In­sol­venz­ver­fah­ren an. Mit dem StaRUG wurde ein Rechts­rah­men für eine in­sol­venz­ab­wen­dende Sa­nie­rung ge­schaf­fen. Un­ter­neh­men können sich da­durch auf der Grund­lage ei­nes von den Gläubi­gern mehr­heit­lich an­ge­nom­me­nen Re­struk­tu­rie­rungs­plans sa­nie­ren. Der Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­men ist also kein In­sol­venz­ver­fah­ren, son­dern ein struk­tu­rier­tes Re­or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­fah­ren.

Beim StaRUG-Verfahren muss man also frühzeitig agieren - was ist der besondere Vorteil dieses Verfahrens?

An­ders als in einem In­sol­venz­plan­ver­fah­ren sind beim StaRUG-Ver­fah­ren nicht un­be­dingt alle Gläubi­ger be­trof­fen. Viel­mehr ist es möglich, das Ver­fah­ren auf ein­zelne Gläubi­ger­grup­pen, wie bspw. Fi­nanzgläubi­ger, zu be­schränken. Zu­dem be­steht der Charme des Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­mens in sei­nem mo­du­la­ren Auf­bau. So können flan­kie­rend ge­richt­li­che Sta­bi­li­sie­rungsmaßnah­men, insb. Voll­stre­ckungs- und Ver­wer­tungs­sper­ren, an­ge­ord­net wer­den. Und schließlich las­sen sich die Aus­wir­kun­gen des Sa­nie­rungs­pro­zes­ses auf den lau­fen­den Ge­schäfts­be­trieb fle­xi­bler ge­stal­ten und steu­ern als in einem In­sol­venz­plan­ver­fah­ren.

Das StaRUG-Verfahren wurde eingeführt, um freie Sanierungen zu erleichtern. Warum war das erforderlich?

Freie Sa­nie­run­gen schei­tern häufig an dem er­for­der­li­chen ein­stim­mi­gen Wil­len der Sta­ke­hol­der. Dann muss ein förm­li­ches Sa­nie­rungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wer­den. Das liegt daran, dass in Sa­nie­rungs­si­tua­tio­nen ein­zelne Ver­trags­part­ner re­gelmäßig nicht in Vor­leis­tung ge­hen wol­len, son­dern ih­ren Bei­trag un­ter den Vor­be­halt der Zu­stim­mung al­ler an­de­rer Sta­ke­hol­der stel­len. Das führt dazu, dass ein ein­zel­ner Sta­ke­hol­der eine freie Sa­nie­rung durch sein Veto zum Schei­tern brin­gen kann. Ein der­ar­ti­ges Blo­cka­de­po­ten­tial kann mit dem Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­men über­wun­den wer­den. Wenn da­mit zu rech­nen ist, dass ein­zelne Gläubi­ger oder Gläubi­ger­grup­pen aus Ei­gen­nutz eine ob­jek­tiv sinn­volle Sa­nie­rung ver­hin­dern, sollte man frühzei­tig über den Ein­satz des Re­struk­tu­rie­rungs­rah­mens nach­den­ken. In der Pra­xis hat sich so­gar ge­zeigt, dass al­lein schon das Dro­hen mit dem Ein­satz des Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­mens die Ver­hand­lun­gen von Sa­nie­rungsmaßnah­men er­leich­tern kann.

Was sind also die entscheidenden Vorteile dieses Instruments?

Der Re­struk­tu­rie­rungs­rah­men kann be­reits al­lein auf­grund sei­nes „Droh­po­ten­ti­als“ dazu bei­tra­gen, dass Un­ter­neh­men in ei­ner Sa­nie­rung we­ni­ger er­press­bar sind. Auch setzt er nicht das ge­samte Re­gime der In­sol­venz­ord­nung in Gang, er kann auf ein­zelne Gläubi­ger­grup­pen be­schränkt wer­den und es be­steht in­ner­halb der Gruppe kein Ein­stim­mig­keits­er­for­der­nis mehr. Zu­dem kann er weit­ge­hend un­ter Aus­schluss der Öff­ent­lich­keit er­fol­gen und bie­tet ein höheres Maß an Fle­xi­bi­lität.

Hand auf’s Herz. Trotz dieser Vorteile hat es noch nicht allzu viele StaRUG-Verfahren gegeben. Nach unseren Informationen wurden 2021 lediglich 22 Verfahren und 2022 27 Verfahren an den 24 Restrukturierungsgerichten in Deutschland geführt. 2023 wurden nun immerhin doppelt so viele Verfahren geführt wie im Vorjahr. Woran liegt es, dass StaRUG-Verfahren zunächst so zögerlich angestoßen wurden?

Tatsäch­lich sind der An­wen­dung des StaRUG auch Gren­zen ge­setzt. Der Ge­setz­ge­ber hat klar­ge­stellt, dass die Sa­nie­rung ei­nes Recht­strägers kein Selbst­zweck ist. Sie bleibt ein In­stru­ment zur Ver­wirk­li­chung der Gläubi­ger­in­ter­es­sen. Ob der Sa­nie­rungs­weg ein­zu­schla­gen ist oder nicht, soll auch wei­ter­hin in ers­ter Li­nie von den­je­ni­gen zu ent­schei­den sein, die die Sa­nie­rung über ihre Beiträge mit­fi­nan­zie­ren, das heißt den Gläubi­gern. Und: Ge­gen die Mehr­heit der Gläubi­ger muss jede Sa­nie­rung schei­tern.

Dann kommen doch wieder die klassischen Insolvenzverfahren ins Spiel?

Insb. bei ei­ner Sa­nie­rung des Un­ter­neh­mens, bei der ne­ben den fi­nanz­wirt­schaft­li­chen auch leis­tungs­wirt­schaft­li­che Maßnah­men er­for­der­lich sind, die nicht kon­sen­sual durch­ge­setzt wer­den können, dürfte das In­sol­venz­plan­ver­fah­ren (in Ei­gen­ver­wal­tung) zielführen­der sein. Das ist etwa der Fall, wenn sich das Un­ter­neh­men ge­gen den Wil­len von Ver­mie­tern von Miet­verträgen tren­nen will oder ar­beits­recht­li­che Maßnah­men er­for­der­lich wer­den. Hierzu sieht nämlich der Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­men keine Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten vor.

Auch ist die An­wen­dung des Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­mens dann meist aus­ge­schlos­sen, wenn die Krise be­reits vor­an­ge­schrit­ten ist. Denn das Un­ter­neh­men muss dafür noch über aus­rei­chende Li­qui­dität verfügen.

Lieber Jan, vielen Dank für das Gespräch.

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