Doch zunächst nochmals zu den Grundlagen. Welches Ziel wird mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen verfolgt?
Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen eröffnet drohend zahlungsunfähigen Unternehmen die Möglichkeit zur finanzwirtschaftlichen Sanierung. Betroffenen Unternehmen werden verschiedene Instrumente zur Verfügung gestellt, die modular angewendet werden können. Mit Hilfe eines einfachen und flexiblen Systems soll die Sanierung möglichst „still“, d. h. weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit umgesetzt werden können.
Ist das StaRUG damit eine echte Alternative zu einem klassischen Insolvenzverfahren?
Nein, das StaRUG-Verfahren knüpft vor einem Insolvenzverfahren an. Mit dem StaRUG wurde ein Rechtsrahmen für eine insolvenzabwendende Sanierung geschaffen. Unternehmen können sich dadurch auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans sanieren. Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ist also kein Insolvenzverfahren, sondern ein strukturiertes Reorganisationsverfahren.
Beim StaRUG-Verfahren muss man also frühzeitig agieren - was ist der besondere Vorteil dieses Verfahrens?
Anders als in einem Insolvenzplanverfahren sind beim StaRUG-Verfahren nicht unbedingt alle Gläubiger betroffen. Vielmehr ist es möglich, das Verfahren auf einzelne Gläubigergruppen, wie bspw. Finanzgläubiger, zu beschränken. Zudem besteht der Charme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in seinem modularen Aufbau. So können flankierend gerichtliche Stabilisierungsmaßnahmen, insb. Vollstreckungs- und Verwertungssperren, angeordnet werden. Und schließlich lassen sich die Auswirkungen des Sanierungsprozesses auf den laufenden Geschäftsbetrieb flexibler gestalten und steuern als in einem Insolvenzplanverfahren.
Das StaRUG-Verfahren wurde eingeführt, um freie Sanierungen zu erleichtern. Warum war das erforderlich?
Freie Sanierungen scheitern häufig an dem erforderlichen einstimmigen Willen der Stakeholder. Dann muss ein förmliches Sanierungsverfahren eingeleitet werden. Das liegt daran, dass in Sanierungssituationen einzelne Vertragspartner regelmäßig nicht in Vorleistung gehen wollen, sondern ihren Beitrag unter den Vorbehalt der Zustimmung aller anderer Stakeholder stellen. Das führt dazu, dass ein einzelner Stakeholder eine freie Sanierung durch sein Veto zum Scheitern bringen kann. Ein derartiges Blockadepotential kann mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen überwunden werden. Wenn damit zu rechnen ist, dass einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen aus Eigennutz eine objektiv sinnvolle Sanierung verhindern, sollte man frühzeitig über den Einsatz des Restrukturierungsrahmens nachdenken. In der Praxis hat sich sogar gezeigt, dass allein schon das Drohen mit dem Einsatz des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens die Verhandlungen von Sanierungsmaßnahmen erleichtern kann.
Was sind also die entscheidenden Vorteile dieses Instruments?
Der Restrukturierungsrahmen kann bereits allein aufgrund seines „Drohpotentials“ dazu beitragen, dass Unternehmen in einer Sanierung weniger erpressbar sind. Auch setzt er nicht das gesamte Regime der Insolvenzordnung in Gang, er kann auf einzelne Gläubigergruppen beschränkt werden und es besteht innerhalb der Gruppe kein Einstimmigkeitserfordernis mehr. Zudem kann er weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen und bietet ein höheres Maß an Flexibilität.
Hand auf’s Herz. Trotz dieser Vorteile hat es noch nicht allzu viele StaRUG-Verfahren gegeben. Nach unseren Informationen wurden 2021 lediglich 22 Verfahren und 2022 27 Verfahren an den 24 Restrukturierungsgerichten in Deutschland geführt. 2023 wurden nun immerhin doppelt so viele Verfahren geführt wie im Vorjahr. Woran liegt es, dass StaRUG-Verfahren zunächst so zögerlich angestoßen wurden?
Tatsächlich sind der Anwendung des StaRUG auch Grenzen gesetzt. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass die Sanierung eines Rechtsträgers kein Selbstzweck ist. Sie bleibt ein Instrument zur Verwirklichung der Gläubigerinteressen. Ob der Sanierungsweg einzuschlagen ist oder nicht, soll auch weiterhin in erster Linie von denjenigen zu entscheiden sein, die die Sanierung über ihre Beiträge mitfinanzieren, das heißt den Gläubigern. Und: Gegen die Mehrheit der Gläubiger muss jede Sanierung scheitern.
Dann kommen doch wieder die klassischen Insolvenzverfahren ins Spiel?
Insb. bei einer Sanierung des Unternehmens, bei der neben den finanzwirtschaftlichen auch leistungswirtschaftliche Maßnahmen erforderlich sind, die nicht konsensual durchgesetzt werden können, dürfte das Insolvenzplanverfahren (in Eigenverwaltung) zielführender sein. Das ist etwa der Fall, wenn sich das Unternehmen gegen den Willen von Vermietern von Mietverträgen trennen will oder arbeitsrechtliche Maßnahmen erforderlich werden. Hierzu sieht nämlich der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen keine Gestaltungsmöglichkeiten vor.
Auch ist die Anwendung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens dann meist ausgeschlossen, wenn die Krise bereits vorangeschritten ist. Denn das Unternehmen muss dafür noch über ausreichende Liquidität verfügen.