Wieder mal hatte der EuGH (Urteil vom 21.3.2018, Rs. C-533/16, Volkswagen AG, DStR 2018, S. 676) über die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung und deren Konsequenzen für den Vorsteuerabzug zu entscheiden. Im Urteilsfall ging es um eine Rechnungsberichtigung, bei der erst Jahre nach der Lieferung nachträglich erstmalig Mehrwertsteuer offen in einer Rechnung ausgewiesen und erst dann vom Leistungsempfänger entrichtet wurde. Der Leistungsempfänger wollte die Vorsteuer im Vorsteuervergütungsverfahren geltend machen. Die slowakische Finanzbehörde verweigerte die Erstattung mit Verweis auf die Ausschlussfrist, die ihrer Ansicht nach bereits im Zeitpunkt der Lieferung zu laufen begonnen habe und daher vor Stellung des Erstattungsantrags abgelaufen sei.
Der EuGH ist dieser Sichtweise in seinem Urteil entgegengetreten. Unter den Umständen des Sachverhalts war die Ausübung des Vorsteuerabzugs für den Leistungsempfänger objektiv unmöglich, da dieser weder im Besitz der Rechnung war, noch Kenntnis von einer entstandenen Mehrwertsteuerschuld hatte. Da darüber hinaus weder ein Mangel an Sorgfalt des Leistungsempfängers noch ein Missbrauch oder kollusives Verhalten mit dem Lieferanten vorlag, konnte dem Leistungsempfänger das Recht auf Vorsteuerabzug mit Verweis auf eine zum Zeitpunkt der Berichtigung bereits abgelaufenen Ausschlussfrist nicht versagt werden.
Hinweis
Die Verneinung der Rückwirkung bei erstmals offenem Umsatzsteuerausweis ist gerade mit Blick auf die strengen Ausschlussfristen in Vorsteuervergütungsverfahren zu begrüßen. Die insoweit durch den EuGH aufgestellten Grundsätze sind auch in Übereinstimmung mit der Auslegung durch den BFH und die deutsche Finanzverwaltung, wonach der erstmalige Vorsteuerabzug das Vorliegen einer Rechnung mit offenem Umsatzsteuerausweis erfordert. Dennoch bleiben Fragen unbeantwortet bzw. werden neue Fragen aufgeworfen. So lässt sich der Entscheidung des EuGH nicht eindeutig entnehmen, in welcher Periode der Vorsteuerabzug zu gewähren ist (Leistungsbezug oder Rechnungserhalt). Weiterhin betont der EuGH in der Entscheidung, dass Volkswagen der Vorsteuerabzug vorher objektiv unmöglich war, da Volkswagen weder im Besitz der Rechnungen war, noch von der Mehrwertsteuerschuld wusste. Soweit die Kenntnis von der Mehrwertsteuerschuld eine entsprechende Rechnungsstellung mit offenem Mehrwertsteuerausweis voraussetzt, wäre dies für den Rechnungsempfänger risikolos, anderenfalls könnten Leistungsempfänger zukünftig gezwungen sein, den Rechnungssteller auf Fehler bei der Rechnungsstellung hinzuweisen. Insoweit müssen die weitere Rechtsprechung und die Auslegungen durch die nationalen Finanzverwaltungen abgewartet werden.