deen

Aktuelles

Steuerbefreiung für als Arzneimittel zugelassene Alkohol-Wasser-Mischungen

BFH 5.5.2015, VII R 22/14

Der Aus­schluss als Arz­nei­mit­tel zu­ge­las­se­ner rei­ner Al­ko­hol-Was­ser-Mi­schun­gen in § 132 Abs. 1 Nr. 1 Branntw­MonG a.F. und § 152 Abs. 1 Nr. 1 Branntw­MonG verstößt ge­gen Uni­ons­recht. Ein An­spruch, den zur Her­stel­lung sol­cher Arz­nei­mit­tel ver­wen­de­ten Brannt­wein von der Steuer zu be­freien, er­gibt sich aus ei­ner un­mit­tel­ba­ren An­wen­dung des Art. 27 Abs. 1d Richt­li­nie 92/83/EWG.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin stellt homöopa­ti­sche Arz­nei­mit­tel her und veräußert diese. Seit 1993 be­sitzt sie eine Er­laub­nis nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 des Ge­set­zes über das Brannt­wein­mo­no­pol (Branntw­MonG a.F.), Brannt­wein un­vergällt zu be­zie­hen und zur Her­stel­lung von Arz­nei­mit­teln i.S.d. § 2 AMG zu ver­wen­den. Un­ter Vergällung ver­steht man das Verändern des natürli­chen Ge­ruchs.

Zwi­schen De­zem­ber 2009 und No­vem­ber 2010 be­zog die Kläge­rin un­ver­steu­er­ten und un­vergäll­ten Brannt­wein, den sie für die Her­stel­lung ei­ner Al­ko­hol-Was­ser-Mi­schung (15 % m/m) als Arz­neiträger ver­wen­dete; diese Mi­schung gab sie zwecks Wei­ter­ver­ar­bei­tung zu homöopa­thi­schen Arz­nei­mit­teln an ein Un­ter­neh­men ab. Außer­dem ver­wen­dete sie einen Teil des be­zo­ge­nen Brannt­weins für die Her­stel­lung ei­ner Al­ko­hol-Was­ser-Mi­schung (70 % V/V), die sie ei­ner Firma lie­ferte, die das Pro­dukt als Des­in­fek­ti­ons­mit­tel ver­trieb. Diese Mi­schung war als Arz­nei­mit­tel für Zwecke der Kühlung zu­ge­las­sen. Schließlich setzte die Kläge­rin noch einen Teil des un­vergäll­ten Brannt­weins zur Her­stel­lung ei­ner Al­ko­hol-Was­ser-Mi­schung (70 % vol) ein, mit der sie die Kon­fek­tio­nie­rungs­an­lage spülte.

Das Haupt­zoll­amt war der An­sicht, dass in al­len drei Fällen die Brannt­wein­steuer ent­stan­den sei. Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Kläge­rin steht ein An­spruch auf Steu­er­be­frei­ung für den zur Her­stel­lung der als Arz­nei­mit­tel zu­ge­las­se­nen Al­ko­hol-Was­ser-Mi­schung ver­wen­de­ten un­vergäll­ten Brannt­wein aus Art. 27 Abs. 1d Al­ko­hol­struk­tur­richt­li­nie zu.

Der Aus­schluss als Arz­nei­mit­tel zu­ge­las­se­ner rei­ner Al­ko­hol-Was­ser-Mi­schun­gen in § 132 Abs. 1 Nr. 1 Branntw­MonG a.F. und § 152 Abs. 1 Nr. 1 Branntw­MonG verstößt ge­gen Uni­ons­recht. Der zur Her­stel­lung des Arz­nei­mit­tels ver­wen­dete Ethyl­al­ko­hol ist zwin­gend von der har­mo­ni­sier­ten Ver­brauch­steuer zu be­freien. Die­ser An­spruch er­gibt sich aus ei­ner un­mit­tel­ba­ren An­wen­dung des Art. 27 Abs. 1d Richt­li­nie 92/83/EWG. Der Aus­schluss der Steu­er­be­frei­ung lässt sich auch nicht durch die Ermäch­ti­gung in Art. 27 Abs. 1 Al­ko­hol­struk­tur­richt­li­nie le­gi­ti­mie­ren, nach der die Mit­glied­staa­ten die von dem Rechts­akt er­fass­ten Er­zeug­nisse von der har­mo­ni­sier­ten Ver­brauch­steuer nach Maßgabe von Be­din­gun­gen be­freien, die sie zur Si­cher­stel­lung ei­ner kor­rek­ten und ein­fa­chen An­wen­dung sol­cher Steu­er­be­frei­un­gen so­wie zur Ver­mei­dung von Steu­er­flucht, Steu­er­hin­ter­zie­hung oder Miss­brauch fest­le­gen.

Für die­ses Rechts­verständ­nis spre­chen etwa die Ausführun­gen des EuGH zum na­tio­nal-recht­li­chen Aus­schluss uni­ons­recht­lich fest­ge­leg­ter ob­li­ga­to­ri­scher Mehr­wert­steuer- und En­er­gie­steu­er­be­frei­un­gen. Zwar können die zur Mehr­wert­steuer er­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen des EuGH nicht ohne Wei­te­res auf das Ver­brauch­steu­er­recht über­tra­gen wer­den, doch sind ih­nen Aus­sa­gen zu den all­ge­mei­nen Grundsätzen der Rechts­si­cher­heit und der Verhält­nismäßig­keit zu ent­neh­men. Da­bei ist zu berück­sich­ti­gen, dass die in Art. 27 Abs. 1 Al­ko­hol­struk­tur­richt­li­nie nor­mierte Ermäch­ti­gung den Re­ge­lun­gen in Art. 14 Abs. 1 und Art. 28c Teil A Buchst. a Un­ter­abs. 1 der Sechs­ten Richt­li­nie zur Har­mo­ni­sie­rung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Um­satz­steu­ern (77/388/EWG) nach­ge­bil­det ist, die die Steu­er­be­frei­un­gen in Fällen der Ein­fuhr und der in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung be­tref­fen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zum Voll­text zu ge­lan­gen, kli­cken Sie bitte hier.
nach oben