Der Sachverhalt:
Nachdem alle Auflagen erfüllt worden waren, setzte das Finanzamt gegenüber dem Kläger für den Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Grundstück A., ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 144.000 €, letztlich Grunderwerbsteuer i.H.v. 2.665 € fest. Es war der Ansicht, es handle sich wegen der Übernahme der grundbuchrechtlichen Belastungen um eine Schenkung unter einer Auflage, deren Wert die Bereicherung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mindere. Daher unterliege nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG der Grundstückserwerb mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer. Als Bemessungsgrundlage zog das Finanzamt ausgehend vom hälftigen Jahreswert des Nießbrauchs einen Betrag von 76.163 € heran.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klag statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Erwerb des Miteigentumsanteils durch den Kläger von seiner Schwester aufgrund einer Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck von der Grunderwerbsteuer befreit ist.
Eine Steuerbefreiung kann aufgrund einer Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck über ihren Gesetzeswortlaut hinaus dann gewährt werden, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Übertragungsweg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären. Dabei kann sich die Steuerfreiheit der unterbliebenen Zwischenerwerbe auch aus der mehrfachen Anwendung derselben Befreiungsvorschrift ergeben.
Der Zusammenschau als Auslegungsmethode sind jedoch Schranken gesetzt. Diese darf immer nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen und darf nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinaus führen. Außerdem darf kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO vorliegen. Die von einem Elternteil durch Auflage in einem notariell beurkundeten Schenkungsvertrag angeordnete unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf das erwerbende Kind stellt sich als abgekürzter Weg einer unentgeltlichen Übertragung des Miteigentumsanteils von dem Elternteil auf das erwerbende Kind dar. Der erste unterbliebene Zwischenerwerb - die Übertragung des Grundstücks von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf den Elternteil - wäre nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG steuerfrei, da das Kind und der Elternteil in gerader Linie verwandt sind. Der zweite unterbliebene Zwischenerwerb - die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks von dem Elternteil auf das erwerbende Kind - wäre wegen des Verwandtschaftsverhältnisses in gerader Linie ebenfalls nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG von der Steuer befreit.
Real verwirklichter Sachverhalt ist hier die von einem Elternteil in einer Auflage angeordnete unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Grundstück von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf das erwerbende Kind. Gleichzeitig trägt die Zusammenschau dem Umstand Rechnung, dass § 3 Nr. 6 GrEStG den im abgekürzten Übertragungsweg verwirklichten Vorgang - die von dem Elternteil veranlasste Schenkung des mit grundbuchrechtlichen Belastungen versehenen Miteigentumsanteils an dem Grundstück an das erwerbende Kind - vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit. Dadurch wird der Sinn und Zweck des § 3 Nr. 6 GrEStG - die grunderwerbsteuerrechtliche Befreiung von Erwerben zwischen Eltern und Kindern - erfüllt.
Wird der Miteigentumsanteil an dem Grundstück unentgeltlich unter Übernahme der im Grundbuch eingetragenen Belastungen übertragen, erfüllt die Zuwendung die Merkmale einer Schenkung unter einer Nutzungs- oder Duldungsauflage. Schenkungsteuerrechtlich liegt eine freigebige Zuwendung des Elternteils an das erwerbende Kind vor. Grunderwerbsteuerrechtlich hat der Gesetzgeber in § 3 Nr. 6 GrEStG Erwerbe zwischen Eltern und Kindern vollständig von der Steuer befreit, unabhängig davon, ob es sich um entgeltliche oder unentgeltliche Erwerbe handelt.
Insoweit geht bei unentgeltlichen Übertragungen unter einer Nutzungs oder Duldungsauflage zwischen Eltern und Kindern als Verwandte in gerader Linie die grunderwerbsteuerrechtliche Befreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG weiter als diejenige nach § 3 Nr. 2 GrEStG. Nach letzterer wären solche unentgeltlichen Übertragungen zwischen Eltern und Kindern nur teilweise von der Grunderwerbsteuer befreit und würden mit dem Wert der bei der Schenkungsteuer abziehbaren Auflagen der Grunderwerbsteuer unterliegen. Liegt - wie hier - ein beachtlicher Grund für den gewählten Übertragungsweg vor, steht der Zusammenschau auch § 42 AO nicht entgegen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.