Zur Entlastung der vom Hochwasser betroffenen Personen wurden zahlreiche steuerliche Maßnahmen beschlossen. Neben Verlautbarungen des Bundesfinanzministeriums haben auch die von der Flutkatastrophe betroffenen Bundesländer Katastrophen-Erlasse veröffentlicht und diese bereits erweitert (Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz). Darin sind zahlreiche Billigkeitsmaßnahmen enthalten.
Erleichterungen für von der Flutkatastrophe Betroffene
Stundung, Vollstreckung, Vorauszahlungen
Unmittelbar und erheblich von den Unwetterschäden betroffene Personen können eine Stundung für zu zahlende Steuern bis 31.01.2022 beantragen. Der Antrag ist spätestens bis zum 31.10.2021 bei der Finanzverwaltung zu stellen. Im Regelfall wird auf Stundungszinsen verzichtet. Auch wird eine Anpassung der Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuervorauszahlungen gewährt.
Die großzügige Handhabung kann für Stundungs- und Anpassungsanträge für bis zum 31.10.2021 fällig werdende Steuern beibehalten werden. Vollstreckungsmaßnahmen sollen bis 31.01.2022 für bis zum 31.10.2021 fällig werdende Steuern ausgesetzt werden. Die in der Zeit vom 14.07.2021 bis 31.01.2022 verwirkten Säumniszuschläge werden erlassen.
Außergewöhnliche Belastungen
Müssen Hausrat und Kleidung wiederbeschafft oder Schäden am eigen genutzten Wohneigentum beseitigt werden, können diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Elementarschadensversicherung besteht oder nicht.
Hinweis: Betroffene können beantragen, dass die außergewöhnlichen Belastungen vom Finanzamt als ein vom Arbeitslohn abzuziehender Freibetrag berücksichtigt wird. Dadurch vermindert sich bereits der Lohnsteuerabzug.
Grundsteuererlass
Wegen wesentlicher Ertragsminderung einer Immobilie kann der Erlass der Grundsteuer bei der jeweiligen Gemeinde beantragt werden. Der Antrag ist bis spätestens bis 31.03.2022 zu stellen.
Verlust von Buchführungsunterlagen
Wurden durch die Flutkatastrophe Buchführungsunterlagen und sonstige Aufzeichnungen vernichtet, werden keine steuerlich nachteiligen Folgen gezogen.
Hinweis: Der Verlust der Unterlagen sollte allerdings zeitnah dokumentiert werden, damit er nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden kann.
Erleichterungen für von der Flutkatastrophe betroffene Unternehmer
Wiederaufbau von Betriebsgebäuden
Aufwendungen zum Wiederaufbau zerstörter Gebäude stellen in der Regel Erhaltungsaufwand dar. Liegen dagegen Herstellungskosten vor, werden Sonderabschreibungen für den Wiederaufbau von Betriebsgebäuden von insgesamt bis zu 30 % im Wirtschaftsjahr der Fertigstellung und den beiden folgenden Wirtschaftsjahren (sog. Begünstigungszeitraum) gewährt.
Für die Ersatzbeschaffung beweglicher Anlagegüter sind Sonderabschreibungen von bis zu insgesamt 50 % in dem oben beschriebenen Begünstigungszeitraum möglich.
Voraussetzung ist jedoch jeweils, dass mit der Ersatzherstellung bzw. Ersatzbeschaffung bis zum Ablauf des dritten dem Wirtschaftsjahr des schädigenden Ereignisses folgenden Wirtschaftsjahres, also spätestens Ende 2024, begonnen wurde.
Für die Ersatzbeschaffung von Anlagegütern kann ausnahmsweise auch in Wirtschaftsjahren vor der Ersatzherstellung bzw. Ersatzbeschaffung eine Rücklage gebildet werden. Dies wird bei außergewöhnlich hohen Teilherstellungskosten oder Anzahlungen zugelassen. Gleiches gilt, wenn die Zulassung von Sonderabschreibungen nicht ausreicht, um die Finanzierung der Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden zu sichern. Die Rücklage darf zusammen 30 % bzw. 50 % der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nicht übersteigen. Sie muss gewinnerhöhend aufgelöst werden, sobald Sonderabschreibungen vorgenommen werden können. Bei Baumaßnahmen muss die Auflösung der Rücklagen spätestens am Schluss des vierten auf den Beginn der Baumaßnahme folgenden Wirtschaftsjahres erfolgen.
Allerdings darf die Gewinnminderung durch Sonderabschreibungen und Rücklagenbildung insgesamt maximal 600.000 Euro bzw. im einzelnen Jahr nicht mehr als 200.000 Euro betragen. Sollen höhere Gewinnminderungen geltend gemacht werden, ist die Zustimmung des BMF erforderlich. Erhalten Geschädigte Zuschüsse oder Entschädigungen, etwa Versicherungsleistungen, bemessen sich die Sonderabschreibungen bzw. Rücklagen nach den um die Entschädigungen verminderten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.
Wiederherstellung von Betriebsgebäuden
Aufwendungen für die Wiederherstellung beschädigter Betriebsgebäude bzw. beweglicher Anlagegüter sind Erhaltungsaufwand, der ohne nähere Prüfung bei einer innerhalb von drei Jahren begonnenen Wiederherstellung anerkannt wird. Für Gebäude dürfen die Aufwendungen nicht mehr als 70.000 Euro betragen, ansonsten ist eine Einzelfallprüfung erforderlich.
Voraussetzung für die Gewährung von Erhaltungsaufwand ist, dass die Aufwendungen erhaltene Entschädigungen übersteigen und keine Absetzung für außergewöhnliche oder wirtschaftliche Abnutzung vorgenommen wurde. Erhaltungsaufwand größeren Umfangs kann auf Antrag gleichmäßig über zwei bis fünf Jahre verteilt werden.
Hinweis: Aufwendungen für die Beseitigung von Hochwasserschäden an Grund und Boden können sofort als Betriebsausgabe abgesetzt werden. Dies gilt auch für Hofbefestigungen und Wirtschaftswege.
Erleichterungen für private Vermieter
Bei vermieteten Gebäuden im Privatvermögen, die durch die Flutkatastrophe ganz oder teilweise zerstört wurden, gelten die oben dargestellten Billigkeitsmaßnahmen für Betriebsgrundstücke entsprechend.
Mit der Herstellung von Gebäuden und der Beseitigung von Schäden an Grund und Boden muss bis Ende 2024 begonnen worden sein.
Arbeitgeberleistungen an betroffene Arbeitnehmer
Beihilfen und Unterstützungsleistungen des Arbeitgebers an betroffene Arbeitnehmer können unter erleichterten Voraussetzungen steuerfrei sein - die in R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 LStR enthaltenen Vorgaben müssen nicht erfüllt sein. Grundsätzlich sind Unterstützungsleistungen bis 600 Euro im Jahr steuerfrei, weitergehende Leistungen erfordern einen besonderen Notfall, der bei dieser Hochwasserkatastrophe vorliegen dürfte.
Zudem können Arbeitgeber ihren geschädigten Arbeitnehmern bis 31.10.2021 unentgeltlich Verpflegung zur Verfügung stellen, und z. B. Fahrzeuge, Wohnungen und Unterkünfte steuerfrei zur Nutzung überlassen. Arbeitgeber können auch steuerfreie Zinszuschüsse und Zinsvorteile bei Darlehen gewähren. Dabei darf das Darlehen die Schadenshöhe nicht übersteigen.
Hinweis: Alle steuerfreien Leistungen müssen im Lohnkonto aufgezeichnet werden, wobei auch die Schädigung durch das Hochwasser zu dokumentieren ist.
Erleichterungen für Unterstützer, Helfer und Betroffene
Vereinfachter Spendenabzug
Spenden müssen grundsätzlich mit einer formellen Zuwendungsbestätigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster nachgewiesen werden, um steuerlich zum Abzug gebracht werden zu können. Für Spenden zugunsten der Opfer der Hochwasserkatastrophe gilt jedoch bis zum 31.10.2021 ein vereinfachter Spendennachweis. Danach ist bei entsprechenden Spenden der von der Bank abgestempelte Einzahlungs- bzw. Überweisungsbeleg, der Kontoauszug oder der PC-Ausdruck bei Online-Banking ausreichend - und zwar ohne die normalerweise hierfür vorgeschriebene betragsmäßige Begrenzung auf 300 Euro.
Der vereinfachte Nachweis genügt für Spenden, die auf spezielle Sonderkonten eingezahlt werden. Spendenzahlungen sollten deshalb entweder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts, z. B. öffentliche Dienststellen von Bund, Länder, Städten und Gemeinden, Kirchen, oder an einen amtlich anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege einschließlich seiner Mitgliedsorganisationen geleistet werden. Die Vereinfachungsregelung gilt auch für Spenden, die noch vor der Errichtung eines Sonderkontos auf ein gewöhnliches Konto bei den genannten Organisationen eingezahlt wurden (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b EStDV). Bei Spenden über ein Treuhandkonto eines Dritten genügt als Nachweis eine auf den Spender ausgestellte Zuwendungsbestätigung des Zuwendungsempfängers.
Arbeitslohnspenden
Arbeitslohnspenden von Arbeitskollegen zugunsten einer Beihilfe des Arbeitgebers an vom Hochwasser betroffene Arbeitnehmer oder zugunsten einer Zahlung des Arbeitgebers auf ein Spendenkonto stellen keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Verzichten Arbeitnehmer auf Teile ihres Arbeitslohnes oder angesammelten Wertguthabens, ist dies im Lohnkonto aufzuzeichnen.
Die Arbeitslohnspende kann der Arbeitnehmer aber nicht nochmals beim Spendenabzug im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung berücksichtigen.
Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen
Laut Pressemitteilung des BMF vom 23.07.2021 wurde u. a. beschlossen, dass Helfende für zahlreiche Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen den Betriebsausgabenabzug erhalten.
Unterstützen Unternehmen ihre von der Flutkatastrophe erheblich betroffenen Geschäftspartner zur Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen durch Leistungen aus seinem Betriebsvermögen, können diese Aufwendungen in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden.
Losgelöst davon können bis 31.10.2021 getätigte Zuwendungen von Unternehmen aus einem Betriebsvermögen an durch das Schadensereignis unmittelbar und erheblich geschädigte Personen bzw. Unternehmen im Rahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr oder der allgemeinen Aufräumarbeiten als Betriebsausgabe abgezogen werden.
Der Empfänger dieser Leistungen muss die Zuwendungen im betrieblichen Bereich als Betriebseinnahme mit dem gemeinen Wert ansetzen.
Zuwendungen als Sponsoring-Maßnahme
Aufwendungen eines Unternehmens können als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn es sich hierbei um Sponsoring handelt. Dies ist auch bei Zuwendungen an Opfer eines Schadensereignisses in Deutschland anerkannt. Voraussetzung ist, dass der Zuwendende durch die Sponsoring-Maßnahme wirtschaftliche Vorteile erstrebt, die in der Sicherung oder Erhöhung seines unternehmerischen Ansehens liegen können. Diese wirtschaftlichen Vorteile können u. a. dadurch erreicht werden, dass der Sponsor öffentlichkeitswirksam, etwa durch Berichterstattung in Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen oder Internet, auf seine Leistungen aufmerksam macht.
Umsatzsteuerliche Billigkeitsregelungen
Zudem hat das BMF mit Schreiben vom 23.07.2021 umsatzsteuerliche Billigkeitsregelungen vorgegeben, wonach u. a. weder die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe noch eine Vorsteuerkorrektur erfolgen müssen, wenn ein Unternehmen Flutopfern oder Helfern Unterkünfte, die für eine umsatzsteuerpflichtige Verwendung vorgesehen waren, samt Nebenleistungen unentgeltlich zur Verfügung stellt. Die Billigkeitsregelung ist befristet bis 31.12.2021. Werden dem Unternehmen zugeordnete Gegenstände zur Bewältigung der unwetterbedingten Schäden eingesetzt, ist bis 31.10.2021 weder eine unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern, noch der Vorsteuerabzug zu berichtigen. Ebenso wird bis 31.10.2021 auf die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe verzichtet, wenn sonstige Leistungen, wie etwa Personalgestellung, unentgeltlich erbracht werden. Bei Sachspenden von bestimmten Gegenständen, wie z. B. Lebensmitteln, vom 15.07.2021 bis 31.10.2021 wird auf die Umsatzbesteuerung verzichtet, ohne dass der Vorsteuerabzug beeinträchtigt wäre.
Hinweis: Die Steuererleichterungen werden unabhängig davon gewährt, ob die zuwendende Person in einem vom Hochwasser betroffenen Land wohnt.
Weiter können von der Flutkatastrophe betroffene Unternehmen einen Antrag auf Herabsetzung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung 2021 bis auf Null stellen, ohne dass die gewährte Dauerfristverlängerung berührt wird.
Steuererleichterungen bei der Einfuhrumsatzsteuer sowie Verbrauch- und Verkehrsteuern
Bereits am 20.07.2021 informierte das BMF darüber, dass für vom Zoll verwaltete Steuern (Einfuhrumsatzsteuer, Verbrauchsteuer, Verkehrsteuer) Steuererleichterungen gewährt werden, wie u. a. die Stundung von fälligen oder bis zum 31.10.2021 fällig werdenden Steuern (mehr dazu lesen Sie hier).
Schenkungsteuerliche Billigkeitsregelungen
Sofern es sich bei den Zuwendungen um Schenkungen handelt, können diese als Zuwendungen für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG steuerfrei sein. Unter den dort genannten Voraussetzungen sind nämlich auch direkt an hilfsbedürftige Personen gerichtete Zuwendungen zur Hilfe im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe steuerbefreit.
Bei Zuwendungen, die bis 31.10.2021 zur Behebung der entstandenen Schäden geleistet werden, unterstellt die Finanzverwaltung die erforderliche Zweckwidmung und Zwecksicherung. Bei bis zu diesem Zeitpunkt geleisteten Schenkungen fällt somit keine Schenkungsteuer an.