Der Sachverhalt:
Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2008 u.a. gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen. Dazu gehörten acht gewerbesteuerpflichtige Kommanditgesellschaften. Nach § 35 Abs. 2 EStG wurden die Anteile der Steuerpflichtigen an den Gewerbesteuermessbeträgen sowie den tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuern gesondert und einheitlich festgestellt.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
§ 35 Abs. 1 S. 5 EStG ist nicht unternehmerbezogen, sondern betriebsbezogen auszulegen. Dies folgt aus einer Zusammenschau der Gesetzesfassung, der Gesetzgebungsgeschichte und des erkennbaren Normwecks.
Durch die Beschränkung auf das 3,8-fache des maßgebenden Gewerbesteuer-Messbetrags kommt es bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb unter Einbeziehung des Solidaritätszuschlages dann und nur dann zu einer vollständigen Entlastung von der Gewerbesteuer, wenn der maßgebende Gewerbesteuer-Hebesatz nicht höher als 400 % ist. Infolge der zusätzlichen Begrenzung auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer in § 35 Abs. 1 S. 5 EStG kann umgekehrt die Minderung der Einkommensteuer nicht höher sein als die tatsächliche Gewerbesteuerbelastung. Niedrigere Hebesätze werden so niemals überkompensiert, während die Kompensation höherer Hebesätze gedeckelt ist.
Besitzt der Steuerpflichtige mehrere gewerbliche Unternehmen oder gewerbliche mitunternehmerische Beteiligungen in unterschiedlichen Gemeinden mit Hebesätzen, die teilweise über, teilweise unter dem Schwellenwert von 400 % liegen, hängt der Entlastungsumfang von dem Verständnis des § 35 Abs. 1 S. 5 EStG ab. Wird die "tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer" auf den einzelnen Betrieb bezogen (betriebsbezogene Auslegung), ist der Steuerermäßigungsbetrag für jeden Betrieb getrennt zu ermitteln und entweder durch das 3,8-fache des jeweiligen Gewerbesteuer-Messbetrags oder bei niedrigeren Hebesätzen durch die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer begrenzt. Treffen in der Hand eines Steuerpflichtigen Betriebe bzw. Beteiligungen mit Sitz in Niedrighebesatz- und Hochhebesatzgemeinden zusammen, bleibt es für Niedrighebesatzgemeinden bei der Abziehbarkeit der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer. Für Hochhebesatzgemeinden ist die Differenz zwischen dem 3,8-fachen des Gewerbesteuer-Messbetrags und der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer für die Steuerermäßigung nach § 35 EStG verloren.
Wird die "tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer" hingegen auf den Steuerpflichtigen bezogen (unternehmerbezogene Auslegung), so ist der Höchstbetrag für alle Betriebe oder Mitunternehmeranteile des Steuerpflichtigen gemeinsam zu ermitteln. Die Addition der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer in Niedrighebesatz- und Hochhebesatzgemeinden kann Verrechnungsvolumen schaffen, das ggf. eine Entlastung bis hin zum 3,8 -fachen aller Gewerbesteuer-Messbeträge erlaubt. Bereits die Fassung des Gesetzes spricht für ein betriebsbezogenes Verständnis. Und auch die gesetzliche Systematik, in die § 35 Abs. 1 S. 5 EStG eingebettet ist, fordert eine betriebsbezogene Betrachtung. Wenn auch in § 35 EStG betriebsbezogene und personenbezogene Elemente zusammentreffen, so prägen doch die betriebsbezogenen Elemente den Charakter der Vorschrift.
Wenn auch eindeutige Aussagen des historischen Gesetzgebers zu dem Verständnis des § 35 Abs. 1 S. 5 EStG fehlen, so bestätigt die Gesetzgebungsgeschichte doch die betriebsbezogene Grundstruktur der Vorschrift, aufgrund derer einzelne Elemente der Norm im Zweifel betriebsbezogen zu verstehen sind. Schließlich gewährleistet nur eine betriebsbezogene Auslegung das gesetzgeberische Ziel des § 35 EStG, eine Entlastung der gewerblichen Einkünfte in den dort definierten Grenzen zu bewirken. Denn sie vermeidet einkommensteuerliche Belastungsdifferenzen, die auf Umständen allein in der Person des Steuerpflichtigen beruhen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.