In inländischen Unternehmen erwirtschaftete Werte sollen in Deutschland versteuert werden - soweit der berechtigte Grundsatz, den der Gesetzgeber durch Steuerrechtsänderungen, konkret durch die Einführung und die Erweiterung des § 50i EStG in den beiden letzten Jahren, aufrechterhalten möchte. Doch lösen diese Maßnahmen als wohl nicht beabsichtigten Nebeneffekt enorme Rechtsunsicherheit aus.
Dazu ein Beispiel: Dem Unternehmensnachfolger wurde bereits frühzeitig eine Beteiligung an der Unternehmensgruppe eingeräumt, indem auf ihn Anteile an der Obergesellschaft, einer rein vermögensverwaltend tätigen GmbH und Co. KG, übertragen wurden. Hält er sich längerfristig im Ausland auf, etwa um dort zu studieren oder erste Berufserfahrungen zu sammeln, können wirtschaftlich sinnvolle oder gar notwendige Umstrukturierungen, wie z. B. die Einbringung des Unternehmens in ein anderes Unternehmen, aber auch Schenkungen oder Erbschaften in der Folgezeit zu hohen steuerlichen Belastungen führen.
Konkret geht es um Fälle, in denen im ersten Schritt Anteile an einer Kapitalgesellschaft oder andere Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens steuerneutral in eine nicht gewerblich tätige, aber auf Grund ihrer Gesellschaftsstruktur als gewerblich geltende Personengesellschaft eingebracht wurden. Dabei handelt es sich um eine klassische mittelständische Unternehmensstruktur, in der z. B. die Produktionsgesellschaft und die Vertriebsgesellschaft von einer Holding in der Rechtsform der GmbH & Co. KG gehalten werden, die lediglich diese Anteile verwaltet. Im nächsten Schritt zieht der Gesellschafter in einen Staat, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat.
Nach geänderter Auffassung der Finanzgerichte, der nun auch die Finanzverwaltung folgt, sind in den eingebrachten Anteilen oder Wirtschaftsgütern ruhende Wertsteigerungen bei Wegzug aus Deutschland zu versteuern. Andernfalls geht das Besteuerungssubstrat verloren. Dies zu verhindern, ist Aufgabe des § 50i EStG, der in seiner ursprünglichen Form am 29.6.2013 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. In allen Fällen, in denen die Einbringung von Anteilen oder anderen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG vor dem 29.6.2013 erfolgte - sei es erst kurz vor diesem Stichtag oder auch bereits vor Jahrzehnten - und der Wegzug nach der früheren Auffassung keine Besteuerung auslöste, unterliegt ein späterer Verkauf der Anteile, Wirtschaftsgüter oder auch der Beteiligung an der GmbH & Co. KG der Besteuerung in Deutschland. Dem soll auch eine anderslautende Regelung eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht entgegenstehen.
Nach dem 2014 deutlich ausgeweiteten Wortlaut der Vorschrift führt nun aber u. a. auch die Einbringung der GmbH & Co. KG in eine Kapital- oder Personengesellschaft oder die unentgeltliche Übertragung der eingebrachten Anteile oder Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen zwingend zur Aufdeckung der darin ruhenden Wertsteigerungen. Dabei ist derzeit nicht klar, ob die Besteuerung nur greift, soweit der im Ausland lebende Gesellschafter an der GmbH & Co. KG bzw. an den Anteilen oder Wirtschaftsgütern beteiligt ist. Es könnten darüber hinaus die gesamten Wertsteigerungen sofort zu besteuern sein. Das Ergebnis: Es sind Steuern auf noch nicht realisierte Gewinne zu zahlen. Dies belastet regelmäßig die Liquidität von Unternehmen empfindlich und kann diese in finanzielle Engpässe treiben.
Auf Grund des weiten Wortlauts des § 50i EStG könnte sogar dann eine Besteuerung ausgelöst werden, wenn der Gesellschafter zwischenzeitlich wieder in Deutschland lebt. Auch ist derzeit nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass diese Steuerfolgen sogar reine Inlandsfälle treffen, bei denen kein Gesellschafter im Ausland ansässig ist.
Festzuhalten bleibt: bei Unternehmensstrukturen mit einer lediglich verwaltend tätigen Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, in die Anteile an Kapitalgesellschaften oder Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens vor dem 29.6.2013 steuerneutral eingebracht wurden, und bei denen ein Gesellschafter im Ausland ansässig ist, sollte vor jeglicher Veränderung der Gesellschaftsstruktur und auch vor einer Änderung der Tätigkeit der GmbH & Co. KG geprüft werden, ob dadurch eine Besteuerung ausgelöst wird. Verbindliche Auskünfte werden dazu derzeit von der Finanzverwaltung nicht erteilt. Jedoch könnte zumindest vorab geklärt werden, ob durch andere Gestaltungsmaßnahmen das Besteuerungsrisiko minimiert werden kann.
In Zeiten der Globalisierung, in der ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt fast schon zum Rüstzeug eines zukünftigen Unternehmenslenkers gehört, werfen diese Regelungen enorme praktische Probleme auf. Auch zeigt sich abermals, dass gesetzliche Vorgaben zur Vermeidung von als schädlich identifizierten Steuergestaltungen gut überlegt sein müssen, um nicht Unternehmen, die ohne jegliches Steuervermeidungskalkül handeln, in ihrem legitimen Interesse an wirtschaftlichem Erfolg zu behindern. Der Gesetzgeber ist gut beraten, diese Regelungen nochmals zu überprüfen. Zumindest sollte die Finanzverwaltung bemüht sein, in einer Verwaltungsanweisung eine möglichst restriktive Anwendung des § 50i EStG anzuordnen und dadurch zu ein wenig mehr Rechtssicherheit beizutragen.