Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt einen Handel mit Kunstgegenständen. Nachdem er im Juli 2008 auf einer Auktion in München ein Buch ersteigert hatte, verkaufte er kurz darauf 50 % an dem Buch an eine in London ansässige Galerie zu einem Preis von 65.484 €. In der Rechnung wurde weder Umsatzsteuer ausgewiesen noch enthielt sie einen Hinweis auf eine Steuerfreiheit. Im Oktober 2012 berichtigte der Kläger die Rechnung gem. § 31 Abs. 5 UStDV durch die Angabe: "Der Umsatz ist gem. § 4 Nr. 1b, § 6a UStG als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei."
Das Finanzamt ging davon aus, dem Galerist sei im Streitjahr 2008 nicht nur ein Anteil am Werk veräußert, sondern Verfügungsmacht am gesamten Werk eingeräumt worden, da ihm das Buch zur Verwertung überlassen worden sei. Es erließ infolgedessen einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2008.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Das Finanzamt war zwar zum Erlass des Umsatzsteuer-Änderungsbescheids 2008 berechtigt, die Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Buch stellte jedoch - wie das FG zu Recht entschieden hatte - eine Lieferung dar, die nach § 4 Nr. 1b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei war.
Die bisherige BFH-Rechtsprechung, die Finanzverwaltung sowie Teile des Schrifttums sind der Auffassung, dass es sich bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Gegenstand um eine sonstige Leistung handele. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung und nach Zustimmung des XI. Senats des BFH (Beschl. v. 16.12.2015, Az.: XI ER-S 3/15) zur Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung geht auch der erkennende Senat davon aus, dass der Miteigentumsanteil an einem Gegenstand geliefert wird. Denn eine Beurteilung der Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Gegenstand als sonstige Leistung wäre nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, dass das Miteigentum als Bruchteil an einem körperlichen Gegenstand - ebenso wie das Volleigentum als dessen wesensgleiches Minus - im Wirtschaftsleben wie ein körperlicher Gegenstand behandelt wird.
Die Klägerin hatte der Galerie die Befugnis, über das Buch wie ein Miteigentümer zu verfügen, übertragen. Dies ergab sich insbesondere daraus, dass dem Galeristen nicht nur Besitz am Buch eingeräumt worden war, sondern diesem auch gestattet worden war, das Buch begutachten und kunsthistorisch erforschen zu lassen. Im Hinblick darauf, dass bereits bei der Veräußerung des Miteigentumsanteils ein Weiterverkauf durch die Galerie beabsichtigt war, durfte diese das Buch in einem Verkaufskatalog anbieten und schließlich sogar im März 2010 weiterverkaufen, obwohl sie erst durch den Kauf des restlichen Anteils von 50 % aus Mai 2010 zur alleinigen Eigentümerin am Buch wurde.
Bei der Veräußerung des hälftigen Miteigentumsanteils handelt es sich auch um eine nach § 4 Abs. 1b UStG i.V.m. § 6a UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Unionsrechtlich beruhte die Steuerfreiheit im Streitjahr auf Art. 138 MwStSystRL. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gem. § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen. Dabei ist die Lieferung trotz fehlenden Buchnachweises steuerfrei, wenn - wie hier - objektiv feststeht, dass der veräußerte Gegenstand unmittelbar nach der Veräußerung in einen anderen Mitgliedstaat gebracht wurde.
Linkhinweis:
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