Um was geht es?
Mit der Entscheidung des Großen Senats vom 28.11.2016 (Az. GrS 1/15) läuteten zahlreiche Fachleute sogleich das Ende der Sanierung von Unternehmen vor der Insolvenz und über Insolvenzplanverfahren ein. Denn realisiert ein Unternehmen Gewinne aus Forderungsverzichten im Rahmen solcher Sanierungsmaßnahmen, unterliegen diese nach den Gewinnermittlungsvorschriften der Besteuerung, soweit nicht ein Ausgleich mit Verlustvorträgen möglich ist.
Verzichten die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen gegenüber einem sanierungsbedürftigen Unternehmen, ist dieser Teil erfolgswirksam auszubuchen. Sowohl handels- als auch steuerrechtlich entsteht ein Ertrag. Es stellt sich die Frage, ob dieser reine Buchgewinn Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer auslösen und somit der Fiskus an dem Sanierungsbeitrag sämtlicher Gläubiger verdienen kann. Zwar dürften sowohl im laufenden als auch oftmals in früheren Geschäftsjahren Verluste entstanden sein. Diese können aber in der Regel wegen der Mindestbesteuerung und evtl. auch wegen eines schädlichen Anteilseignerwechsels im Rahmen der Sanierung nicht vollständig genutzt werden. Nach dem Sanierungserlass des BMF vom 27.3.2003 konnte auf Antrag die Steuer auf einen nach Ausschöpfen der ertragsteuerlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn zunächst gestundet und nach abschließender Prüfung erlassen werden. Das ist nach dem Beschluss des Großen Senats nicht mehr möglich.
Gesetzliche Regelung beschlossen - aber nicht in Kraft
Der Gesetzgeber hat zeitnah auf den Beschluss des BFH reagiert und in einem neuen § 3a EStG die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gesetzlich geregelt. Gleichzeitig wurden entsprechende Regelungen in das Körperschaftsteuergesetz und das Gewerbesteuergesetz eingeführt. Die Vorschriften sind in den Fällen anzuwenden, in denen es zu Forderungsverzichten nach dem 8.2.2017 gekommen ist. Die Regelungen treten allerdings erst dann in Kraft, wenn die Europäische Kommission festgestellt hat, dass sie entweder keine oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen darstellen. Dieses EU-Notifizierungsverfahren kann bis zu 18 Monaten andauern.
Finanzverwaltung gewährt Vertrauensschutz
Parallel dazu äußerte sich das BMF mit Schreiben vom 27.4.2017 zur weiteren steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen:
Für Fälle, in denen Forderungsverzichte bis zum 8.2.2017 endgültig vollzogen wurden, bleibt es aus Vertrauensschutzgründen bei der Anwendung des alten Sanierungserlasses vom 27.3.2003.
Vor dem 8.2.2017 nach dem alten Sanierungserlass erteilte verbindliche Auskünfte sollen nur dann aufgehoben oder zurück genommen werden, wenn die Forderungsverzichte nicht schon im Wesentlichen vollzogen wurden oder keine anderen Vertrauensschutzgründe vorliegen.
Nach dem 8.2.2017 entsprechend dem alten Sanierungserlass erteilte verbindliche Auskünfte sollen zurückgenommen werden, wenn die Forderungsverzichte noch nicht vollzogen wurden.
In allen übrigen Fällen, also Sanierungsverfahren in einem frühen Stadium ohne bereits erteilte verbindliche Auskunft, sollen die auf Sanierungsgewinne entfallenden Ertragsteuern auf Antrag bis zum Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen gestundet werden. Die Stundung ist bei Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen bis zum 31.12.2018 zur widerrufen, da dann ja die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns rechtswirksam rückwirkend geregelt ist (auf das BMF-Schreiben vom 27.4.2017 und die gesetzliche Neuregelung wird ausführlich im novus Juni 2017 eingegangen).
Abermals der BFH
Der BFH sieht auch in der Vertrauensschutzregelung der Finanzverwaltung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und erklärt den Sanierungserlass auch in Altfällen für nicht anwendbar (Urteile vom 23.8.2017, Az. I R 52/14 sowie X R 38/15). Betroffen sind Fälle, in denen die an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis (einschließlich) 8.2.2017 endgültig auf ihre Forderungen verzichtet haben.
Fazit
Derzeit bleibt nur zum einen die Reaktion der EU-Kommission zur gesetzlichen Neuregelung, zum anderen eine etwaige Reaktion des Gesetzgebers, die gesetzliche Neuregelung ggf. auch auf Altfälle zurück zu beziehen, abzuwarten.