Die Steuerkonferenz der deutschen Wirtschaft 2024 in Berlin versammelte abermals eine Vielzahl hochkarätiger Referentinnen und Referenten, die sich intensiv mit steuerrechtlichen und steuerpolitischen Themen befassten, die derzeit für in Deutschland agierende Unternehmen im Fokus stehen.
Eines der zentralen Themen war dabei die globale Mindeststeuer, die entsprechend ihrem Ursprung aus den OECD-Beschlüssen auch als Pillar II bezeichnet wird. Im Rahmen des Panels „Erfahrungen mit der neuen Mindeststeuer (Pillar II)“ diskutierten unter Moderation von Dr. Daniel Zöller, Steuerberater und Partner bei RSM Ebner Stolz in Stuttgart:
- Kirsten Birnbaum, SAP SE, Walldorf
- Dr. Christian Dorenkamp, Deutsche Telekom AG, Bonn
- Eva Oertel, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, München
- Ulrike Schramm, Continental AG, Hannover
- Dr. Christoph Spengel, Universität Mannheim, Mannheim
- Wendelin Staats, Bundesministerium der Finanzen, Berlin
- Friedrich Zimmermann, REWE Gruppe, Köln.
So berichteten die Unternehmensvertreter, dass die Umsetzung der Pillar II-Vorgaben unter Einsatz hoher personeller Ressourcen in vollem Gange sei. Derzeit würden umfassende Reportingstrukturen aufgebaut und mit Hochdruck an der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben gearbeitet. Trotz der gesetzlichen Regelung in Deutschland, der EU-Vorgaben und der Verlautbarungen der OECD wurden weitere Klärungen zu Detailfragen durch Gesetzgeber und Finanzverwaltung sowie Nachbesserungen bei einzelnen Regelungen eingefordert.
Klärungsbedarf bestehe insb. bei den temporären Erleichterungen auf Basis der Daten aus qualifizierenden Länderberichten (sog. CbCR-Daten). Zwar sind CbCR-Daten bereits seit 2017 an die Finanzverwaltung zu übermitteln, um entsprechenden Meldepflichten nachzukommen. Nun gewinnen diese Daten aber enorm an Bedeutung, da sie infolge der Berücksichtigung im Rahmen der sog. Safe Harbour-Ausnahmeregelungen entscheidend für deren Anwendung sind und damit erstmals materiell-rechtlich relevant werden. Seitens der Unternehmen wären klärende Vorgaben zu den heranzuziehenden Datengrundlagen im Sinne der Rechtssicherheit zu begrüßen. Aus der Finanzverwaltung wurde dazu betont, dass es sich bei Pillar II um ein globales Besteuerungskonzept handelt und deshalb nationale Alleingänge vermieden werden sollten. Folglich bestehe hierzu Abstimmungsbedarf zwischen der OECD und den Staaten, die Pillar II umsetzen. Das BMF und die OECD stünden deshalb auch in entsprechend engem Austausch.
Weiter berichteten die Unternehmensvertreter, dass in der Praxis insbesondere eine überkomplexe Regelung zur Erfassung latenter Steuern zu einem unverhältnismäßigen Aufzeichnungs- und Ermittlungsaufwand führe. So sind bestimmte passive Steuerlatenzen, die sich nicht binnen fünf Jahren auflösen, neu zu berechnen (sog. recapture rule). Erforderlich wird damit eine wirtschafsgutbezogene Ermittlung (sog. item by item-Betrachtung) der latenten Steuern, um den Fünfjahreszeitraum monitoren zu können. Eine praxisgerechte Handhabung wird hier mit Blick auf eine angekündigte Administrative Guidance der OECD erhofft. Im Rahmen der Steuerkonferenz wurde dazu diskutiert, wie solche nachträglichen Erleichterungen im bereits in Kraft getretenen nationalen Mindeststeuergesetz bzw. auf EU-Ebene rechtssicher umgesetzt werden können.
Aus Sicht der Wissenschaft wies Prof. Dr. Christoph Spengel noch auf den weiterhin bestehenden Angleichungsbedarf der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlagen innerhalb der EU hin. So sollten weitere Vorhaben der EU, wie insb. BEFIT, mit Pillar II in Einklang gebracht werden, auch um zusätzliche Compliance-Kosten zu vermeiden. Angesichts des bereits bestehenden administrativen Aufwands wäre dies zweifelsfrei im Interesse aller Beteiligten: der Unternehmen, der Finanzverwaltung und der Beraterschaft.
Auch über das Panel zur globalen Mindeststeuer hinaus war das Thema Pillar II Gegenstand weiterer intensiver Diskussionen im Rahmen der zweitätigen Steuerkonferenz, bestand doch durch die Teilnahme u. a. von Dr. Achim Pross, OECD, Paris, und von Prof. Dr. Juliane Kokott, Generalanwältin, EuGH, Luxemburg, die Möglichkeit, auch die Sichtweise auf OECD- und EU-Ebene aus erster Hand zu erfahren.