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Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen

FG Köln 14.9.2016, 9 K 1560/14

Nach der höchstrich­ter­li­chen Recht­spre­chung, der sich der Se­nat an­schließt, be­ste­hen grundsätz­lich keine Be­den­ken, eine zi­vil­recht­lich ord­nungs­gemäß zu­stande ge­kom­mene in­kon­gru­ente Ge­winn­aus­schüttung gleich­falls steu­er­lich an­zu­er­ken­nen, selbst im Fall ei­ner an­schließen­den in­kon­gru­en­ten Wie­der­ein­lage. Auch die Fi­nanz­ver­wal­tung hat sich dem grundsätz­lich an­ge­schlos­sen (BMF-Schrei­ben vom 17.12.2013, BStBl. I 2014, 63).

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war in den Streit­jah­ren 2007 und 2008 ge­mein­sam mit sei­nen bei­den Schwes­tern, den Bei­ge­la­de­nen, Ge­sell­schaf­ter der D-GmbH. Außer­dem war der Kläger in den Streit­jah­ren al­lei­ni­ger Ge­sell­schaf­ter der D1-GmbH. Der Ge­sell­schafts­ver­trag re­gelt u.a., dass die Ge­sell­schaf­ter nach Maßgabe ih­rer Ge­schäfts­an­teile am Ge­winn und Ver­lust der GmbH be­tei­ligt sind. Eine Öff­nungs­klau­sel der­ge­stalt, dass von die­sem Ge­winn­ver­tei­lungsmaßstab durch Ge­sell­schaf­ter­be­schluss ab­ge­wi­chen wer­den könne, exis­tiert nicht.

Im De­zem­ber 2007 hat­ten die Ge­sell­schaf­ter un­ter Ver­zicht auf For­men und Fris­ten eine Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung ab­ge­hal­ten und fol­gen­den Be­schluss ge­trof­fen:

  • "Da kurz­fris­tige In­ves­ti­tio­nen nicht vor­ge­se­hen sind, ist die vor­ge­hal­tene Li­qui­dität zur­zeit nicht er­for­der­lich.
  • Für 2007 wird die Aus­schüttung ei­ner Brut­to­di­vi­dende von 180.000 € be­schlos­sen.
  • Eine wei­tere Aus­schüttung wird für April 2008 be­schlos­sen. Hierfür ist eine Brut­to­di­vi­dende von ca. 200.000 € vor­ge­se­hen.
  • Man­gels aus­rei­chen­der Sub­stanz nimmt Herr D1 (Anm.: der Kläger) an den Aus­schüttun­gen nicht teil."

Un­ter­schrie­ben wurde das Pro­to­koll vom Kläger.

Im Juni 2008 veräußer­ten die Bei­ge­la­de­nen ihre Ge­schäfts­an­teile an der D-GmbH an die D1-GmbH. Der Kauf­preis be­trug "un­ter Berück­sich­ti­gung der er­folg­ten Ge­winn­aus­schüttun­gen" je­weils rund 85.333 €. Der Ge­winn für das lau­fende Ge­schäfts­jahr (= Ka­len­der­jahr) stand bezüglich der ver­kauf­ten Ge­schäfts­an­teile der Käuferin zu. Das glei­che galt für die Ge­winne vor­an­ge­gan­ge­ner Ge­schäfts­jahre, die nicht be­reits un­ter den Ge­sell­schaf­tern ver­teilt wa­ren.

Der Ge­winn­aus­schüttungs­be­schluss aus De­zem­ber 2007 so­wie die Aus­schüttun­gen wa­ren Ge­gen­stand ei­ner steu­er­li­chen Außenprüfung bei der GmbH. Der Be­triebsprüfer war der An­sicht, dass die in­kon­gru­en­ten Ge­winn­aus­schüttun­gen nicht an­zu­er­ken­nen seien, so dass die bei­den Ge­winn­aus­schüttun­gen ent­spre­chend dem Be­tei­li­gungs­verhält­nis dem Kläger und den Bei­ge­la­de­nen zu je­weils 1/3 zu­zu­rech­nen seien. Dar­auf­hin erhöhte das Fi­nanz­amt die Einkünfte des Klägers aus Ka­pi­tal­vermögen.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat dem Kläger zu Un­recht Ka­pi­tal­einkünfte zu­ge­rech­net, die ent­spre­chend dem Ge­winn­ver­tei­lungs­be­schluss aus De­zem­ber 2009 nicht ihm, son­dern den Bei­ge­la­de­nen zu­ge­flos­sen wa­ren. Die Zu­rech­nung wäre nur dann zu­tref­fend, wenn man der in der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung be­schlos­se­nen in­kon­gru­en­ten Ge­winn­aus­schüttung die steu­er­li­che An­er­ken­nung un­ter dem Ge­sichts­punkt des Miss­brauchs recht­li­cher Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten ver­sagte. Hierfür be­stan­den aber keine An­halts­punkte; auch das Fi­nanz­amt hatte sol­che Ge­sichts­punkte nicht dar­ge­legt.

Nach der höchstrich­ter­li­chen Recht­spre­chung, der sich der Se­nat an­schließt, be­ste­hen grundsätz­lich keine Be­den­ken, eine zi­vil­recht­lich ord­nungs­gemäß zu­stande ge­kom­mene in­kon­gru­ente Ge­winn­aus­schüttung gleich­falls steu­er­lich an­zu­er­ken­nen, selbst im Fall ei­ner an­schließen­den in­kon­gru­en­ten Wie­der­ein­lage (so grund­le­gend BFH-Urt. v. 19.8.1999, Az.: I R 77/96). Diese Auf­fas­sung ent­spricht auch der h.M. in der Li­te­ra­tur und der fi­nanz­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung. Es gibt kei­nen Grund, of­fene in­kon­gru­ente Ge­winn­aus­schüttun­gen, die mit dem Ge­sell­schafts­recht im Ein­klang ste­hen, steu­er­lich hier­von ab­wei­chend zu be­han­deln. Ver­deckte Ge­winn­aus­schüttun­gen wer­den sehr häufig dis­quo­tal ver­teilt, ohne dass bis­lang je­mand auf die Idee ge­kom­men wäre, die ver­deckte Ge­winn­aus­schüttung je­weils an­tei­lig al­len Ge­sell­schaf­tern zu­zu­rech­nen. Ver­deckte Ge­winn­aus­schüttun­gen können mit oder ohne Zu­stim­mung der Ge­sell­schaf­ter durch­geführt wer­den. Dem­zu­folge kann ein Zu­fluss nicht aus der Zu­stim­mung ab­ge­lei­tet wer­den.

Auch die Fi­nanz­ver­wal­tung hat sich dem grundsätz­lich an­ge­schlos­sen (BMF-Schrei­ben vom 17.12.2013, BStBl. I 2014, 63). Al­ler­dings sei Vor­aus­set­zung für die An­er­ken­nung ei­ner in­kon­gru­en­ten Ge­winn­aus­schüttung, dass im Ge­sell­schafts­ver­trag gem. § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG ein an­de­rer Ver­tei­lungs­schlüssel als der­je­nige nach den Be­tei­li­gungs­verhält­nis­sen oder aber eine Öff­nungs­klau­sel vor­ge­se­hen ist, wo­nach der Ver­tei­lungsmaßstab alljähr­lich ein­stim­mig geändert wer­den könne. Auch eine nachträgli­che Sat­zungsände­rung sei un­ter Zu­stim­mung al­ler Ge­sell­schaf­ter möglich. Zu­dem seien hier­bei die Grundsätze des Miss­brauchs recht­li­cher Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten zu be­ach­ten. In­fol­ge­des­sen ist der er­ken­nende Se­nat der Auf­fas­sung, dass der Be­schluss der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung aus De­zem­ber 2007 auch steu­er­lich an­zu­er­ken­nen ist, so dass dem Kläger, dem aus den be­schlos­se­nen Ge­winn­aus­schüttun­gen keine Gelder zu­ge­flos­sen sind, auch ein­kom­men­steu­er­recht­lich keine Ka­pi­tal­erträge zu­zu­rech­nen sind.

Link­hin­weis:

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