Im Streitfall hatte ein Steuerpflichtiger eine „Bull-Bear-Struktur“ genutzt, um den im Streitjahr erzielten Gewinn aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen steuerlich zu kompensieren. Die Struktur bestand aus zwei Reverse Convertibles auf denselben Basiswert (einen Gold-Index). Der Referenzzeitraum betrug gut zwei Wochen. Die Emittentin hatte das Recht, bei Fälligkeit statt Barzahlung dem Steuerpflichtigen Xetra-Gold-Schuldverschreibungen oder Anteile an einem Gold-ETF zu liefern. Wie bei diesen Strukturen üblich, waren die beiden Schuldverschreibungen gegenläufig ausgestaltet, so dass sich deren Wertentwicklung weitgehend (wenn auch nicht vollständig) kompensiert haben dürfte. Die eine Anleihe veräußerte der Steuerpflichtige vor Fälligkeit mit Verlust an eine GmbH, deren sämtliche Anteile er hielt. Auf die andere Anleihe wurden ihm bei Fälligkeit die Xetra-Gold-Schuldverschreibungen angedient. Diese veräußerte der Steuerpflichtige zunächst nicht, sondern sicherte sich gegen das Marktrisiko ab. Erst nach Ablauf eines Jahres veräußerte er die Xetra-Gold-Schuldverschreibungen steuerfrei.
Der Veräußerungsverlust wurde als der tariflichen Besteuerung unterliegend und der Gewinn aus dem Untergang der Forderung und der Lieferung der Xetra-Gold-Schuldverschreibungen als gemäß § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG a. F. steuerneutral erklärt.
Dem pflichtete der BFH mit Urteil vom 08.05.2024 (Az. VIII R 28/20, DStR 2024, S. 2108) bei. Die Richter stuften die Umtauschanleihen als sonstige Kapitalforderungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 und 2 EStG ein. Durch die Veräußerung sei ein unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG fallender Verlust entstanden, der grundsätzlich der Abgeltungsteuer unterliege. Dessen Anwendung sei allerdings infolge der Höhe der Beteiligung nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG ausgeschlossen, so dass der Verlust der tariflichen Besteuerung unterliege. Damit bestätigt der BFH seine Wertung laut Urteil vom 30.11.2022 (Az. VIII R 15/19, DStR 2023, S. 565) zum sog. Bond Stripping.
Für die andere Anleihe wurden dem Steuerpflichtigen zum Einlösungszeitpunkt Xetra-Gold-Schuldverschreibungen angedient. Laut BFH stellt die Andienung einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar, der unter § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG a. F. fällt. Demnach war bei der Ermittlung des Einlösungsgewinns das Entgelt des Steuerpflichtigen für den Erwerb der Anleihe statt des Werts der erhaltenen Xetra-Gold-Schuldverschreibungen als Veräußerungspreis anzusetzen, wodurch sich aufgrund der gleich hohen Anschaffungskosten kein Einlösungsgewinn ergab. Obgleich der BFH Xetra-Gold-Schuldverschreibungen nicht als sonstige Kapitalforderungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 und 2 EStG, sondern als Sachlieferungsansprüche einstuft (z. B. BFH-Urteil vom 12.05.2015. Az. VIII R 35/14, BFHE 250, 71), handele es sich bei solchen um „erhaltene Wertpapiere“ i. S. d. § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG a. F. Auch einen Gestaltungsmissbrauch verneint der BFH. Der Steuerpflichtige habe nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen.
Hinweis: Für Fälle, in denen die Andienung der Wertpapiere nach dem 31.12.2020 erfolgt, ist der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG auf Wertpapiere i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG beschränkt.