Der Sachverhalt:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte im Streitjahr 2006 Backwaren aller Art hergestellt, vertrieb diese und betrieb Konditoreien und Cafés. In insgesamt 84 ihrer Filialen bot sie Tische und Stühle an, wobei sich diese innerhalb, ganz vereinzelt aber (zusätzlich) auch im Freien befanden. Die Besteuerung der Umsätze dieser Filialen aus dem Verkauf zum Verzehr vor Ort ist im vorliegenden Verfahren streitbefangen. 71 der streitbefangenen Filialen befanden sich in sog. Vorkassenzonen, also nicht durch geschlossene Wände abgetrennten Eingangsbereichen, von Lebensmittelmärkten; bei den übrigen 13 Filialen handelte es sich um separat betriebene Ladengeschäfte.
Die Räumung der teilweise mit Tischdecken und Blumenschmuck versehenen Tische oblag in der Regel den Kunden, wobei zur Rücknahme des ausgegebenen Geschirrs Regale bereit standen, die grundsätzlich durch die Kunden zu befüllen waren. Nur wenn die Kunden die Räumung der Tische unterließen, räumte das Personal das Geschirr von den Tischen. Im Anschluss daran wurde das Geschirr durch das Personal gereinigt. Die in den betreffenden Filialen beschäftigten Arbeitnehmer waren ausschließlich als Verkaufspersonal für Backwaren und nicht als Kellner, Koch oder gastronomisch ähnlich qualifiziertes Fachpersonal angestellt.
In der Umsatzsteuer-Erklärung 2006 waren die Umsätze aus dem Verkauf von Kaffee (sowohl zum Verzehr an Ort und Stelle, als auch zur Mitnahme), Non-Food-Artikeln sowie Backwaren und Fast-Food zum Verzehr an Ort und Stelle dem allgemeinen Steuersatz zugeordnet, die Erlöse aus dem Verkauf der nicht zum Verzehr an Ort und Stelle bestimmen Backwaren - sowohl in den Filialen, als auch im Großhandel - und dem Außer-Haus-Verkauf von Fast-Food dem ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt war hingegen der Ansicht, im Fall der bestuhlten Filialen stelle die Abgabe von Backwaren und Fast-Food zum Verzehr vor Ort eine sonstige Leistung dar, die dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG unterfiele.
das FG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Auf die streitgegenständlichen Leistungen war der allgemeine Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG in der im Streitjahr geltenden Höhe (16%) anzuwenden, da die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 UStG im Hinblick auf den Verkauf von Backwaren und Fast-Food zum Verzehr vor Ort in den mit Sitzgelegenheiten ausgestatteten Filialen im Streitjahr nicht vorlagen.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte gegenüber ihren Kunden eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung i.S.v. § 3 Abs. 9 UStG erbracht. Der Anwendung der § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG stehen im vorliegenden Fall nicht Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts unter Berücksichtigung der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung entgegen. Denn bei einer Gesamtbetrachtung der im Falle des Verzehrs vor Ort erbrachten Leistungselemente stehen die Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung von Speisen im Vordergrund. Den Kunden wurden nicht nur Backwaren und Fast-Food verkauft, sondern es wurden ihnen gegenüber auch zusätzliche Dienstleistungen erbracht, indem neben der Zubereitung der standardisierten Produkte teilweise mit Dekoration versehene Tische und Sitzmöglichkeiten zur Verfügung gestellt wurden. Zudem wurde Geschirr zur Verfügung gestellt, das genauso wie das Mobiliar vom Personal gereinigt wurde.
Im Rahmen der Gesamtabwägung ist das in den streitgegenständlichen Filialen vorgehaltene Mobiliar und dessen Überlassung an die Kunden zu berücksichtigen. Dem steht nicht die BFH-Rechtsprechung entgegen, nach der das Vorhandensein von Verzehrvorrichtungen als der Gesamtleistung innewohnendes Dienstleistungselement dann nicht zu berücksichtigen ist, soweit die Verzehrvorrichtungen durch einen Dritten auch im Interesse des Unternehmers - hier der KG - zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden (BFH-Urt. v. 3.8.2017 - V R 15/17) oder sie nicht ausschließlich dazu bestimmt sind, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern (BFH-Urt. v. 3.8.2017 - V R 61/16). Denn die Rechtsvorgängerin hat weder in ihren in den Vorkassenzonen von Einkaufzentren befindlichen, noch in den separat betriebenen Filialen nicht in ihrem Eigentum stehende Bestuhlung genutzt bzw. - durch ihre Kunden - mitnutzen können.
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