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Rechtsberatung

Modifizierungen der Strom- und der Gasgrundversorgungsverordnung

Das Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­rium hatte den Ent­wurf ei­ner Ver­ord­nung zur An­pas­sung der Strom­grund­ver­sor­gungs­ver­ord­nung und der Gas­grund­ver­sor­gungs­ver­ord­nung an uni­ons­recht­li­che Vor­ga­ben vor­ge­legt (BR-Drs. 397/21).

Da­mit soll der Ver­pflich­tung aus dem EU-Win­ter­pa­ket nach­ge­kom­men wer­den, die Re­ge­lun­gen der Strom- und der Gas­grund­ver­sor­gung an­zu­pas­sen und kun­den­freund­li­cher zu ge­stal­ten. Dazu sah der Ent­wurf u. a. Ände­run­gen beim Ver­fah­ren zur Ver­sor­gungs­un­ter­bre­chung vor. Die Rechte des Kun­den sol­len deut­lich gestärkt wer­den. In sei­ner Sit­zung vom 25.06.2021 hat der Bun­des­rat auf Vor­schlag des fe­derführen­den Aus­schus­ses die Ver­ord­nung un­ter Berück­sich­ti­gung wei­te­rer Ände­run­gen be­schlos­sen. Insb. bei dro­hen­den Ver­sor­gungs­un­ter­bre­chun­gen sol­len den Kun­den noch mehr Rechte ein­geräumt wer­den.

For­mal hat der Bun­des­rat der Ver­ord­nung nach Maßgabe der Ände­run­gen zu­ge­stimmt. Die Bun­des­re­gie­rung kann nun­mehr die Ver­ord­nung so er­las­sen, wie sie der Bun­des­rat be­schlos­sen hat. Ge­schieht dies, tritt die Ände­rung mit Verkündi­gung in Kraft. Die Bun­des­re­gie­rung kann das Vor­ha­ben aber auch zurück­zie­hen und einen neuen Ver­ord­nungs­ent­wurf als Kom­pro­miss­vor­schlag un­ter­brei­ten.

Dem Ver­neh­men nach sind die Bran­chen­verbände der­zeit da­mit be­fasst, beim Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­rium auf eine für die Bran­che verträgli­chere Re­ge­lung hin­zu­wir­ken. Ob die Bun­des­re­gie­rung noch vor der Bun­des­tags­wahl ak­tiv wird, lässt sich nur schwer pro­gnos­ti­zie­ren.

Im Fol­gen­den stel­len wir Ih­nen die Ände­run­gen vor, die sich aus der vom Bun­des­rat be­schlos­se­nen Ver­ord­nung er­ge­ben, so­fern sie in die­ser Fas­sung von der Bun­des­re­gie­rung er­las­sen wird.

Vertragsgestaltung der Grundversorgung wird der von Sonderverträgen angeglichen

  • Mit der letz­ten Ände­rung der Strom­grund­er­sor­gungs­ver­ord­nung (Strom­GVV) war in § 1 Abs. 1 klar­ge­stellt wor­den, dass der Grund­ver­sor­gungs­ver­trag ein so­ge­nann­ter kom­bi­nier­ter Ver­trag gemäß § 9 Abs. 2 Mess­stel­len­be­triebs­ge­setz ist. Nun­mehr wird ein neuer Satz 4 in § 1 Abs. 1 Strom­GVV ein­gefügt, wo­nach der Grund­ver­sor­ger auf Ver­lan­gen des Kun­den einen Grund­ver­sor­gungs­ver­trag auch ohne Ein­be­zie­hung der Or­ga­ni­sa­tion des Mess­stel­len­be­triebs an­zu­bie­ten hat. Das be­trifft die Fälle, in de­nen der Letzt­ver­brau­cher selbst einen Mess­stel­len­be­trei­ber be­auf­tragt hat.
  • In § 2 Abs. 3 Strom­GVV und § 2 Abs. 3 Gas­grund­ver­sor­gungs­ver­ord­nung (Gas­GVV) ist auf­geführt, wel­che An­ga­ben im Grund­ver­sor­gungs­ver­trag oder in der Bestäti­gung des Ver­tra­ges ent­hal­ten sein müssen. Diese Auf­lis­tung wird ergänzt. Ausdrück­lich auf­geführt wer­den muss künf­tig der Zeit­raum der Ab­rech­nun­gen, In­for­ma­tio­nen über die Rechte des Kun­den im Hin­blick auf Ver­brau­cher­be­schwer­den, die Kon­takt­da­ten des Ver­brau­cher­ser­vices der Bun­des­netz­agen­tur und das Mus­ter der Ab­wen­dungs­ver­ein­ba­rung des Grund­ver­sor­gers nach § 19 Abs. 5 Strom­GVV bzw. Gas­GVV, auf das wir wei­ter un­ten noch de­tail­lier­ter ein­ge­hen wer­den.
  • § 2 Abs. 3 Strom­GVV bzw. Gas­GVV wird wei­ter­hin um eine Re­ge­lung ergänzt, wo­nach § 41 Abs. 1 EnWG un­berührt bleibt. § 41 Abs. 1 EnWG re­gelt den In­halt ei­nes En­er­gie­lie­fer­ver­tra­ges mit Letzt­ver­brau­chern.
  • In § 8 Abs. 2 Strom­GVV bzw. Gas­GVV wird ein neuer Satz 4 an­gefügt. Da­nach darf der Grund­ver­sor­ger die vom Kun­den ver­langte Prüfung der Mess­ein­rich­tung nicht von ei­ner Vor­leis­tung oder Si­cher­heits­leis­tung abhängig ma­chen, wenn der Kunde Umstände dar­legt, die Zwei­fel an der ord­nungs­gemäßen Funk­tion der Mess­ein­rich­tung begründen.
  • § 11 der Strom­GVV und der Gas­GVV, der bis­lang mit „Ab­le­sung“ über­schrie­ben ist, wird nun­mehr mit „Ver­brauchser­mitt­lung“ über­schrie­ben. In Abs. 1 wird für die Er­mitt­lung des Ver­brauchs auf § 40a EnWG ver­wie­sen.
  • In § 12 Abs. 1 Strom­GVV und Gas­GVV wird künf­tig bezüglich der Ab­rech­nung auf die Neu­re­ge­lung in § 40b Abs. 1 EnWG ver­wie­sen.
  • In § 14 Strom­GVV und Gas­GVV wird der Be­griff „Vor­kas­sen­sys­teme“ durch „Vor­aus­zah­lungs­sys­teme“ er­setzt und ein Ver­weis auf § 41 Abs. 2 Satz 2 und 3 EnWG ein­gefügt.
  • In § 16 Strom­GVV und Gas­GVV (Rech­nun­gen und Ab­schläge) wird auf § 40 Abs. 1 bis 4 EnWG ver­wie­sen und ein Ver­weis auf § 41 Abs. 2 Satz 2 und 3 EnWG an­gefügt. Die­ser Ver­weis re­gelt die an­zu­bie­ten­den Zah­lungs­wei­sen.

Versorgungsunterbrechung wegen Zahlungsverzug wird schwieriger

Die wich­tigs­ten Ände­run­gen sind in § 19 Strom­GVV und Gas­GVV ent­hal­ten und be­tref­fen die Re­ge­lun­gen zur Ver­sor­gungs­un­ter­bre­chung we­gen Zah­lungs­ver­zugs.

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Strom­GVV und Gas­GVV darf die Ver­sor­gung we­gen Zah­lungs­ver­zugs nicht un­ter­bro­chen wer­den, wenn die Fol­gen der Un­ter­bre­chung außer Verhält­nis zur Schwere der Zu­wi­der­hand­lung ste­hen. Das soll künf­tig da­hin­ge­hend kon­kre­ti­siert wer­den, dass die Verhält­nismäßig­keit ins­be­son­dere dann nicht ge­wahrt sein soll, wenn in Folge der Un­ter­bre­chung eine kon­krete Ge­fahr für Leib und Le­ben der da­durch Be­trof­fe­nen zu be­sor­gen ist. Gemäß der Be­schluss­fas­sung des Bun­des­rats soll eine Ver­sor­gungs­un­ter­bre­chung grundsätz­lich auch dann un­verhält­nismäßig sein, wenn von ihr grund­le­gende Be­lange von Min­derjähri­gen, Pfle­ge­bedürf­ti­gen oder schwer­kran­ken Per­so­nen be­trof­fen sind.

Aus­weis­lich der Begründung des Bun­des­rats ist bspw. der Be­darf nach Teil­nahme am Ho­me­schoo­ling ein sol­cher grund­le­gen­der Be­lang Min­derjähri­ger. Nach die­ser Maßgabe dürf­ten Ver­sor­gungs­un­ter­bre­chun­gen fast im­mer un­zulässig sein. Die auf­geführ­ten Tat­bestände sind nur eine bei­spiel­hafte Aufzählung. D. h., dass auch Aus­wir­kun­gen, die die­sen Bei­spie­len ähn­lich sind, dazu führen würden, dass die Ver­sor­gungs­un­ter­bre­chung un­verhält­nismäßig wird.

Gemäß der ge­plan­ten Neu­re­ge­lung müssen Kun­den mit der An­dro­hung der Un­ter­bre­chung über die Möglich­keit in­for­miert wer­den, Gründe für eine Un­verhält­nismäßig­keit der Un­ter­bre­chung in Text­form vor­zu­tra­gen. Da­mit soll si­cher­ge­stellt wer­den, dass sich der Grund­ver­sor­ger nicht dar­auf be­ru­fen kann, nichts von den Umständen ge­wusst zu ha­ben, die zur Un­verhält­nismäßig­keit der Ver­sor­gungs­un­ter­bre­chung führen.

Be­reits bis­lang ist in der Strom­GVV ge­re­gelt, dass eine Sper­rung nur dann zulässig ist, wenn der Zah­lungsrück­stand des Kun­den min­des­tens 100 Euro beträgt. Künf­tig soll eine Sper­rung erst dann zulässig sein, wenn der Kunde mit Ab­schlägen oder Vor­aus­zah­lun­gen in Höhe von min­des­tens zwei Mo­nats­beträgen oder einem Sechstel des vor­aus­sicht­li­chen Be­tra­ges der Jah­res­rech­nung und min­des­tens 100 Euro im Rück­stand ist.

Künf­tig muss der Grund­ver­sor­ger dem Kun­den gemäß einem neuen § 19 Abs. 3 Strom­GVV bzw. Gas­GVV mit der An­dro­hung der Un­ter­bre­chung eine In­for­ma­tion über Möglich­kei­ten zur Ver­mei­dung der Un­ter­bre­chung zu­kom­men las­sen. Da­mit soll der Kunde über Hilfs­an­ge­bote, En­er­gie­au­dits oder En­er­gie­be­ra­tun­gen, staat­li­che Un­terstützungsmöglich­kei­ten oder Schuld­ner­be­ra­tung in­for­miert wer­den. Diese In­for­ma­tio­nen sind auch in „leich­ter Sprache“ mit­zu­tei­len.

Die Un­ter­bre­chung muss nicht wie bis­her drei Tage im Vor­aus, son­dern acht Tage im Vor­aus an­gekündigt wer­den. Dazu sol­len nach Möglich­keit Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel wie E-Mail oder Text­nach­rich­ten ge­nutzt wer­den. Der Bun­des­rat begründet das da­mit, dass Kun­den auf der­ar­tige Mit­tei­lun­gen eher rea­gie­ren als auf einen Brief.

Gemäß einem neuen § 19 Abs. 5 Strom­GVV bzw. Gas­GVV muss dem Kun­den spätes­tens mit der Un­ter­bre­chungs­an­dro­hung eine Ab­wen­dungs­ver­ein­ba­rung an­ge­bo­ten wer­den. Diese muss eine zins­freie Ra­ten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung über die Rückstände und eine Wei­ter­ver­sor­gung auf Vor­aus­zah­lungs­ba­sis be­inhal­ten. Die Ra­ten­zah­lungs­ver­ein­ba­rung soll si­cher­stel­len, dass die Rückstände in­ner­halb ei­nes zu­mut­ba­ren Zeit­raums aus­ge­gli­chen wer­den. Zu­mut­bar sein soll ein Zeit­raum von sechs bis 18 Mo­na­ten. Nimmt der Kunde das An­ge­bot an, darf die Ver­sor­gung erst dann un­ter­bro­chen wer­den, wenn der Kunde sei­nen Ver­pflich­tun­gen aus der Ab­wen­dungs­ver­ein­ba­rung nicht nach­kommt.

Das Mus­ter der Ab­wen­dungs­ver­ein­ba­rung muss auf der In­ter­net­seite des Grund­ver­sor­gers veröff­ent­licht wer­den. Diese Ver­pflich­tung gilt ab dem 01.01.2022. Wei­ter­hin ist in der Un­ter­bre­chungs­an­dro­hung dar­auf hin­zu­wei­sen, wel­che Kos­ten durch die Un­ter­bre­chung und die Wie­der­her­stel­lung ent­ste­hen wer­den.

Hin­weis: Überg­angs­re­ge­lun­gen sind nicht vor­ge­se­hen. Die Ände­run­gen wer­den am Tag nach der Verkündung in Kraft tre­ten. Das Mus­ter der Ab­wen­dungs­ver­ein­ba­rung ist zum 01.01.2022 zu veröff­ent­li­chen.

Auf­grund der Ände­run­gen muss insb. der Pro­zess der Ver­sor­gungs­un­ter­bre­chung in na­hezu al­len Be­lan­gen an­ge­passt wer­den.

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