Zu diesem Ergebnis kommt der BFH mit Urteil vom 06.09.2023 (Az. I R 35/20) und verweist dazu auf das Urteil des EuGH vom 26.02.2019 (Rs. C-581/17 Wächtler), wonach die Stundungsregelung in § 6 Abs. 4 AStG a. F. betreffend Wegzüge in Drittstaaten gegen das Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz verstößt. Laut EuGH werde das im Freizügigkeitsabkommen vorgesehene Niederlassungsrecht verletzt, wenn ein Steuerpflichtiger, der seinen Wohnsitz aus Deutschland in die Schweiz verlagert, und deshalb die Wegzugssteuer auf Wertzuwächse von Gesellschaftsanteilen im Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung bzw. auf Antrag gestreckt über maximal fünf Jahre zu entrichten hat, während ein Steuerpflichtiger, der seinen Wohnsitz innerhalb Deutschlands verlegt, erst im Zeitpunkt der Realisierung von Wertzuwächsen der Besteuerung unterliegt.
Auch wenn damit § 6 AStG a. F. geltungserhaltend mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Wegzugssteuer bis zum Zeitpunkt der Veräußerung der Gesellschaftsanteile zinslos von Amts wegen zu stunden ist, bewirke - so der BFH - das Freizügigkeitsabkommen nicht, dass die Festsetzung der Wegzugssteuer - wie vom Finanzgericht in erster Instanz vertreten - unzulässig ist.
Hinweis: Für Wegzüge ab 01.01.2022 ist in § 6 Abs. 4 AStG eine einheitliche Stundungsregelung vorgesehen. Sowohl im Fall des Wegzugs in einen anderen EU-Mitgliedstaat als auch in einen Drittstaat kann die Wegzugssteuer auf Antrag in sieben gleichen Jahresbeträgen entrichtet werden, wobei regelmäßig eine Sicherheitsleistung gefordert wird. Nach den Ausführungen des EuGH und des BFH, wonach die steuerlichen Folgen des Wegzugsfalls ins Ausland mit dem Umzug im Inland zu vergleichen sind, könnte diese Regelung gegen EU-Recht verstoßen, da auch hier eine klare Schlechterstellung zum Inlandsfall gegeben ist.
Mehr zur Frage, ob die Stundung der Wegzugssteuer aus europarechtlichen Gründen stets zu gewähren sein könnte, lesen Sie hier.