Der Sachverhalt:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids, mit dem das Finanzamt den Kläger als einen von zwei ehemaligen, jeweils einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern einer mittlerweile insolventen GmbH für deren Steuerschulden in Anspruch genommen hat. Die GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, geriet spätestens im Jahr 2012 in Zahlungsschwierigkeiten und stellte u.a. die Gehaltszahlungen an den Kläger ein. Für die Zeiträume November 2012 bis Januar 2013 meldete sie gem. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Lohnsteuern einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer i.H.v. rd. 33.000 € an, führte diese aber weder zu den Fälligkeitsterminen 10.12.2012, 10.01.2013 bzw. 11.02.2013 noch später gem. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG an das Finanzamt ab. Am 6.3.2013 legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer der GmbH nieder.
Kurz darauf wurde für die GmbH zunächst ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, dann das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und der vorläufige Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter bestimmt. Am 18.6.2013 erließ das Finanzamt nach voriger Anhörung den streitgegenständlichen Haftungsbescheid und nahm den Kläger gem. § 191 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 Abs. 1 AO, § 35 GmbHG i.H.v. rd. 32.000 € für Steuerschulden der GmbH in Haftung. Der weitere Geschäftsführer wurde gleichfalls in Haftung genommen. Der Kläger legte gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein.
Während des Einspruchsverfahrens meldeten das FA und der Kläger im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH jeweils Forderungen zur Tabelle an. Die Steuerforderungen des Finanzamts wurden im Prüfungstermin gem. § 176 Satz 1 und § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO i.H.v. rd. 30.000 € widerspruchslos zur Tabelle festgestellt. Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Die vom Insolvenzgericht festgestellte Teilzahlung von rd. 2.500 € und die Erhöhung der Säumniszuschläge um rd. 350 € berücksichtigte es dabei nicht.
Das FG reduzierte die Haftungssumme um die Teilzahlung i.H.v. rd. 2.500 €, im Übrigen wies es die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zutreffend geurteilt, dass der Kläger für die von der GmbH zur Tabelle angemeldeten, aber nicht abgeführten Lohnsteuern samt Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern, den Verspätungszuschlag und die Säumniszuschläge gem. § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG i.H.v. rd. 30.000 € haftet und gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden konnte.
Gem. § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit deren Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Nichtzahlung festgesetzter, fälliger Steuern und Abgaben führt zu einem Steuerschaden in dieser Höhe, unabhängig davon, ob die Festsetzung der Höhe nach zutreffend ist, und indiziert das Verschulden der Geschäftsführung i.S.d. § 69 Satz 1 AO. Im Streitfall waren diese Voraussetzungen erfüllt.
Der Haftungsschuldner kann sich auch nicht mit der Begründung exkulpieren, der andere Geschäftsführer sei für die Entrichtung der Steuern verantwortlich gewesen. Bei einer Verteilung der Geschäfte einer GmbH auf mehrere Geschäftsführer, die grundsätzlich möglich ist (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), kann zwar die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten begrenzt werden. Dies erfordert jedoch eine vorweg getroffene, eindeutige schriftliche Festlegung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist, damit nicht im Haftungsfall jeder Geschäftsführer auf die Verantwortlichkeit des anderen verweist. Im Streitfall lag eine derartige eindeutige, in der gebotenen Schriftform getroffene Geschäftsverteilung nicht vor.
Da der Haftungsschuldner und das Finanzamt gem. § 178 Abs. 3 InsO an die Eintragungen in die Tabelle gebunden sind, kommen weitere Ermittlungen zur Höhe des Steuerausfalls und damit zur Höhe der Haftungssumme nicht in Betracht. Denn die Eintragung in die Tabelle ersetzt den Steuerbescheid und wirkt u.a. gegenüber allen Insolvenzgläubigern gem. § 178 Abs. 3 InsO für die festgestellte Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil. Alle Personen bzw. Behörden, denen gegenüber Bindungswirkung besteht, müssen die Festsetzung gegen sich gelten lassen. Soweit keine Änderungsnorm eingreift, können sie eine erneute Entscheidung in derselben Sache nicht verlangen, da über denselben Gegenstand nur einmal entschieden werden kann.
Diese Wirkung des Tabelleneintrags ist nicht auf das Insolvenzverfahren oder den Insolvenzschuldner beschränkt. Für eine derartige Einschränkung findet sich weder in § 178 Abs. 3 InsO noch sonst ein Anhaltspunkt. Vielmehr regelt § 178 Abs. 3 InsO ausdrücklich, dass der Tabelleneintrag allen Insolvenzgläubigern gegenüber für die festgestellte Forderung nach Betrag und Rang wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt. Das gilt unabhängig davon, ob sie an dem Prüfungstermin gem. § 176 Satz 1 InsO teilgenommen haben oder nicht und unabhängig davon, ob die Forderung mangels Widerspruchs gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO als festgestellt gilt oder ob die Wirkung des Widerspruchs zunächst gem. §§ 179, 180 Abs. 1, 183 Abs. 2 InsO beseitigt werden muss.
Besonderheiten des Einzelfalls, die eine Bindungswirkung gem. § 178 Abs. 3 InsO dennoch - insbesondere im Hinblick auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG - als grob unbillig erscheinen lassen, können und müssen ggf. im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden. Vorliegend hat das FG auch zutreffend entschieden, dass die Ermessensentscheidung des Finanzamts, den Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, nicht zu beanstanden ist.
Ein Tabelleneintrag im Insolvenzverfahren kann gem. § 178 Abs. 3 InsO auch im Haftungsverfahren Bindungswirkung entfalten. Die Eintragung in die Tabelle ersetzt im Insolvenzverfahren den Steuerbescheid und wirkt u.a. gegenüber allen Insolvenzgläubigern gem. § 178 Abs. 3 InsO für die festgestellte Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil.