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Tabelleneintrag im Insolvenzverfahren ist im Haftungsverfahren bindend

BFH v. 17.9.2019 - VII R 5/18

Ein Ta­bel­len­ein­trag im In­sol­venz­ver­fah­ren kann gem. § 178 Abs. 3 InsO auch im Haf­tungs­ver­fah­ren Bin­dungs­wir­kung ent­fal­ten. Die Ein­tra­gung in die Ta­belle er­setzt im In­sol­venz­ver­fah­ren den Steu­er­be­scheid und wirkt u.a. ge­genüber al­len In­sol­venzgläubi­gern gem. § 178 Abs. 3 InsO für die fest­ge­stellte For­de­rung wie ein rechtskräfti­ges Ur­teil.

Der Sach­ver­halt:
Strei­tig ist die Rechtmäßig­keit ei­nes Haf­tungs­be­scheids, mit dem das Fi­nanz­amt den Kläger als einen von zwei ehe­ma­li­gen, je­weils ein­zel­ver­tre­tungs­be­rech­tig­ten Ge­schäftsführern ei­ner mitt­ler­weile in­sol­ven­ten GmbH für de­ren Steu­er­schul­den in An­spruch ge­nom­men hat. Die GmbH, de­ren Ge­schäftsführer der Kläger war, ge­riet spätes­tens im Jahr 2012 in Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten und stellte u.a. die Ge­halts­zah­lun­gen an den Kläger ein. Für die Zeiträume No­vem­ber 2012 bis Ja­nuar 2013 mel­dete sie gem. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Lohn­steu­ern ein­schließlich So­li­da­ritätszu­schlag und Kir­chen­steuer i.H.v. rd. 33.000 € an, führte diese aber we­der zu den Fällig­keits­ter­mi­nen 10.12.2012, 10.01.2013 bzw. 11.02.2013 noch später gem. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG an das Fi­nanz­amt ab. Am 6.3.2013 legte der Kläger sein Amt als Ge­schäftsführer der GmbH nie­der.

Kurz dar­auf wurde für die GmbH zunächst ein vorläufi­ger In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt, dann das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der GmbH eröff­net und der vorläufige In­sol­venz­ver­wal­ter zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stimmt. Am 18.6.2013 er­ließ das Fi­nanz­amt nach vo­ri­ger Anhörung den streit­ge­genständ­li­chen Haf­tungs­be­scheid und nahm den Kläger gem. § 191 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 Abs. 1 AO, § 35 GmbHG i.H.v. rd. 32.000 € für Steu­er­schul­den der GmbH in Haf­tung. Der wei­tere Ge­schäftsführer wurde gleich­falls in Haf­tung ge­nom­men. Der Kläger legte ge­gen den Haf­tungs­be­scheid Ein­spruch ein.

Während des Ein­spruchs­ver­fah­rens mel­de­ten das FA und der Kläger im In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der GmbH je­weils For­de­run­gen zur Ta­belle an. Die Steu­er­for­de­run­gen des Fi­nanz­amts wur­den im Prüfungs­ter­min gem. § 176 Satz 1 und § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO i.H.v. rd. 30.000 € wi­der­spruchs­los zur Ta­belle fest­ge­stellt. Das Fi­nanz­amt wies den Ein­spruch mit Ein­spruchs­ent­schei­dung als un­begründet zurück. Die vom In­sol­venz­ge­richt fest­ge­stellte Teil­zah­lung von rd. 2.500 € und die Erhöhung der Säum­nis­zu­schläge um rd. 350 € berück­sich­tigte es da­bei nicht.

Das FG re­du­zierte die Haf­tungs­summe um die Teil­zah­lung i.H.v. rd. 2.500 €, im Übri­gen wies es die Klage ab. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat im Er­geb­nis zu­tref­fend ge­ur­teilt, dass der Kläger für die von der GmbH zur Ta­belle an­ge­mel­de­ten, aber nicht ab­geführ­ten Lohn­steu­ern samt So­li­da­ritätszu­schlag und Kir­chen­steu­ern, den Verspätungs­zu­schlag und die Säum­nis­zu­schläge gem. § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG i.H.v. rd. 30.000 € haf­tet und gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haf­tungs­be­scheid in An­spruch ge­nom­men wer­den konnte.

Gem. § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haf­tet der Ge­schäftsführer ei­ner GmbH, so­weit de­ren Ver­bind­lich­kei­ten aus dem Steu­er­schuld­verhält­nis in­folge vorsätz­li­cher oder grob fahrlässi­ger Ver­let­zung der ihm auf­er­leg­ten Pflich­ten nicht oder nicht recht­zei­tig fest­ge­setzt oder erfüllt oder so­weit in­fol­ge­des­sen Steu­er­vergütun­gen oder Steu­er­er­stat­tun­gen ohne recht­li­chen Grund ge­zahlt wer­den. Die Nicht­zah­lung fest­ge­setz­ter, fälli­ger Steu­ern und Ab­ga­ben führt zu einem Steu­er­scha­den in die­ser Höhe, un­abhängig da­von, ob die Fest­set­zung der Höhe nach zu­tref­fend ist, und in­di­ziert das Ver­schul­den der Ge­schäftsführung i.S.d. § 69 Satz 1 AO. Im Streit­fall wa­ren diese Vor­aus­set­zun­gen erfüllt.

Der Haf­tungs­schuld­ner kann sich auch nicht mit der Begründung exkul­pie­ren, der an­dere Ge­schäftsführer sei für die Ent­rich­tung der Steu­ern ver­ant­wort­lich ge­we­sen. Bei ei­ner Ver­tei­lung der Ge­schäfte ei­ner GmbH auf meh­rere Ge­schäftsführer, die grundsätz­lich möglich ist (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), kann zwar die Ver­ant­wort­lich­keit ei­nes Ge­schäftsführers für die Erfüllung der steu­er­li­chen Pflich­ten be­grenzt wer­den. Dies er­for­dert je­doch eine vor­weg ge­trof­fene, ein­deu­tige schrift­li­che Fest­le­gung, wel­cher Ge­schäftsführer für wel­chen Be­reich zuständig ist, da­mit nicht im Haf­tungs­fall je­der Ge­schäftsführer auf die Ver­ant­wort­lich­keit des an­de­ren ver­weist. Im Streit­fall lag eine der­ar­tige ein­deu­tige, in der ge­bo­te­nen Schrift­form ge­trof­fene Ge­schäfts­ver­tei­lung nicht vor.

Da der Haf­tungs­schuld­ner und das Fi­nanz­amt gem. § 178 Abs. 3 InsO an die Ein­tra­gun­gen in die Ta­belle ge­bun­den sind, kom­men wei­tere Er­mitt­lun­gen zur Höhe des Steu­er­aus­falls und da­mit zur Höhe der Haf­tungs­summe nicht in Be­tracht. Denn die Ein­tra­gung in die Ta­belle er­setzt den Steu­er­be­scheid und wirkt u.a. ge­genüber al­len In­sol­venzgläubi­gern gem. § 178 Abs. 3 InsO für die fest­ge­stellte For­de­rung wie ein rechtskräfti­ges Ur­teil. Alle Per­so­nen bzw. Behörden, de­nen ge­genüber Bin­dungs­wir­kung be­steht, müssen die Fest­set­zung ge­gen sich gel­ten las­sen. So­weit keine Ände­rungs­norm ein­greift, können sie eine er­neute Ent­schei­dung in der­sel­ben Sa­che nicht ver­lan­gen, da über den­sel­ben Ge­gen­stand nur ein­mal ent­schie­den wer­den kann.

Diese Wir­kung des Ta­bel­len­ein­trags ist nicht auf das In­sol­venz­ver­fah­ren oder den In­sol­venz­schuld­ner be­schränkt. Für eine der­ar­tige Ein­schränkung fin­det sich we­der in § 178 Abs. 3 InsO noch sonst ein An­halts­punkt. Viel­mehr re­gelt § 178 Abs. 3 InsO ausdrück­lich, dass der Ta­bel­len­ein­trag al­len In­sol­venzgläubi­gern ge­genüber für die fest­ge­stellte For­de­rung nach Be­trag und Rang wie ein rechtskräfti­ges Ur­teil wirkt. Das gilt un­abhängig da­von, ob sie an dem Prüfungs­ter­min gem. § 176 Satz 1 InsO teil­ge­nom­men ha­ben oder nicht und un­abhängig da­von, ob die For­de­rung man­gels Wi­der­spruchs gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO als fest­ge­stellt gilt oder ob die Wir­kung des Wi­der­spruchs zunächst gem. §§ 179, 180 Abs. 1, 183 Abs. 2 InsO be­sei­tigt wer­den muss.

Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­falls, die eine Bin­dungs­wir­kung gem. § 178 Abs. 3 InsO den­noch - ins­be­son­dere im Hin­blick auf die Rechts­weg­ga­ran­tie des Art. 19 Abs. 4 GG - als grob un­bil­lig er­schei­nen las­sen, können und müssen ggf. im Rah­men der Er­mes­sens­ausübung berück­sich­tigt wer­den. Vor­lie­gend hat das FG auch zu­tref­fend ent­schie­den, dass die Er­mes­sens­ent­schei­dung des Fi­nanz­amts, den Haf­tungs­schuld­ner in An­spruch zu neh­men, nicht zu be­an­stan­den ist.

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