Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt ein Unternehmen auf den Gebieten des Reisegewerbes, des gewerblichen Güterkraftverkehrs sowie der Fahrzeugaufbereitung. Ihm ist die Besteuerung seiner Umsätze nach vereinnahmten Entgelten genehmigt worden. Im August 2015 fand beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt, die nach einer Prüfungserweiterung auch den Zeitraum 2013 umfasste. Im Juni 2016 wurde durch das StrafaFA gegen den Kläger ein Strafverfahren u.a. wegen Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen I/2013 bis I/2016 eingeleitet. Abschließend fand im Januar 2018 eine Schlussbesprechung zur Umsatzsteuersonderprüfung in den Diensträumen des Hauptzollamts, Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) statt.
Im Rahmen dieser Schlussbesprechung erfolgte eine tatsächliche Verständigung. Diese lautete für den Zeitraum 2013 dahin, dass für den Speditionsteil eine Zuschätzung von Umsätzen i.H.v. 30.000 € zzgl. 5.700 € Umsatzsteuer (19 %) und für den übrigen gewerblichen Teil (An- und Verkauf von Obst und Gemüse) eine Zuschätzung von Umsätzen i.H.v. 5.000 € zzgl. 350 € Umsatzsteuer (7 %) vorgenommen werden. Das Protokoll über die tatsächliche Verständigung ist vom Kläger persönlich und der Sachgebietsleiterin des Finanzamtes unterzeichnet worden.
Der Prüfer hatte festgestellt, dass bei Auswertung der Bankunterlagen Geldeingänge (für 2013: 19.870,17 €) zu verzeichnen seien, die er der Buchführung nicht habe zuordnen können. Diese Beträge seien noch der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Im Prüfungsbericht hieß es zudem, dass die Werte hinsichtlich der Zuschätzung in Rahmen einer tatsächlichen Verständigung vereinbart worden waren. Hierneben stellte der Prüfer fest, dass der Kläger in seinen Voranmeldungen bzw. Jahreserklärungen für die Jahre 2013-2016 Vorsteuern aus Scheinrechnungen geltend gemacht habe, die zu versagen seien. Schließlich sei die Vorsteuer für einen 2015 erworbenen, auf den Sohn des Klägers zugelassenen und laut Versicherungsschein ausschließlich privat genutzten BMW 530 D zu versagen, weil der PKW nicht für das Unternehmen des Klägers bezogen worden sei.
Das Finanzamt erließ daraufhin einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2013. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt.
Die Gründe:
das Finanzamt hat nach der bindenden tatsächlichen Verständigung aus Januar 2018 zwar zu Recht Umsatzzuschätzungen i.H.v. 30.000 € zzgl. 5.700 € Umsatzsteuer (19 %) und i.H.v. 5.000 € zzgl. 350 € Umsatzsteuer (7 %) vorgenommen. Hierneben war jedoch kein Raum für die Berücksichtigung weiterer Umsätze, die sich für den Prüfer nach Auswertung der Bankunterlagen ergeben hatten.
Die anlässlich der Schlussbesprechung getroffene tatsächliche Verständigung war formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Unbeachtlich war, dass sich der Kläger im Nachhinein nicht ausreichend beraten fühlte. Denn die Schriftform der tatsächlichen Verständigung musste für den Kläger entsprechende Warnfunktion gehabt haben. Schließlich wurde der Kläger über die Rechtswirkungen einer solchen tatsächlichen Verständigung umfassend belehrt und er war anwaltlich beraten worden.
Das Finanzamt durfte zusätzlich zu diesen Umsatzzuschätzungen aber nicht weitere Umsätze i.H.v. 16.697,62 € zzgl. 3.172,55 € Umsatzsteuer (19 %) berücksichtigen, die sich für den Beklagten nach Auswertung der Bankunterlagen ergeben hatten. Die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung tritt für die von ihr erfassten Abreden ein. Was einvernehmlicher Inhalt der tatsächlichen Verständigung ist, muss nach allgemeinen Auslegungsregeln ermittelt werden. Die im Streitfall getroffene, bindende tatsächliche Verständigung umfasste gemäß ihres Wortlautes auch die Mehrumsätze, die sich nach Auswertung der Bankunterlagen ergeben hatten.
Das Finanzamt konnte sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass tatsächliche Verständigungen im Allgemeinen nur für unklare Sachverhalte geschlossen würden und die zusätzlichen Transportumsätze i.H.v. brutto 19.870,17 € damit als klarer Sachverhalt neben der tatsächlichen Verständigung Berücksichtigung finden müssten. Denn in der vorliegenden tatsächlichen Verständigung wurde als unklarer Sachverhalt ohne Einschränkung die nicht ordnungsgemäße Buch- und Kassenführung bezeichnet. Dies umfasst demnach auch sämtliche nicht erfassten Umsätze.
Soweit die Behörde meinte, dass er mit der tatsächlichen Verständigung nicht auch eine Regelung für die sich als eindeutig darstellenden, durch Auswertung der Bankunterlagen ermittelten zusätzlichen Transporterlöse habe treffen wollen, war dies der tatsächlichen Verständigung nicht zu entnehmen. Der an der Verständigung beteiligte Kläger musste die schriftlich niedergelegte Erklärung der Behörde nach Verkehrsauffassung sowie Treu und Glauben nicht so verstehen, dass die Zuschätzungen neben die sich aus den Bankunterlagen ergebenden zusätzlichen Transporterlöse treten sollten.
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