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Steuerberatung

Tatsächliche Verständigung: Wegfall der Geschäftsgrundlage

BFH 11.4.2017, IX R 24/15

Die Bin­dungs­wir­kung ei­ner tatsäch­li­chen Verständi­gung kann aus­nahms­weise ent­fal­len, wenn ihr eine (irrtümlich) an­ge­nom­mene Ge­schäfts­grund­lage von vorn­her­ein ge­fehlt hat oder wenn sie nachträglich weg­ge­fal­len ist und einem der Be­tei­lig­ten ein Fest­hal­ten an dem Ver­ein­bar­ten nicht zu­zu­mu­ten ist.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Bin­dungs­wir­kung ei­ner tatsäch­li­chen Verständi­gung. Die Kläger sind Ehe­leute, die im Streit­jahr (2007) zu­sam­men zur Ein­kom­men­steuer ver­an­lagt wur­den. Der Kläger war zu 94 % an ei­ner GmbH be­tei­ligt, die Kläge­rin zu 6 %. Ge­gen­stand des Un­ter­neh­mens der GmbH war der An- und Ver­kauf, die Ver­wal­tung und die Ver­mitt­lung von Im­mo­bi­lien so­wie die Bauträgertätig­keit.

Aus der in­sol­venz­be­ding­ten Auflösung der GmbH mach­ten die Kläger für das Streit­jahr einen Ver­lust gel­tend. Während des fi­nanz­ge­richt­li­chen Ver­fah­rens schlos­sen die Kläger auf Vor­schlag des FG mit dem Fi­nanz­amt eine sog. tatsäch­li­che Verständi­gung. Da­nach sollte in tatsäch­li­cher Hin­sicht von einem be­reits im Jahr 2005 ent­stan­de­nen Ver­lust aus­ge­gan­gen wer­den.

Bei der Um­set­zung der Ver­ein­ba­rung stellte das Fi­nanz­amt fest, dass die Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zung 2005 we­gen ei­ner vom vor­ma­li­gen Be­ra­ter der Kläger erklärten Ein­spruchsrück­nahme nicht mehr änder­bar war. Da­her mach­ten die Kläger gel­tend, dass die tatsäch­li­che Verständi­gung we­gen Weg­falls der Ge­schäfts­grund­lage auf­zu­he­ben und der Auflösungs­ver­lust im anhängi­gen Streit­jahr 2007 an­zu­set­zen sei.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläger hob der BFH das Ur­teil auf und ver­wies die Sa­che an das FG zurück.

Die Gründe:
Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des FG ist nach den Grundsätzen über das Feh­len der Ge­schäfts­grund­lage mit der Rück­tritts­erklärung der Kläger die Bin­dungs­wir­kung der tatsäch­li­chen Verständi­gung ent­fal­len.

In Fällen er­schwer­ter Sach­ver­halts­er­mitt­lung ist eine tatsäch­li­che Verständi­gung über die tatsäch­li­chen Merk­male, die der Be­steue­rung zu­grunde zu le­gen sind, grundsätz­lich zulässig. An eine zulässige und wirk­sam zu­stande ge­kom­mene tatsäch­li­che Verständi­gung sind die Be­tei­lig­ten nach dem Grund­satz von Treu und Glau­ben grundsätz­lich ge­bun­den, auch wenn die Verständi­gung nicht sämt­li­che schwer aufklärba­ren Umstände des Be­steue­rungs­sach­ver­halts um­fasst. Die ge­gen­sei­tige Bin­dung ist da­bei je­der tatsäch­li­chen Verständi­gung im­ma­nent, ohne dass es ei­ner ausdrück­li­chen Erklärung der Be­tei­lig­ten be­darf.

Die Bin­dungs­wir­kung der tatsäch­li­chen Verständi­gung kann je­doch aus­nahms­weise (nachträglich) ent­fal­len, wenn ein we­sent­li­cher Um­stand, den die Par­teien als ge­mein­same Grund­lage der Verständi­gung vor­aus­ge­setzt ha­ben, nicht vor­liegt, so­dass ein Fest­hal­ten an der Ver­ein­ba­rung je­den­falls einem der Be­tei­lig­ten nach den Grundsätzen von dem Feh­len oder dem Weg­fall der Ge­schäfts­grund­lage nicht zu­zu­mu­ten ist.

Vor­lie­gend sind die Be­tei­lig­ten übe­rein­stim­mend von der ver­fah­rens­recht­li­chen Änder­bar­keit des Ein­kom­men­steu­er­be­scheids 2005 aus­ge­gan­gen. Da diese an­ge­nom­mene ge­mein­same Ge­schäfts­grund­lage von vorn­her­ein ge­fehlt hat, kommt der tatsäch­li­chen Verständi­gung keine Bin­dungs­wir­kung zu. Es kommt nicht dar­auf an, ob in Be­zug auf die Fehl­vor­stel­lung ein Ver­schul­den der Kläger vor­liegt. Das FG wird im zwei­ten Rechts­gang ohne Bin­dung an die Verständi­gung zu prüfen ha­ben, ob der Auflösungs­ver­lust - wie von den Klägern vor­ge­bracht - im Streit­jahr 2007 zu berück­sich­ti­gen ist.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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