Wie bereits in der letzten Ausgabe des novus berichtet, wurde Frau Prof. Dr. Ursula Ley, Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin und Partnerin bei Ebner Stolz in Köln, in den dazu gebildeten Arbeitskreis Tax Compliance der Bundessteuerberaterkammer Berlin berufen. Die Aufgabe dieses Arbeitskreises ist es, ein Papier für Steuerberater zur Einrichtung eines Tax Compliance-Systems zu entwickeln. Die Arbeiten sollen Ende 2017 abgeschlossen sein.
Wir gratulieren Ihnen zur Bestellung in den Arbeitskreis Tax Compliance der Bundessteuerberaterkammer. Compliance beschäftigt die Unternehmen in vielerlei Hinsicht. Auch in unserer im vergangenen Herbst hierzu gemeinsam mit dem F.A.Z.-Institut erstellten Studie bestätigen uns Unternehmen, dass sie sich im Steuerbereich vielfach Compliance-Risiken ausgesetzt sehen. Wie ist Ihre Wahrnehmung?
Das ist richtig. Die zunehmende Größe und Internationalisierung der Unternehmen einerseits und die zunehmende Komplexität des Steuerrechts andererseits lässt die steuerlichen Risiken steigen.
Warum werden diese Risiken gegenwärtig stärker wahrgenommen als noch vor einigen Jahren?
Die stärkere Fokussierung ist m.E. darauf zurückzuführen, dass sich das Steuerstrafrecht in den letzten Jahren extrem verschärft hat. Bei Hinterziehungen von mehr als einer Millionen Euro droht bereits eine Gefängnisstrafe. Falsche Steuererklärungen können für die Steuerpflichtigen oder ihre gesetzlichen Vertreter strafrechtliche Konsequenzen haben, die die Betroffenen verständlicherweise vermeiden möchten.
In welchen Steuerbereichen lauern die größten Compliance-Risiken?
Die größten Compliance-Risiken liegen bei der Umsatzsteuer, der Lohnsteuer aufgrund des Massenphänomens und bei grenzüberschreitenden Leistungen, auch beim Quellensteuereinbehalt aufgrund der Komplexität.
Wie sind Unternehmen und ihre Berater bisher mit diesen Risiken umgegangen?
Mit steuerlichen Risiken wurde keinesfalls leichtfertig umgegangen. Auch sie wurden in der Vergangenheit identifiziert. Auf eine Identifizierung vor der erstmaligen Steuerdeklaration kam es dabei aber nicht so sehr an. Denn die Abgabe einer berichtigten Steuererklärung wurde im schlimmsten Fall als straffreie Selbstanzeige gewertet, da sich Nacherklärung und Selbstanzeige nicht unterschieden. Dies hat sich grundlegend geändert. Die Anforderungen an eine Nacherklärung sind wesentlich geringer als an eine Selbstanzeige. Daher ist bei jeder Nacherklärung nunmehr eine Abgrenzung von vorsätzlicher oder leichtfertig unrichtiger Steuererklärung erforderlich, um dann eine Nacherklärung oder eine Selbstanzeige einzureichen. Die erforderlich gewordene Abgrenzung birgt Risiken in sich. Dem Beurteilungsrisiko kann am besten durch die Vermeidung einer falschen Steuererklärung begegnet werden. Dadurch aber gewinnt das Thema Tax Compliance an Bedeutung, da Ziel eines Tax Compliance-Systems die zeitgerechte Abgabe einer vollständigen und richtigen Steuererklärung ist.
Die hohen Compliance-Anforderungen können insbesondere im Kontext mit den gestiegenen Anforderungen an die strafbefreiende Selbstanzeige zu einer vorschnellen Kriminalisierung führen. Was halten Sie von dieser Gangart der Finanzverwaltung? Sind die Unternehmen nicht vielfach überfordert?
Bei den in den letzten Jahren bekanntgewordenen Hinterziehungsfällen habe ich einerseits Verständnis für die restriktivere Haltung der Finanzverwaltung, andererseits berücksichtigt sie aber häufig nicht ausreichend, dass Massen von Geschäftsvorfällen abgewickelt werden müssen und Fehler kaum vermieden werden können. Eine überzogene Kriminalisierung der Steuerpflichtigen ist daher unangebracht.
Spätestens seitdem der Anwendungserlass zu §153 AO vom 23.5.2016 in der Welt ist, ist Tax Compliance in aller Munde. Wie der BDI bestätigt, implementieren Unternehmen mit Hochdruck Tax Compliance-Systeme. Ist dieser Aktionismus berechtigt?
M.E. ist dies nicht der Fall. Es gibt keine gesetzliche Pflicht zur Einführung eines Tax Compliance-Systems. Nach meinen Kenntnissen des Mittelstands gibt es in den meisten Unternehmen Tax Compliance-Systeme. Das Problem besteht häufig „nur“ darin, dass die bestehenden Systeme nicht schriftlich dokumentiert und deren Anwendung selten effizient kontrolliert wird. Ein nicht dokumentiertes und kontrolliertes System wird im Fall der Nacherklärung den Vorwurf des Vorsatzes und der Leichtfertigkeit nicht ausschließen. Die Dokumentierung des vorhandenen Tax Compliance-Systems und die Implementierung von wirksamen Kontrollen sollte daher nun nachgeholt werden. Gleichzeitig sollte aber die Gelegenheit genutzt werden, bestehende Systeme zu überdenken und ggf. zu optimieren.
Gibt es eine Patentlösung für ein Tax Compliance-System, das Geltung für Unternehmen sämtlicher Rechtsform und Größe haben kann?
Nein leider nicht, da das System schon auf die betriebsindividuellen Gegebenheiten Rücksicht nehmen muss.
Wie sollte aus Ihrer Sicht ein Tax Compliance-System aussehen?
Die Komplexität des Systems sollte der Größe und Komplexität des Unternehmens angepasst sein. Je kleiner das Unternehmen, desto einfacher sollte das System sein.
Welche Anforderungen müsste ein Positionspapier erfüllen?
Da es sich um eine Handreichung an die Steuerberaterschaft handelt, zu deren Klientel gerade nicht die ganz großen Unternehmen gehören, sollte das Papier keine überzogenen Anforderungen an die KMU stellen.
Welche Themen werden darin schwerpunktmäßig abgebildet?
Dies lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zuverlässig sagen. Angedacht ist eine an den Steuerarten orientierte, prozessbezogene Beschreibung der Steuerrisiken. Dabei wird der Umsatzsteuer eine besondere Bedeutung beigemessen werden, da sie am Umsatz anknüpft und Massensachverhalte betrifft, die nur noch systematische Prüfungen und keinen Einzelfallprüfungen mehr unterzogen werden können.
Welchen Nutzen hat dieses Positionspapier für die Unternehmen?
Das Papier der Bundessteuerberaterkammer wendet sich in erster Linie an die Steuerberater. Es soll eine Handreichung darstellen, die es den Beratern ermöglicht, Tax Compliance-Systeme bei ihren Mandanten zu implementieren bzw. die Implementierung bei den Mandanten zu begleiten.