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Praktische Umsetzung der globalen Mindeststeuer: Herkulesaufgabe für die Unternehmen?

20.06.2023 | 4 Minuten Lesezeit

Mit der Verabschiedung der Mindestbesteuerungsrichtlinie auf EU-Ebene im Dezember 2022 sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, Regelungen zur Einführung einer globalen Mindeststeuer in ihr nationales Recht aufzunehmen. In Deutschland lässt ein umfassender Umsetzungsentwurf bereits erkennen, was auf betroffene Unternehmen ab 2024 zukommt. Mehr noch als etwaigen Steuermehrbelastungen dürften sich Unternehmen umfassenden administrativen Herausforderungen gegenübersehen. Entwarnung kann hier leider nicht gegeben werden, wenngleich es in den ersten Anwendungsjahren gewisse Erleichterungen geben könnte.

Konkretisierungen in Deutschland durch den vorliegenden Diskussionsentwurf

Mit einem geplanten Mindeststeuergesetz werden (multinationale ebenso wie nationale) Konzerne mit einem Gesamtjahresumsatz von mindestens 750 Mio. Euro in mindestens zwei von vier vorangehenden Geschäftsjahren verpflichtet, erstmals für das nach dem 30.12.2023 beginnende Wirtschaftsjahr zu überprüfen, ob der Gewinn aller in einer Jurisdiktion ansässigen Gruppenmitglieder einer effektiven Besteuerung von mindestens 15 % unterliegt. Liegt die effektive Steuerbelastung darunter, ist ein entsprechender Steuererhöhungsbetrag abzuführen, regelmäßig auf Ebene der Konzernmutter.

Zur Ermittlung des effektiven Steuersatzes in den jeweiligen Steuerhoheitsgebieten sind zum einen die sog. angepassten erfassten Steuern und zum anderen der sog. Mindeststeuer-Gewinn bzw. -Verlust zu ermitteln. Aus deren Verhältnis ergibt sich der effektive Steuersatz für die jeweilige Jurisdiktion. Bei der Ermittlung der maßgeblichen Größen sind umfangreiche Anpassungen an den aus der Handelsbilanz II bekannten Zahlen vorzunehmen. Dies macht eine umfangreiche Datenerhebung und -verarbeitung auf Ebene jeder einzelnen Konzerngesellschaft erforderlich, die in einem strukturierten Prozess zur Ermittlung der erforderlichen Informationen zusammenzuführen ist.

Befindet sich die Konzernmutter in Deutschland, hat diese den sich ergebenden Steuererhöhungsbetrag selbst zu ermitteln und in einer Steueranmeldung ihrem Betriebsstätten-Finanzamt elektronisch bis 15 Monate (im Erstanwendungsjahr 18 Monate) nach Ablauf des Wirtschaftsjahres zu übermitteln. Die Zahlung des Steuererhöhungsbetrags hat innerhalb eines Monats nach Abgabe der Steueranmeldung zu erfolgen. Zudem hat die Konzernmutter binnen des vorgenannten 15- bzw. 18-monatigen Zeitraums einen sog. Mindeststeuer-Bericht an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln, in dem neben Angaben zur Konzernstruktur alle notwendigen Angaben zur Berechnung des Steuererhöhungsbetrags zu machen sind. Diese Angaben umfassen sämtliche in- und ausländischen Geschäftseinheiten des Konzerns und grundsätzlich auch solche, die in nominellen Hochsteuerländern ansässig sind.

Erleichterungen insb. durch befristete Safe-Harbour-Regelungen

Unbefristete Safe-Harbour-Regelung bestehen für unwesentliche Geschäftseinheiten, also solche Einheiten, die z. B. nur aus Größen- oder Wesentlichkeitsgründen nicht in den Konzernabschluss einzubeziehen sind. Eine befristete Erleichterung sieht die Befreiung von der Mindeststeuer in den ersten fünf Jahren bei rein nationalen Gruppen bzw. solchen mit nur untergeordneter internationaler Tätigkeit vor. Daneben dürften insb. befristete CbCR-basierte Safe-Harbour-Regelungen für die Praxis von Interesse sein. Dabei sind drei Fälle vorgesehen, in denen für Wirtschaftsjahre bis regelmäßig einschließlich 2026 für Steuerhoheitsgebiete, in denen die Voraussetzungen erfüllt werden, ein Steuererhöhungsbetrag von 0 Euro anzusetzen ist:

  • Laut Country-by-Country-Reporting (CbCR) betragen die Umsatzerlöse weniger als 10 Mio. Euro und Gewinn vor Steuern von weniger als 1 Mio. Euro (De-Minimis-Test).
  • Der vereinfacht auf Basis der CbCR-Daten berechnete effektive Steuersatz (nebst bestimmter Modifikationen insb. zur Berücksichtigung latenter Steuern) beträgt mindestens 15 % (in 2024), 16 % (in 2025) bzw. 17 % (in 2026; vereinfachter ETR-Test).
  • Der Gewinn vor Steuern laut CbCR entspricht maximal dem sog. substanzbasierten Freibetrag, der anhand von Lohnkosten und materiellen Vermögenswerten ermittelt wird (Substanztest).

Die Anwendung einer dieser CbCR-Safe-Harbour-Regelungen könnte regelmäßig zu einem deutlich reduzierten Ermittlungsaufwand führen, da auf bereits vorhandenen bzw. ohnehin zu ermittelnden CbCR-Daten aufzusetzen wäre. Unklar sind derzeit zwar noch der genaue Umfang und der Detailgrad der Angaben in Mindeststeuer-Bericht bzw. Steuererklärung, soweit sich die Unternehmensgruppe auf die CbCR-Safe-Harbour-Regelungen beruft. Hier wäre eine Klarstellung im weiteren Gesetzgebungsprozess wünschenswert. Die grundsätzlichen Erklärungspflichten insbesondere der Konzernmutter sollten aber auch dann bestehen, wenn die CbCR-Safe-Harbour-Regelungen angewandt werden. Feststeht jedenfalls: Das CbCR bekommt durch die beschriebenen Regelungen eine materiell-rechtliche Bedeutung im Rahmen der Mindeststeuer. Betroffene Unternehmen sollte daher entsprechende Prozesse zur Sicherstellung der CbCR-Datenqualität frühzeitig einer kritischen Prüfung unterziehen und bei Bedarf an die Vorgaben der CbCR-Safe-Harbour-Regelungen anpassen.

Unsere Herangehensweise

Angesichts zahlreicher Staaten mit nominalen Unternehmenssteuersätzen von weit über 15 % dürfte insb. der vereinfachte ETR-Test für Erleichterungen in den ersten Anwendungsjahren der globalen Mindeststeuer sorgen. Dazu bietet es sich an, auf der Basis bereits vorhandener CbCR-Daten, an denen allerdings noch Modifizierungen vorzunehmen sind, zu prüfen, welche Steuerhoheitsgebiete unter diese Safe-Harbour-Regelung fallen könnten. Ebner Stolz hat dazu ein Tool entwickelt, welches es ermöglicht, mit überschaubarem Aufwand eine erste Einschätzung vorzunehmen, inwieweit durch den vereinfachten ETR-Test der Ermittlungs- und damit voraussichtlich auch der Deklarationsaufwand reduziert werden kann (s. nachfolgender Screenshot). Zudem vermittelt das Tool eine Indikation, in welchen Jurisdiktionen bzw. Konzerngesellschaften ggf. unplausible Datensätze vorliegen, die die Anwendung der Safe-Harbour-Regelungen verhindern könnten. Im Rahmen eines auf den konkreten Einzelfall zugeschnittenen Workshops prüfen wir dazu, wie die erforderlichen Daten ermittelt und nutzbar gemacht werden können. Ausgangspunkt ist die Analyse bereits bestehender Datenermittlungs- und Datenverarbeitungssysteme.

Fazit

Betroffene Unternehmensgruppen sollten bereits jetzt die Rechnungswesen-, Controlling- und Tax Reporting-Systeme aller Gruppenmitglieder überprüfen und so anpassen, dass die für die globale Mindeststeuer erforderlichen Daten effizient ermittelt werden können. Vorübergehend kommen Erleichterungen in Betracht, die insbesondere auf CbCR-Daten aufsetzen. Darüber hinaus gilt es, die gesamte Unternehmensgruppe und deren Datenermittlungs- und Informationssysteme für die globale Mindeststeuer fit zu machen. Die globale Mindeststeuer stellt ein komplett eigenständiges und neues Steuersystem dar. Gerne unterstützen wir Sie mit unseren praxiserprobten Workshops zur globalen Mindeststeuer, sich den neuen Herausforderungen zu stellen.