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IDW ES 16 zur Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement

28.04.2025 | 3 Minuten Lesezeit

Am 03.02.2025 hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) den Entwurf eines neuen Standards IDW ES 16 veröffentlicht, der sich mit der Ausgestaltung der Krisenfrüherkennung und des Krisenmanagements beschäftigt. In diesem Standard legt das IDW vor dem Hintergrund des derzeitigen Stands von Theorie, Praxis und Rechtsprechung die Anforderungen an die Krisenfrüherkennung und das Krisenmanagement nach § 1 StaRUG dar.

Der IDW ES 16 bietet wichtige Orientierungspunkte für Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensträger, die gemäß § 1 StaRUG fortlaufend zur Überwachung fortbestandsgefährdender Entwicklungen und damit zur Etablierung einer Krisenfrüherkennung und ggf. eines Krisenmanagements verpflichtet sind.

Verständnis für Krisenfrüherkennung

Fortbestandsgefährdend sind Entwicklungen, die ohne Gegenmaßnahmen zu einer Begründung oder erheblichen Erhöhung des Insolvenzrisikos führen. Sie können auf unterschiedliche interne und externe Faktoren zurückzuführen sein. Ihre Ursachen können in finanziellen (z. B. Finanzierung langfristiger Vermögenswerte durch kurzfristige Darlehen), betrieblichen (z. B. Verlust wichtiger Produkt- und Absatzmärkte) oder sonstigen Gegebenheiten liegen. Fortbestandsgefährdende Entwicklungen können sich durch einzelne oder die Aggregation von Risiken ergeben. Dieses Zusammenspiel einzelner Risiken ist nach IDW ES 16 bei der Beurteilung, ob fortbestandsgefährdende Entwicklungen vorliegen, zu berücksichtigen.

Die Krisenfrüherkennung i. S. d. § 1 StaRUG umfasst die Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen zur frühzeitigen Identifizierung bestandsgefährdender Entwicklungen im Unternehmen. Das bedeutet, dass in der Unternehmensorganisation wirksame Prozesse etabliert und umgesetzt sein müssen, die sicherstellen, dass eine Überwachung fortlaufend erfolgen kann.

Der Prozess der Krisenfrüherkennung ist als Teil des Planungsprozesses zu verstehen, bei dem die Unternehmensplanung den zentralen Bestandteil bildet. Die konkrete Ausformung und Reichweite einer Pflicht zur Krisenfrüherkennung ist dabei jedoch von der Größe, Branche, Struktur und auch der Rechtsform des jeweiligen Unternehmens abhängig.

Kernbestandteil Unternehmensplanung

Das Ziel der Unternehmensplanung, die Kernbestandteil der Krisenfrüherkennung ist, ist die zum Zeitpunkt der Planerstellung erwartete Entwicklung des Unternehmens abzubilden, insb. im Hinblick auf die Liquiditätsentwicklung. Diese Planung muss auf plausiblen Annahmen basieren, d. h. diese müssen nachvollziehbar, konsistent und frei von Widersprüchen sein. Maßgeblich ist die Sicht des Geschäftsleiters zum Zeitpunkt der Erstellung der Planung (sog. ex ante-Betrachtung), weshalb die Dokumentation der Annahmen und Prämissen der Planung von Bedeutung ist.

Der Planungshorizont sollte mindestens 12 Monate ab dem Beurteilungszeitraum betragen. Um Risiken frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können, kann aber ein Zeitraum von 24 Monaten zweckmäßig sein. Der Detaillierungsgrad der Planung ist abhängig von der Komplexität des Geschäftsmodells, dessen Krisenanfälligkeit sowie dem Krisenstadium, in dem sich das Unternehmen befindet.

Eine detaillierte Dokumentation der Krisenfrüherkennung und des Krisenmanagementprozesses ist unerlässlich, auch wenn das Gesetz keine explizite Dokumentationspflicht vorschreibt. Für Exkulpationsgründe und eine spätere Würdigung, ob die Geschäftsleiter ihren Verpflichtungen nach § 1 StaRUG nachgekommen sind, ist eine Dokumentation erforderlich und wird die Erstellung daher dringend angeraten.

Krisenmanagement

Werden fortbestandsgefährdende Entwicklungen erkannt, ist ein Krisenmanagement erforderlich. Zur Überwindung der fortgeschrittenen Krise sind dann geeignete Maßnahmen zu definieren, um wieder ein tragfähiges Geschäftsmodell zu erreichen. Dazu bedarf es der Erfüllung der folgenden Kernanforderungen, die den Kernbestandsteilen eines Sanierungskonzepts nach IDW S 6 entsprechen und damit eine gute Orientierung für die Überwindung der Krise und der Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens liefern:

  • Analyse der wirtschaftlichen und rechtlichen Ausgangslage des Unternehmens in seinem Umfeld (samt Vermögens-, Finanz- und Ertragslage)
  • Analyse von Krisenstadium und -ursachen sowie Prüfung, ob eine Insolvenzgefährdung besteht
  • Entwicklung eines Leitbilds mit dem Geschäftsmodell des sanierten Unternehmens
  • Identifikation von Maßnahmen zur Abwendung einer Insolvenzgefahr und Bewältigung der Krise sowie zur Herstellung o. g. Leitbilds
  • Erstellung eines integrierten Unternehmensplans, um festzustellen, ob die Maßnahmen ausreichen, um die Krise zu überwinden.

Skalierung der Anforderungen des IDW ES 16

Die gesetzlichen Vorgaben des § 1 StaRUG richten sich an alle Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensträger, unabhängig von ihrer Größe. Die Ausgestaltung der Krisenfrüherkennung und des Krisenmanagements ist an die Größe und Komplexität anzupassen und betrifft damit die Ausgestaltung der Unternehmensplanung, des Planungsprozesses, des Krisenmanagements und der Dokumentation. Dies erlaubt insb. kleineren Unternehmen, die Anforderungen des § 1 StaRUG auch ohne größere organisatorische Vorkehrungen zu erfüllen.

Fazit

Der neue Standard IDW ES 16 zeigt vor dem Hintergrund der in § 1 StaRUG gesetzlich verankerten Pflichten die Anforderungen an die Ausgestaltung der Krisenfrüherkennung und des Krisenmanagements auf. Um fortbestandsgefährdende Entwicklungen erkennen zu können, ist eine Unternehmensplanung unerlässlich. Zudem bedarf es eines wirksamen, in die Unternehmensorganisation eingebundenen Prozesses, um in herausfordernden Zeiten mögliche nachteilige Entwicklungen fortlaufend zu beobachten, damit - bei Bedarf - rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Für Geschäftsleiter ist es daher essenziell, den Prozess zu Krisenfrüherkennung und -management festzulegen, in die Unternehmenskultur zu integrieren und zu dokumentieren. Wir unterstützen Sie bei der Sicherstellung der Erfüllung der sich aus § 1 StaRUG ergebenden Anforderungen.