iStock

Unternehmen in der Insolvenz: Werkzeugkasten zur Sanierung

28.04.2025 | 4 Minuten Lesezeit

2024 mussten deutlich mehr Unternehmen Insolvenz anmelden als im Jahr zuvor. Laut Statistischem Bundesamt stieg die Zahl der Insolvenzen um 16,8 % - und für 2025 wird ein Rekordwert an Unternehmensinsolvenzen erwartet. Doch kann aus der Not eine Tugend gemacht werden: Denn in der Insolvenz stehen besondere leistungs- und finanzwirtschaftliche Mechanismen zur Verfügung, die eine grundlegende Restrukturierung des Unternehmens ermöglichen.

Laufender Geschäftsbetrieb als Ausgangspunkt

Die Insolvenzordnung sieht zahlreiche Instrumente zur Restrukturierung von Unternehmen vor. Allerdings setzt dies einen fortgesetzten Geschäftsbetrieb nach Antragstellung voraus, denn nur ein laufender Geschäftsbetrieb kann Ansatzpunkt für Veränderungen sein. Dafür stellt die Insolvenzordnung die erforderlichen Rahmenbedingungen bereit: So soll eine Einstellung nach Insolvenzantrag nur unter engen Voraussetzungen erfolgen und grundsätzlich der Entscheidung der Gläubigerversammlung nach Verfahrenseröffnung vorbehalten bleiben. Und mit der Insolvenzgeldvorfinanzierung steht dem (Eigen-)Verwalter ein liquiditätswirksames Mittel zur Verfügung, um den Geschäftsbetrieb einstweilen aufrecht zu erhalten.

Leistungswirtschaftliche Restrukturierungsinstrumente

Beendigung von Mietverträgen

Im Insolvenzverfahren kann der (Eigen-)Verwalter Dauerschuldverhältnisse mit einer Kündigungsfrist von maximal drei Monaten beenden. Dies gilt insb. für Mietverträge über Immobilien oder Räume, selbst wenn der Mietvertrag eine längere Vertragsdauer vorsieht.

Andere Dauerschuldverhältnisse

Bei gegenseitigen, noch nicht vollständig erfüllten Verträgen, wie etwa noch nicht abgewickelten Kaufverträgen, laufenden Leasingverträgen bzw. langlaufenden Energielieferverträgen kann der (Eigen-)Verwalter zwischen Erfüllung oder Nichterfüllung der Verträge wählen. Entscheidet er sich für die Nichterfüllung, gilt der Vertrag als beendet. Dann kann der Vertragspartner einen etwaigen Schaden nur als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden. Wählt der (Eigen-)Verwalter hingegen die Vertragserfüllung, wird der Vertrag fortgesetzt.

Hinweis: Der Vertragspartner kann selbst nicht kündigen. Er kann lediglich zur Ausübung des Wahlrechts auffordern. In diesem Fall gilt das Schweigen des (Eigen-)Verwalters als Wahl der Nichterfüllung.

„Die Insolvenzordnung gewährt dem (Eigen-)Verwalter kein Recht zur Vertragsanpassung. Verträge können also nur ganz oder gar nicht fortgeführt werden. Häufig führt aber das Vertragsbeendigungsrecht in der Praxis dazu, dass die Vertragsparteien neue Konditionen vor dem Hintergrund sonst drohenden Beendigung aushandeln.“

Vertragliche Abreden, die dem Vertragspartner in der Insolvenz ein Sonderkündigungsrecht zugestehen, sind zum Schutz der Insolvenzmasse unwirksam, § 119 InsO. Damit soll verhindert werden, dass die Insolvenz zur Vertragsbeendigung genutzt und dem Unternehmen die Grundlage entzogen wird.

Arbeitsplatzabbau leichter durchsetzbar

In einer Insolvenz können Personalanpassungen leichter durchgeführt werden. So ist die Kündigungsfrist für Arbeitsverträge auf maximal drei Monate begrenzt, selbst wenn die eigentliche Kündigungsfrist (vertraglich oder gesetzlich) länger wäre. Betriebsänderungen (wie z. B. der Abbau von Arbeitsplätzen und entsprechende Kündigungen in einem relevanten Umfang) bleiben zwar mitbestimmungspflichtig; die Sozialplanabfindungen sind allerdings zweifach gedeckelt und betragen höchstens einen Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten der betroffenen Arbeitnehmer. Kommt kein Insolvenzplan zustande, darf für Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der verteilungsfähigen Insolvenzmasse verwendet werden.

„Diese Erleichterungen entbinden nicht von der Pflicht zur Sozialauswahl. Die Flankierung der Personalmaßnahmen mit einer Namensliste, auf die sich Arbeitgeber und Betriebsrat einigen, ist daher häufig ratsam.“

Finanzwirtschaftliche Restrukturierungsinstrumente

Wurden im Rahmen einer Insolvenz leistungswirtschaftliche Maßnahmen vollzogen, ist die finanzwirtschaftliche Seite zu betrachten. Regelmäßig ist die Verschuldung ein die Insolvenz auslösender Umstand, sei es durch kurzfristige, nicht gedeckte Fälligkeiten (Zahlungsunfähigkeit) oder strukturelle Überschuldung. Auch lassen die vollzogenen leistungswirtschaftlichen Maßnahmen den Verschuldungsgrad steigen.

Zur Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit (GuV) und der Entschuldung der Passivseite (Bilanz) können die übertragende Sanierung und der Insolvenzplan herangezogen werden.

Übertragende Sanierung

Bei der übertragenden Sanierung werden die Vermögenswerte (Aktiva) des leistungswirtschaftlich restrukturierten Unternehmens im Wege eines Asset Deals auf einen neuen Rechtsträger übertragen. Die Verbindlichkeiten bleiben beim insolventen Rechtsträger zurück. Dadurch erhält die Insolvenzmasse einen Kaufpreis, der sie - nach Abzug der Verfahrens- und der laufenden Betriebskosten (Masseverbindlichkeiten) quotal an die Gläubiger ausgekehrt wird.

Verträge - von Arbeitsverträgen im Rahmen des sog. Betriebsübergangs abgesehen - gehen bei einem Asset Deal nicht automatisch auf den neuen Rechtsträger über. Für eine Vertragsüberleitung bedarf nämlich der Zustimmung des Vertragspartners, wodurch eine übertragende Sanierung mühsam, manchmal sogar unmöglich wird.

Sanierung durch Insolvenzplan

Alternativ kann eine Sanierung durch Insolvenzplan erfolgen. In diesem Fall wird der Rechtsträger selbst saniert. Im Rahmen eines Insolvenzplans einigen sich die Gläubiger und der Schuldner - vereinfacht gesprochen - auf eine Quotenzahlung. Der Insolvenzplan ist ein komplexes Werk aus einem darstellenden Teil und einem gestaltenden Teil. Er muss in einem gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin den Gläubigern (und ggf. auch den Gesellschaftern) zur Abstimmung vorgelegt wird.

Der Insolvenzplan braucht Mehrheiten - eine Zustimmung aller Gläubiger ist nicht erforderlich. Die Gläubiger stimmen in Gruppen ab. Innerhalb der Gruppen ist zum einen die Mehrheit der Gläubiger (Kopfmehrheit) und zum anderen die Mehrheit der Forderungen (Summenmehrheit) erforderlich. Grundsätzlich bedarf es der Zustimmung aller Gruppen, mindestens jedoch der Mehrheit der Gruppen. In Ausnahmefällen kann die Zustimmung einzelner Gruppen durch das Gericht ersetzt werden (sog. Obstruktionsverbot). Einzelne Gläubiger können nur gegen den Plan vorgehen, wenn sie durch den Plan schlechter gestellt sind. Aus diesem Grund muss der Insolvenzplan eine ausführliche Vergleichsrechnung beinhalten, die nachvollziehbar darlegt, dass die Gläubiger durch den Plan nicht schlechter gestellt sind.

„Die Vergleichsrechnung ist das Herzstück des Insolvenzplans und beinhaltet eine Berechnung des hypothetischen Alternativszenarios. Vielfach verlangt dies eine komplexe Szenarioanalyse auf Basis der Planungsdaten im Unternehmen.“

Die Gläubigermehrheit kann in einem Insolvenzplan auch über gesellschaftsrechtliche Maßnahmen beschließen und eine Änderung der Gesellschafterstruktur herbeiführen. Nach rechtskräftigem Insolvenzplan hebt das Gericht das Insolvenzverfahren auf, und die Rechtsträgersanierung ist abgeschlossen.

Fazit

Auch wenn die beste Krise diejenige ist, die vermieden werden kann, kann es doch dazu kommen, dass eine Insolvenz unvermeidbar ist. Das muss nicht das Ende bedeuten, sondern eröffnet vielfach Möglichkeiten, das Unternehmen neu aufzustellen. So verstanden, kann eine Insolvenz auch die Möglichkeit der zweiten Chance eröffnen.