Andreas Schüren, Managing Partner bei Ebner Stolz Management Consultants, wies darauf hin, dass der Markt auch weiterhin herausfordernd bleibt. Aber die Investitionsbereitschaft steige derzeit wieder. Dieser positive Trend setze sich auch in den kommenden Monaten fort.
Die Vortragsthemen spiegelten die Fragen wider, mit denen sich die Branche beschäftigt: agrarpolitische Rahmenbedingungen, Personal und Recruiting, Markentransformation, Internationalisierung und natürlich Digitalisierung. Durch die Veranstaltung führte Christoph Havermann, Partner bei Ebner Stolz.
Globale Trends im Agribusiness
Als erster Redner eröffnete Dr. Helmut Schramm, Geschäftsführer von Bayer CropScience Deutschland. Mit seinem Vortrag über moderne Landwirtschaft legte er den Finger in die Wunde. Die gesellschaftliche Akzeptanz für den Agrarsektor fehle vielfach. Der Verbraucher sehne sich nach einem stilisierten, romantisierten Bild von Landwirtschaft, befeuert durch die Werbung. Großbetriebe, Pflanzenschutzmittel und Gentechnik fügten sich zu einem regelrechten Feindbild. Dabei müsse die Produktivität bis 2025 um 60 Prozent steigen, wolle man den Effekten von Bevölkerungswachstum, Agrarflächenverlusten und Klimawandel entgegenwirken. Dafür brauche man integrierte Lösungen, chemisch oder biologisch, in jedem Fall aber auch digital. Zudem sei eine faktenbasierte Information und Kommunikation in Richtung der Verbraucher unerlässlich.
Wer hat die beste (digitale) Idee?
Prof. Klaus Josef Lutz, Vorstandsvorsitzender der BayWa, forderte, man müsse den Agrarsektor integriert betrachten. Alles hinge mit allem zusammen. Selbst was lokal produziert werde, habe globale Auswirkungen.
Auch er zeigte den produktiviätssteigernden Hebel von digitalen Produktinnovationen auf. Die Digitalisierung berge aber auch neue Herausforderungen, zum Beispiel die algorithmusgesteuerte Spekulation. Oder finanzstarke, branchenfremde Player. Deren Vorstöße mischten den Markt schon jetzt deutlich auf, siehe „amazon fresh“. Es gehe auch in der Agrar- und Ernährungsindustrie immer mehr um die Frage: Wer hat die beste Idee? Weitere Felder für innovative Lösungen seien Urban/Vertical Farming, das Internet der Dinge oder die Durchdringung durch Roboter.
Pflichten und Möglichkeiten der Agrarpolitik
Besonders im Agrarsektor sind die politischen Rahmenbedingungen entscheidend, wenn es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit geht. Dr. Ludger Schulze Pals, Chefredakteur der top agrar, sprach mit Christina Schulze-Föcking, NRW-Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, und Dr. Helmut Schramm über aktuelle Themen: So fordert die Industrie seit Langem, die Politik solle Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel beschleunigen und vereinfachen. Gesellschaftlich umstritten ist auch die Frage, ob neue molekularbiologische Züchtungsmethoden wie das Gen-Editing mit CRISPR/Cas unter das strenge Gentechnikrecht fallen oder nicht, es sich also um ein neues Produkt oder nur einen neuen Prozess handelt. Ein gemeinsames Anliegen von Frau Schulze-Föcking und Herrn Dr. Schramm: Diskussionen ehrlich und ideologiefrei führen und Entscheidungen wissenschaftsbasiert treffen.
Digitalisierung bedeutet Dematerialisierung
„Alles, was digitalisiert, automatisiert und vernetzt werden kann, wird digitalisiert, automatisiert und vernetzt werden.“ So startete Karl-Heinz Land, Geschäftsführer der Beratung neuland, seinen Vortrag und brachte auf den Punkt, wohin die Reise geht: Online- und Offline-Welt würden verschmelzen. Produkte besäße man nicht mehr, sondern nutze und teile sie. Dienstleistungen seien die Zukunft. Innovations- und Produktlebenszyklen würden immer kürzer. Und all das geschehe exponentiell schnell.
Was zunächst abstrakt klingt, hat laut Karl-Heinz Land enorme Auswirkungen: Viele Dinge würden verschwinden, wenn sie es nicht schon bereits getan hätten. Wenn ein Bahnticket nur noch auf dem Handydisplay erscheine, brauche man den Drucker nicht mehr, der das Ticket ausdruckt. Und damit müssten auch die 300 Komponenten, aus denen der Drucker bestünde, nicht mehr produziert, geliefert und gelagert werden usw. Kurz: Die Dematerialisierung habe Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette.
Analog kaufen, digital erleben
Mehr Tradition geht nicht: Das Unternehmen Peter Kölln, berühmt für seine Haferflocken, gibt es bereits fast 200 Jahre. Doch auch dieser Mittelständler muss sich den technologischen Herausforderungen stellen. Geschäftsführer Dr. Christian von Boetticher startete seinen Vortrag mit einer Zahl, die die Sonderstellung der Branche illustriert: Nur 5,8 Prozent Menschen sagten, sie würden Lebensmittel auch online kaufen. Bei allen anderen Produkten liege der Anteil um ein Vielfaches höher. Bleibt hier also alles, wie es ist? Nein. Es ändere sich zwar nicht die Art, wie wir Lebensmittel einkaufen, so Dr. von Boetticher. Es ändere sich jedoch sehr die Art, wie wir eine Marke wahrnähmen und darüber kommunizierten. Deshalb müsse man auch bei Lebensmitteln ein digitales Pendant kreieren und die Marke im Netz erlebbar machen. Außerdem böten die neuen Kanäle die einzigartige Möglichkeit, schnell und unmittelbar zu erfahren, was der Kunde wirklich wolle und wie er lebe. Neben dem eigentlichen Verkauf gehe es in Zukunft darum, diese wertvollen Daten zu sammeln und mit dem Verbraucher in einen Dialog zu treten.
Die Zukunft braucht Unternehmergeist
Prof. Dr. Ulrike Detmers, Gesellschafterin und Mitglied der zentralen Unternehmensleitung der Mestemacher-Gruppe widmete sich dem Themenkreis Unternehmertum, Führung und Recruiting. Sie erläuterte, wie eine zielorientierte Personalführung aussehen kann: Klare und transparente Ziele, Aufgaben und Termine einerseits. Und gegenseitiger Respekt, weniger zeitraubende Meetings und ein ganzheitlicher Ansatz andererseits. Der Personaleinsatz solle effektiv und effizient erfolgen, ohne den Apparat aufzublähen. Sie plädierte außerdem für Teams mit möglichst vielen und vielfältigen Charakteren.