KI in der Wirtschaftsprüfung - Datenqualität ist das A&O
Das Team rund um Markus Groß bei RSM Ebner Stolz setzt bereits seit vielen Jahren individuelle Datenanalysen zur Steigerung der Effizienz und zur Informationsgewinnung ein. Seit 2020 entwickelt der heutige Bereich Data Science von RSM Ebner Stolz mit ESDAT eine zentrale Datenanalyseplattform für die Abschlussprüfung, die basierend auf einer zentralen und standardisierten Datenhaltung die unterschiedlichen Analysen und Helfer für die Abschlussprüfung als webbasierte Anwendung bereithält. Diese zentrale Datenbank enthält inzwischen Milliarden von Datensätzen in vereinheitlichter Form, die bereits heute die Basis für Entwicklungsprojekte im Bereich der künstlichen Intelligenz darstellt. Christoph Brauchle, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner von RSM Ebner Stolz und Jörg Hossenfelder, geschäftsführender Gesellschafter von Lünendonk und Hossenfelder, sprechen mit Markus Groß, Wirtschaftsprüfer und Partner bei RSM Ebner Stolz in Frankfurt, wohin die Reise der Rechnungslegung im Allgemeinen und der Wirtschaftsprüfung im Besonderen unter dem Einsatz von künstlicher Intelligenz geht.
Wie hat sich die Jahresabschlussprüfung in den letzten Jahren durch den Einsatz von KI und modernen Technologien verändert?
Bereits seit einigen Jahren beobachten wir eine deutliche Zunahme der Digitalisierung unserer Mandanten. Sie wirkt sich auch unmittelbar auf die Abschlussprüfung aus. Einerseits besteht ein besseres Verständnis auf Seite unserer Mandanten, was mit der richtigen Datenbasis möglich ist, um Effizienzvorteile in betrieblichen Prozessen zu erzielen. Diese Erwartungen strahlen auch auf den Abschlussprüfungsprozess aus.
Welche technologischen Anwendungen setzt Ihr bei der Prüfung von Unternehmen ein? Wie hoch ist bei den von Euch eingesetzten Tools der KI-Anteil?
Datenanalysen sind essenziell in der Jahresabschlussprüfung. Früher behinderten viele individuelle Faktoren ihre Nutzung, weswegen wir zu zentralisierter Datenhaltung und -analyse übergingen. Mit abgestimmten Werkzeugen bewältigen wir heute den Prozess von der Datenerhebung über ihre Aufbereitung bis hin zur Ausgabe. Wir können daher KI-gestützte Analysen auf Buchungsjournalen und den Stammdaten mit wenig Aufwand ausführen. Wir forschen zu einem KI-gestützten Abgleich lose gekoppelter Datenquellen, zu Vorhersage- und Klassifikationsmodellen sowie zur Anomalieerkennung. Unsere prüfenden Kollegen sehen jedoch weder R noch Python, sondern eine einheitlich gestaltete Webanwendung als zentralen Anlaufpunkt.
In welchen Bereichen der Jahresabschlussprüfung siehst Du den größten Mehrwert durch den Einsatz von KI? Kannst Du konkrete Beispiele nennen, bei denen KI-gestützte Tools oder andere moderne Anwendungen zu einer signifikanten Effizienzsteigerung geführt haben?
Den größten Mehrwert versprechen Effizienzgewinne durch Automatisierung und verbesserte analytische Fähigkeiten. Möglich wird dies durch eine zentralisierte und standardisierte Datenhaltung, die gleichzeitig eine automatische Erstellung von Arbeitspapieren erlaubt und manuelle ad-hoc Datentransformationen unnötig macht. Mit Blick auf maschinelles Lernen resultieren Effizienzsteigerungen u.a. aus der Erkennung von Anomalien. Insgesamt verspricht KI die Reduktion repetitiver und zeitintensiver Aufgaben, wodurch die Prüfungsteams sich auf komplexe und wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren können.
Welche Rolle spielen Datenqualität und -management in der KI-gestützten Jahresabschlussprüfung?
Als Abschlussprüfer ist Datenzugriff häufig kein Problem, da wir uns in der privilegierten Position befinden, einen gesetzlichen Anspruch auf Daten zu genießen. Die Datenqualität ist jedoch häufig eine echte Herausforderung. Teilweise umfassen die bereitgestellten Daten mehrere Millionen Zeilen. Da steckt der Teufel im Detail und ist auf den ersten Blick nicht leicht zu finden. Doch selbst wenn all diese Hürden genommen sind, ist man als Abschlussprüfer vor Überraschungen nie gefeit, da auch die gleiche Information bei unterschiedlichen Mandanten verschiedene Bedeutungen haben kann. Hier sind gute Systeme und Mechanismen der Qualitätssicherung gefragt.
Welche Herausforderungen treten typischerweise beim Einsatz von KI-Tools in der Wirtschaftsprüfung auf?
Die wohl bedeutendsten Herausforderungen verbinden sich mit der Heterogenität und Qualität der Daten. Alle eingesetzten Werkzeuge müssen unter unterschiedlichsten Voraussetzungen gültige und verlässliche Aussagen formulieren. Die oft unbestimmten manchmal überzogenen Erwartungen kommen hinzu. Zudem fehlen häufig gelabelte Trainingsdaten - die Grundvoraussetzung zahlreicher Algorithmen aus dem maschinellen Lernen. Die entscheidende Herausforderung macht sich allerdings an Transparenz und Erklärbarkeit der Ergebnisse fest. Eine KI-basierte Analyse im Kontext der Abschlussprüfung muss zu nachvollziehbaren Ergebnissen kommen, sonst kann sich der Abschlussprüfer kein eigenständiges Urteil bilden. Gleiches gilt für Institutionen der Berufsaufsicht und -qualitätssicherung, die Verfahren und Schlussfolgerungen nachvollziehen können müssen.
Wie beurteilst Du die Akzeptanz und das Vertrauen in KI-gestützte Prüfungsergebnisse bei Mandanten und Stakeholdern
Insgesamt schenken Mandanten und Stakeholder dem Beruf des Wirtschaftsprüfers großes Vertrauen. Jedoch haben sie aufgrund der berufsüblichen Berichterstattung keinen Einblick in die Nutzung künstlicher Intelligenz durch das Prüfungsteam. Tatsächlich ist der Beitrag von künstlicher Intelligenz in der Jahresabschlussprüfung oft schwer zu messen und noch schwerer kommunizieren. Bislang begegnen nach meinem Eindruck Mandanten und Stakeholder KI-gestützten Prüfungsergebnissen mit gutem Willem.
Wo siehst Du die Grenzen von KI in der Jahresabschlussprüfung und welche Aufgaben sollten weiterhin von menschlichen Prüfern übernommen werden?
KI-Systeme erbringen heute bereits beeindruckende Leistungen, sind aber noch weit von den Fähigkeiten des menschlichen Gehirns entfernt. Bilanzierungsfehler ergeben sich häufig aus einer fehlerhaften Anwendung von Bilanzierungsstandards. Eine sachgerechte Anwendung ist oft eng verknüpft mit einem Verständnis für das wirtschaftliche Wesen einer Transaktion, das sich nicht ausschließlich aus vertraglichen Vereinbarungen ergibt. Insbesondere wenn es um implizit vorhandene Informationen geht, erreichen KI-Systeme rasch ihre Grenzen, da sie auf explizite, eindeutige und digital verfügbare Daten angewiesen sind.
Diese Grenzen betonen die Notwendigkeit, menschlichen Prüfern weiterhin wichtige Aufgaben zu überlassen, wie etwa das Verstehen und Interpretieren besonders komplexer Geschäftsvorfälle und Verträge oder beispielsweise die Berücksichtigung von Branchenspezifika.
Wie stellst Du sicher, dass die menschliche Expertise und Urteilsfähigkeit in einem zunehmend automatisierten Prüfungsprozess erhalten bleibt?
Indem ein vollautomatisierter Prüfungsprozesses gar nicht erst etabliert wird. Die Abschlussprüfung umfasst eine Reihe repetitiver Aufgaben, die keine langfristige Begeisterung für den Beruf auslösen kann. Digitalisierung und künstliche Intelligenz sollen unsere Kolleginnen und Kollegen von diesen Aufgaben befreien und ihnen die Konzentration auf die spannenden Aufgaben des Berufs erlauben. Der Reiz der Abschlussprüfung liegt im Verstehen und Verknüpfen von komplexen Sachverhalten, um daraus belastbare Schlüsse zu ziehen. Dabei sind wir immer wieder mit neuen Geschäftsmodellen konfrontiert und erhalten spannende Eindrücke. Diese im Kontext von Rechnungslegung und Prüfung einfließen zu lassen, macht den Reiz des Berufs aus. Hier ist auch weiterhin der Mensch gefragt.
Blick in die Zukunft: Wie weit sind wir im Jahr 2030?
Antworten auf derartige Fragen altern meistens so gut wie Milch, aber Challenge Accepted. Im Jahr 2030 wird künstliche Intelligenz den fortschreitenden Fachkräftemangel wenigstens in Teilen kompensieren. Die Wirtschaftsprüfung wird routiniert und automatisiert externe Informationen heranziehen, um die Prüfung schneller und sicherer zu machen. Ich erwarte einerseits den Abgleich zwischen Mandanten derselben WP-Gesellschaft und andererseits die Einbindung externer Datengeber zum Zweck einer unabhängigen Drittbestätigung von Sachverhalten im Jahresabschluss. Sollten sich der deutsche Staat und die Europäische Union endlich zu kompetenten Standardsetzern in Digitalisierungsbelangen entwickeln, dann rechne ich auch mit verbindlichen Schnittstellen, die die Kommunikation zwischen verschiedenen Akteuren der Abschlussprüfung, bspw. Banken und Wirtschaftsprüfer, regeln.
Vielen Dank, Markus, für das Gespräch.
Hinweis: Das gesamte Interview mit Markus Groß lesen Sie in unserer aktuellen, gemeinsam mit Lünendonk & Hossenfelder veröffentlichten Studie „Künstliche Intelligenz im Rechnungswesen, der Abschlusserstellung und der Wirtschaftsprüfung“.
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