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Rechtsberatung

Überprüfung von OPS-Strukturmerkmalen nach der Corona-Gnadenfrist

Durch das MDK-Re­form­ge­setz vom 14.12.2019 hat der Ge­setz­ge­ber das Sys­tem der Kran­ken­aus­ab­rech­nungsprüfung grund­le­gend re­for­miert. Strit­tige Ab­rech­nungs­fra­gen zwi­schen Kran­kenhäusern und Kran­ken­kas­sen und die Zahl der Ein­zel­falla­brech­nungsprüfun­gen sol­len hier­durch re­du­ziert wer­den.

Zu die­sem Zweck wurde der neue § 275d SGB V ein­geführt, wo­nach die Struk­tur­merk­male ab­rech­nungs­re­le­van­ter OPS-Ko­des durch den Me­di­zi­ni­schen Dienst (MD) künf­tig im Vor­aus gebündelt und außer­halb des Ein­zel­falls überprüft wer­den sol­len. Hier­bei müssen sich die Kran­kenhäuser die Ein­hal­tung der Struk­tur­merk­male für ent­spre­chende Leis­tun­gen be­gut­ach­ten und po­si­tiv be­schei­ni­gen las­sen, um diese dann bei den Kran­ken­kas­sen ab­rech­nen zu können. Die Vor­schrift trat zum 01.01.2020 in Kraft. Zur Ent­las­tung der Kran­kenhäuser im Rah­men der Corona-Pan­de­mie wurde die Prüfung der Struk­tur­merk­male zwar aus­ge­setzt. Am 20.05.2021 hat das Bun­des­mi­nis­te­rium für Ge­sund­heit al­ler­dings die Richt­li­nie des Me­di­zi­ni­schen Diens­tes des Spit­zen­ver­ban­des Bund der Kran­ken­kas­sen (MD Bund) „Re­gelmäßige Be­gut­ach­tun­gen zur Ein­hal­tung von Struk­tur­merk­ma­len von OPS-Ko­des nach § 275d SGB V“ (im Fol­gen­den kurz „Prüfricht­li­nie“) ge­neh­migt, mit der das Ver­fah­ren zur Um­set­zung der Prüfun­gen ein­heit­lich fest­ge­legt und der Start­schuss für die Prüfungs­sai­son 2021 ge­ge­ben wurde.

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Richtlinie für die Prüfung von OPS-Strukturmerkmalen

Aus der Prüfricht­li­nie vom 27.05.2021 er­ge­ben sich alle ab­rech­nungs­re­le­van­ten OPS-Ko­des mit Struk­tur­merk­ma­len so­wie die ein­zel­nen Struk­tur­vor­aus­set­zun­gen. Die Richt­li­nie enthält darüber hin­aus die An­for­de­run­gen an die An­trags­stel­lung durch das Kran­ken­haus, den Um­fang der ein­zu­rei­chen­den Nach­weise, das Nähere zur Durchführung der Prüfung so­wie all­ge­meine Be­stim­mun­gen zur Gültig­keits­dauer der Be­schei­ni­gun­gen.

Die An­trags­frist für das Prüfjahr 2021 ist grundsätz­lich am 30.06.2021 ab­ge­lau­fen. Der MD Bund hat je­doch zu­ge­si­chert, dass auch Anträge, die bis zum 15.08.2021 ein­ge­reicht wur­den, nicht als verspätet ge­wer­tet wer­den. Der An­trag auf Durchführung ei­ner Struk­turprüfung konnte in die­sem Jahr mit­hin in der Zeit vom 20.05.2021 bis zum 15.08.2021 bei dem MD des je­wei­li­gen Bun­des­lan­des ge­stellt wer­den.

Interne Vorprüfung

Grundsätz­lich gilt: Vor ei­ner Be­gut­ach­tung sollte das Kran­ken­haus in einem ers­ten Schritt sämt­li­che ab­rech­nungs­re­le­van­ten OPS-Ko­des an­hand der An­lage 2 der Prüfricht­li­nie iden­ti­fi­zie­ren. Im An­schluss hieran sind die hierfür not­wen­di­gen Struk­tur­merk­male zu er­mit­teln, über die gemäß An­lage 6 ein Nach­weis geführt wer­den muss. In An­lage 6 fin­det sich eine Auf­lis­tung der er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen pro Struk­tur­merk­mal.

Beispiel OPS-Kode 8-550

Ger­ia­tri­sche frühre­ha­bi­li­ta­tive Kom­plex­be­hand­lung: Struk­tur­merk­mal „Mul­ti­pro­fes­sio­nel­les Team un­ter fachärzt­li­cher Be­hand­lungs­lei­tung (Zu­satz­be­zeich­nung, Schwer­punkt­be­zeich­nung oder Fach­arzt­be­zeich­nung im Be­reich Ger­ia­trie er­for­der­lich). Die Be­hand­lungs­lei­tung muss über­wie­gend in der zu­gehöri­gen ger­ia­tri­schen Ein­heit tätig sein.“

Die­ses Struk­tur­merk­mal er­for­dert fol­gende Nach­weise:

  • Fach­arz­tur­kun­den/Qua­li­fi­ka­ti­ons­nach­weise der Per­so­nen, die die Be­hand­lungs­lei­tung si­cher­stel­len,
  • Nach­weis über den Stel­len­an­teil an der Be­hand­lungs­lei­tung be­tei­lig­ter Per­so­nen (z. B. Ar­beits­ver­trag),
  • Nach­weis über die Si­cher­stel­lung der Be­hand­lungs­lei­tung (z. B. Dienstpläne, Vi­si­tenpläne, SOP) und Nach­weis über die über­wie­gende Tätig­keit der fachärzt­li­chen Be­hand­lungs­lei­tung in der ger­ia­tri­schen Ein­heit (z. B. Ar­beits­ver­trag, Dienstpläne).

Lie­gen alle Un­ter­la­gen für sämt­li­che Struk­tur­merk­male vor, be­an­tragt das Kran­ken­haus pro OPS-Kode und ggf. pro be­trof­fe­ner Sta­tion bzw. Ein­heit die Struk­turprüfung beim ört­lich zuständi­gen MD. Das ent­spre­chende An­trags­for­mu­lar hierzu fin­det sich in An­lage 1 der Prüfricht­li­nie. Eben­falls ein­zu­rei­chen ist ein Selbst­aus­kunfts­bo­gen pro OPS-Kode.

Folgen im Falle eines Negativattests

Im Falle ei­nes Ne­ga­ti­vat­tests blei­ben dem Kran­ken­haus die Ab­rech­nung und die Ver­ein­ba­rung ent­spre­chen­der Leis­tun­gen ab dem 01.01.2022 ver­wehrt. In die­sem Fall soll das Kran­ken­haus aber eine Wie­der­ho­lungsprüfung über die Ein­hal­tung der Struk­tur­merk­male im Jahr der ur­sprüng­li­chen An­trag­stel­lung durch den MD be­an­tra­gen können. Die Gründe für das ne­ga­tive Prüfer­geb­nis kann das Kran­ken­haus dem Gut­ach­ten ent­neh­men und ent­spre­chend „nach­bes­sern“. Im Zwei­fel wird sich ein Kran­ken­haus ent­schei­den müssen, ob es die Leis­tun­gen in der Form wei­ter an­bie­ten möchte.

Ausnahmen im Rahmen der Prüfung

Kran­kenhäuser müssen die Struk­tur­merk­male das ge­samte Jahr über ein­hal­ten. Den Prüfungs­zeit­raum wählt der MD aus. In der Re­gel liegt die Zeit­spanne da­bei vor der An­trag­stel­lung und um­fasst drei zu­sam­menhängende Mo­nate. § 25 Abs. 4 KHG re­gelt eine Aus­nahme und berück­sich­tigt die bis­lang an­ge­spannte Lage der Kran­kenhäuser in Folge der Corona-Pan­de­mie. Weist das Kran­ken­haus nach, im Zeit­raum vom 01.11.2020 bis zum 30.06.2021 Corona-Pa­ti­en­ten auf­ge­nom­men zu ha­ben, dürfen Struk­tur­merk­male aus­nahms­weise nur vorüber­ge­hend ein­ge­hal­ten wor­den sein. Ins­be­son­dere für in­ten­siv­me­di­zi­ni­sche Kom­plex­be­hand­lun­gen wird die Möglich­keit zur Überprüfung der struk­tu­rel­len Min­dest­an­for­de­run­gen für diese Mo­nate aus­ge­setzt, denn viele Kran­kenhäuser muss­ten ihre in­ten­siv­me­di­zi­ni­schen Be­hand­lungsmöglich­kei­ten kurz­fris­tig auf­sto­cken und konn­ten in der Zeit nicht alle struk­tu­rel­len An­for­de­run­gen erfüllen. Hier wirkt sich mögli­cher­weise die Frist­verlänge­rung für die An­trags­stel­lung bis zum 15.08.2021 aus, denn die Er­leich­te­run­gen der Struk­turprüfung nach § 25 KHG sind le­dig­lich auf Prüfzeiträume bis zum 30.06.2021 be­schränkt.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Gemäß § 275d Abs. 2 SGB V er­hal­ten die Kran­kenhäuser so­wohl bei Ein­hal­tung als auch bei Nicht­ein­hal­tung der Struk­tur­merk­male der be­an­trag­ten und geprüften Struk­tur­vor­aus­set­zun­gen einen Be­scheid des MD. Die­ser stellt einen Ver­wal­tungs­akt dar. Er­geht ein ab­leh­nen­der Be­scheid, kann hier­ge­gen Wi­der­spruch er­ho­ben wer­den. Die Prüfung des Wi­der­spruchs wird zunächst durch den je­wei­li­gen Erst­gut­ach­ter durch­geführt. Gibt der ur­sprüng­lich be­stellte Gut­ach­ter dem Wi­der­spruch nicht statt, wird bei er­neu­ter Überprüfung des Fal­les ein zwei­ter Gut­ach­ter be­nannt. Ha­ben beide Gut­ach­ter den An­trag des Kran­ken­hau­ses im Wi­der­spruchs­ver­fah­ren ab­ge­lehnt, er­geht ein Wi­der­spruchs­be­scheid, ge­gen den das Kran­ken­haus so­dann Klage vor dem So­zi­al­ge­richt er­he­ben kann. Streit­punkte wer­den hier­bei al­ler Vor­aus­sicht nach die we­sent­lich zu ab­strakt ge­fass­ten Struk­tur­merk­male sein, da sie in der jet­zi­gen Fas­sung noch der Aus­le­gung durch den MD bedürfen.

Eine Fest­stel­lungs­klage ge­gen die Prüfricht­li­nie, etwa mit Blick auf die dis­ku­tier­ten da­ten­schutz­recht­li­chen Be­den­ken, dürfte auf­grund der Be­ar­bei­tungs­dauer ei­nes ent­spre­chen­den Ver­fah­rens für eine Ab­rech­nung im Jahr 2022 nicht wei­ter­hel­fen. Viel­mehr wird für den Er­halt ei­ner frist­wah­ren­den po­si­ti­ven Prüfbe­schei­ni­gung mit­un­ter die Ein­lei­tung ei­nes Eil­ver­fah­rens in Be­tracht zu zie­hen sein. Zwar ha­ben Wi­der­spruch und Klage ge­gen einen Ne­ga­tiv­be­scheid des MD auf­schie­bende Wir­kung. Al­ler­dings führen sie nicht un­mit­tel­bar zu ei­ner po­si­ti­ven Be­schei­ni­gung.

Fazit und Ausblick

Das ein­gangs be­schrie­bene Ziel des Ge­setz­ge­bers, kla­rere Vor­ga­ben für die Ab­rech­nung von OPS-Ko­des zu schaf­fen, ist zu begrüßen; die Um­set­zung aber ist nur teil­weise ge­lun­gen. Zwar dürf­ten die Neu­re­ge­lun­gen mehr Pla­nungs­si­cher­heit für Kran­kenhäuser bezüglich ih­rer ap­pa­ra­ti­ven und per­so­nel­len Aus­stat­tung mit sich brin­gen, da die Be­schei­ni­gung u. a. An­ga­ben enthält, über wel­chen Zeit­raum die Ein­hal­tung der je­wei­li­gen Struk­tur­merk­male als erfüllt an­ge­se­hen wird. Es be­ste­hen al­ler­dings noch zahl­rei­che Aus­le­gungs­fra­gen, die vor­aus­sicht­lich erst in langjähri­gen Rechts­strei­tig­kei­ten be­sei­tigt wer­den können. Die er­for­der­li­che in­terne Vorprüfung und die Durchführung der Struk­turprüfun­gen be­deu­ten für die Kran­kenhäuser zu­dem einen ganz er­heb­li­chen Ver­wal­tungs­auf­wand. Letzt­lich ist fest­zu­hal­ten: Dürfen die Kran­kenhäuser be­stimmte OPS-Ko­des nicht mehr ab­rech­nen, wer­den sie die Schließung von Sta­tio­nen in Erwägung zie­hen müssen. Die Her­an­ge­hens­wei­sen der MD im Rah­men der Prüfun­gen wer­den zei­gen, ob dies das ei­gent­li­che Ziel der Neu­re­ge­lun­gen war.

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